Kaufhof und Karstadt Was die Warenhäuser retten könnte

Mit Rabatt-Orgien retten sich die deutschen Kaufhaus-Konzerne über die Zeit. Es ist ein Versuch von Notwehr. Dabei zeigt ein Blick ins Ausland, was Karstadt und Kaufhof machen müssten, um ihre Zukunft zu sichern.

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Die Hudson's-Bay-Filiale in Amsterdam: Kunden können hier einen Personal Shopper buchen, der sie durch den Laden führt und berät. Quelle: Reuters

In ihrem Haus in Amsterdam probiert die Kaufhof-Schwester Hudson's Bay aus, was das Warenhaus wieder attraktiv machen könnte. Innerhalb von nur zwei Stunden liefert der Händler die in der Filiale gekaufte Ware nach Hause, Kunden können einen Personal Shopper buchen, der sie durch das Haus begleitet. Selbst Betten für einen Powernap gibt es, wenn der Einkauf zu anstrengend war.

In den deutschen Kaufhof-Filialen sucht man einen solchen Service noch vergebens. Ein Blick auf die Website von Galeria Kaufhof zeigt, was die Kunden locken soll. „Sale Finale“ schreit es auf rotem Grund, mit Nachlässen von „bis zu 70 Prozent“. Neben Mondscheinangeboten und Sommer Sale gibt es bis zu 40 Prozent auf ausgewählte Küchenartikel.

Auch Konkurrent Karstadt bewirbt angebliche „Topseller“ mit massiven Rabatten. Minus 55 Prozent für die Waschmaschine von Bauknecht, gar 59 Prozent Nachlass gibt es auf die Carrera-Bahn. Und den Badewannenlift gibt es 249 Euro statt für 699 Euro.

Das ist die Hudson's Bay Company

Die Rabatt-Orgie ist ein Versuch von Notwehr. Angesichts der immer schwächer werdenden Besucherzahlen in den Innenstädten stehen die Warenhauskonzerne enorm unter Druck. Karstadt und Kaufhof reagieren darauf mit Discounts in Serie. Eine riskante Strategie. „Das zieht zwar kurzfristig Kunden in die Läden, aber die Unternehmen zahlen dafür einen hohen Preis in Form von sinkenden Gewinnen“, warnt Michael Hauf, Geschäftsführer der renommierten Branchenberatung Hachmeister + Partner.

In der Tat hat Galeria Kaufhof im vergangenen Jahr rote Zahlen geschrieben. Und auch Karstadt hat unter dem Strich einen Verlust erzielt. Schon geistern wieder Gerüchte über einen möglichen Zusammenschluss von Kaufhof und Karstadt zu einer Deutschen Warenhaus AG durch die Branche. Das aber würde höchstens helfen, überflüssige Flächen und unrentable Häuser schneller stillzulegen. Ein Zukunftskonzept wäre das noch nicht.

Doch welche Maßnahmen sichern tatsächlich den Fortbestand von Karstadt und Galeria Kaufhof? Wie müsste ein Entwurf für das Warenhaus der Zukunft aussehen?

Was hilft ist ein Blick über die Landesgrenzen. Hachmeister + Partner hat sich in einer Studie weltweit Warenhäuser angesehen und Erfolgsfaktoren für Kaufhäuser identifiziert. Und dabei eine ernüchternde Erkenntnis gewonnen. „Karstadt und Kaufhof sind weit weg von dem, was nach internationalen Maßstäben möglich wäre“, resümiert Hachmeister-Geschäftsführer Hauf.

Was möglich wäre, zeigt beispielsweise ein Blick nach Großbritannien. Da macht etwa die Kette Selfridges mit nur vier Filialen einen Umsatz von umgerechnet 1,54 Milliarden Euro und einen Gewinn von knapp 180 Millionen Euro. Neben einem schlanken, sehr hochwertigen Sortiment und einer spektakulären Inszenierung der Ware ist es vor allem die konsequente Verknüpfung von E-Commerce und stationärem Geschäft, die Wachstum bringt. So ist der Onlineumsatz im vergangenen Jahr um 38 Prozent gewachsen.

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Davon profitiert auch das stationäre Geschäft. Während Kaufhof und Karstadt verzweifelt versuchen, ihre Verkaufsflächen zu reduzieren, baut Selfridges selbstbewusst aus. In diesem und dem kommenden Jahr will das Unternehmen die Verkaufsfläche um ein Viertel erweitern. Investitionsvolumen: Rund 300 Millionen Pfund (332 Millionen Euro).

Bar, Beauty-Salon und Personal-Shopping-Erlebnis

Einen guten Lauf haben in Großbritannien nicht nur die Edel-Kaufhäuser. Als Vorbild für die deutschen Kaufhauskonzerne haben die Experten beispielsweise das Unternehmen John Lewis ausgemacht, das beweist, dass man auch in der Mittelklasse mit dem richtigen Konzept Erfolg haben kann. „Die Läden sind gut strukturiert, das Unternehmen hat ein sensationelles Onlinegeschäft“, lobt Handelsexperte Hauf. Davon könnten sich Kaufhof und Karstadt „sicherlich einiges abgucken“.

Die Situation in den USA ist ein mahnendes Beispiel, was den Warenhauskonzernen droht, wenn sie nicht bald die Kurve bekommen. Dort sind die Umsätze in den Kaufhäusern seit der Jahrtausendwende um fast ein Drittel eingebrochen und liegen bei nur noch 155 Milliarden Euro. Hunderte Häuser mussten bereits schließen. Im Gegenzug macht der Onlineriese Amazon bereits einen Umsatz  von rund 64 Milliarden Euro – mehr als die traditionsreichen Warenhauskonzerne Nordstrom, Sears und Macy’s zusammen.

Immerhin in Ansätzen sind sowohl bei Kaufhof als auch bei Karstadt Verbesserungen zu erkennen. So hat der seit Mai amtierende Kaufhof-Chef Wolfgang Link die ursprüngliche Strategie der kanadischen Muttergesellschaft Hudson’s Bay Company (HBC) so verändert, dass die Modernisierung schneller in der Fläche ankommt. Statt weniger spektakulärer Großprojekte wie der Neugestaltung des Flagship-Hauses in Düsseldorf werden viele kleinere Umbauten in zahlreichen Häusern angegangen. Damit, so Link, sollen mehr Kunden und auch Mitarbeiter erleben, dass sich bei Kaufhof etwas tut.

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Eine wichtige Investition ist auch das neue, 40.000 Quadratmeter große Logistiklager in Zülpich, das im Frühjahr 2019 in Betrieb gehen soll. Dort soll das komplette Onlinegeschäft abgewickelt werden. „Größe und Lage des neuen Standorts garantieren kurze Lieferzeiten und bieten die perfekten Rahmenbedingungen, um das digitale Wachstum weiter voranzutreiben“, sagt Klaus Hellmich, Digitalgeschäftsführer von Kaufhof.

Dazu kommt: Kunden können online bestellte Waren jetzt in der Filiale abholen und dort auch zurückgeben. Mitarbeiter haben Tablets, um die Kunden besser beraten zu können und nicht vorrätige Waren direkt zu bestellen und dem Kunden nach Hause zu schicken. Das führte im vergangenen Jahr immerhin zu einem Wachstum des Onlinegeschäfts von 23 Prozent – jedoch auf immer noch niedrigem Niveau.

In die Verknüpfung von E-Commerce und Filialen investiert auch Karstadt. So hat das Unternehmen den kleinen Online-Marktplatz hood.de gekauft. Mit Hilfe dessen Expertise soll auch kaufhof.de zum Marktplatz ausgebaut und für Dritte geöffnet werden. Im nächsten Schritt soll daraus eine sogenannte Omnichannel-Plattform werden, also eine nahtlose Integration aller Verkaufskanäle online, offline und mobil. „Wir verbinden künftig die Stärken von 79 Warenhäusern mit einer bereits jetzt erfolgreichen digitalen Plattform, die tausende Anbieter bündelt“, formuliert Karstadt-Chef Stephan Fanderl das Ziel.

„Karstadt und Kaufhof waren zu lange mit sich selbst beschäftigt“

Dieses Projekt ist ein wichtiger Teil der Zukunftsstrategie unter dem Arbeitstitel „Die blaue Agenda 2020“ – und deshalb Chefsache. Die neue Chief Operating Officer Claudia Reinery, die Anfang September von der Parfümerie-Kette Douglas zu Karstadt wechselt, soll Fanderl entlasten, damit er sich stärker auf die Digitalstrategie konzentrieren kann. „Ich werde ab September die Digitalisierung von Karstadt noch offensiver vorantreiben und mich noch mehr um neue Partnerschaften und den Ausbau unserer Handelsplattform kümmern“, sagt Fanderl.

Das ist wohl auch dringend nötig. „Bei der Digitalisierung sind Kaufhof und vor allem Karstadt noch nicht weit genug“, stellt Handelsexperte Hauf fest. Zu lange lautete offenbar die Devise „Weiter so“, statt zu schauen, welche neuen Ideen es auch im Ausland gibt. „Karstadt und Kaufhof waren zu lange mit sich selbst beschäftigt und haben sich nicht genug darauf konzentriert, das Kerngeschäft zu stärken und auf die Zukunft auszurichten“, kritisiert auch Joachim Stumpf, Geschäftsführer der Handelsberatung BBE.

Die Studie von Hachmeister + Partner hat beim internationalen Vergleich zwei zentrale Erfolgsfaktoren für das Warenhaus der Zukunft ermittelt: Zum einen muss die Kommunikation mit den Kunden intensiver werden. Zum anderen muss das Einkaufserlebnis in den Filialen verbessert werden.

Als vorbildlich sehen die Experten dabei neben Selfridges die italienische Kette La Rinascente und Nordstrom aus den USA. La Rinascente beispielsweise hat sich profiliert durch einen starken Bezug zur Kunst, veranstaltet Ausstellungen und sponsert große Events. Nordstrom wiederum hat durch eine ausgefeilte Social-Media-Strategie sein Onlinegeschäft gepusht.

Die neueste Idee von Nordstrom ist ein Mode-Geschäft ohne Kleidung. In der Kreuzung aus Bar, Beauty-Salon und Personal-Shopping-Erlebnis in Los Angeles werden die Kunden in Ankleidezimmern von den Mitarbeitern persönlich beraten, unterstützt von einer Styling-App. Während sie dann ein Bier oder einen Kaffee trinken oder sich die Nägel machen lassen, wird ihr Outfit angeliefert. Wenn etwas nicht passt, gibt es auch eine Änderungsschneiderei.

Als einen Weg, neue Kunden anzulocken und gleichzeitig die eigene Verkaufsfläche zu reduzieren, holen sich die deutschen Warenhauskonzerne jetzt attraktive Partner in die Häuser. So startet Karstadt noch dieses Jahr eine Kooperation mit der Kinderkleidermarke Sfera, einer Tochter des spanischen Kaufhausbetreibers El Corte Inglés. Kaufhof hat sich mit dem britischen Klamottenhändler Top Shop und der US-Parfümerie Sephora verbündet und will mit ihnen Shop-in-Shop-Konzepte für zahlreiche Filialen entwickeln.

Experte Stumpf sieht solche Kooperationen durchaus als „Bereicherung und Aufwertung“. Doch das Kernproblem lösten sie nicht: „Damit gelingt nicht der Beweis, dass das Konzept Warenhaus funktioniert.“ Dazu braucht es noch mehr innovative Ideen.

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