Kriselnde Handelskette Reals Zerschlagung rückt näher

Die SCP-Group wird alleiniger Eigentümer des bisher zur Metro-Gruppe gehörenden stationären Real-Geschäftes. Quelle: dpa

Am Donnerstag soll der russische Finanzinvestor SCP die Kontrolle bei Real übernehmen. Er hat bereits Käufer für 141 Filialen und den Online-Marktplatz gefunden. Für viele Mitarbeiter ist die Zukunft weiter ungewiss.

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Die Krise bei Galeria Karstadt Kaufhof sorgt gerade bundesweit für Schlagzeilen - um die angeschlagene SB-Warenhauskette Real dagegen ist es zuletzt still geworden. Doch für die rund 34.000 Mitarbeiter rückt die Stunde der Wahrheit näher. Am Donnerstag soll die bisher noch zum Metro-Konzern gehörende Kette in den Besitz des russischen Finanzinvestors SCP übergehen. Es ist eine entscheidende Etappe auf dem Weg zur Zerschlagung des Unternehmens.

Die Gewerkschaft Verdi sieht in der Übernahme denn auch eine „Existenzgefährdung für tausende Menschen“, wie Verdi-Bundesvorstandsmitglied Stefanie Nutzenberger der Deutschen Presse-Agentur sagte. „Mit dem Real-Verkauf werden die 34.000 Beschäftigten zum Spielball der Finanz- und Immobilieninvestoren SCP“, warnte die Gewerkschafterin.

SCP betonte zwar erst kürzlich, alle rund 34.000 Mitarbeiter würden mit ihren bestehenden Verträgen zu den bestehenden Konditionen übernommen. Der Finanzinvestor macht allerdings kein Hehl daraus, dass er die Zerschlagung der seit Jahren kriselnden Handelskette plant.

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SCP hat bereits angekündigt, 141 der zuletzt noch rund 270 Real-Märkte an Kaufland und Edeka verkaufen zu wollen – 88 an Kaufland, 53 an Edeka. Die Mitarbeiter sollen übernommen werden, wie SCP betonte. Der Vorsitzende des Verwaltungsrats von SCP Retail Investments, Patrick Kaudewitz, betonte: „Wir werden so für fast die Hälfte der Real-Märkte und deren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Klarheit und Planbarkeit schaffen können.“ Die ersten Märkte sollen ab dem vierten Quartal an die neuen Besitzer übergeben werden. Der gesamte Prozess werde sich über einen Zeitraum von rund 18 Monaten erstrecken.

Auch der zuletzt kräftig gewachsene Online-Marktplatz real.de soll eine neue Heimat unter dem Dach der Schwarz-Gruppe – dem Mutterkonzern von Lidl und Kaufland – finden und unter dem dem Namen Kaufland weitergeführt werden. Die Schwarz-Gruppe, die mit ihren Sparten Lidl und Kaufland weltweit mehr als 12.000 Filialen betreibt und einen Umsatz von mehr als 100 Milliarden Euro erreicht, ist bislang im E-Commerce nur wenig präsent. Dabei hatte der Online-Handel mit Lebensmitteln in der Corona-Krise einen Boom erlebt.

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Der Konzern will dies Lücke nun offenbar schließen. „Real.de ist ein wesentlicher Baustein unseres künftigen Angebots. Die Kombination aus stationärem Geschäft und Online-Handel wird uns zusätzliche Möglichkeiten eröffnen“, sagte Rolf Schumann, Vorstand Digitalisierung der Schwarz-Gruppe.

Was die restlichen mehr als 100 Real-Filialen angeht, so ist ihr Schicksal noch offen. Als mögliche Kaufinteressenten gelten unter anderem Rewe und Globus. Auch eine Aufteilung einzelner Märkte in kleinere Flächen zur besseren Verwertung schloss der Finanzinvestor nicht aus. Rund 30 Märkte müssten allerdings voraussichtlich mangels Perspektiven geschlossen werden, hieß es bereits bei der Unterzeichnung des Kaufvertrages im Frühjahr.

Real war zuletzt das Sorgenkind bei dem Düsseldorfer Handelsriesen Metro und hatte dort im Geschäftsjahr 2018/19 für tiefrote Zahlen gesorgt. Die meist auf der grünen Wiese gelegenen Hypermärkte litten seit Jahren unter den veränderten Einkaufsgewohnheiten in Deutschland. Immer öfter ließen die Kunden die Real-Filialen links liegen und kauften lieber in Supermärkten und bei Discountern in ihren Wohnvierteln.

Die Corona-Krise bescherte der vor der Zerschlagung stehenden SB-Warenhauskette allerdings noch einmal ein spätes Comeback. Im März und April stiegen Umsätze und Ergebnis deutlich. Real habe sich in der Krise als sehr attraktives Format erwiesen. Nicht zuletzt das umfangreiche Nicht-Lebensmittel-Angebot von der Bekleidung bis zum Fernseher habe Kunden in die Real-Filialen gelockt, sagte Metro-Chef Olaf Koch. Eine nachhaltige Perspektive sah der Manager für Real aber dennoch nicht.

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