Real-Verkauf Nach dem Deal ist vor der Zerschlagung

Real-Verkauf: Nach dem Deal ist vor der Zerschlagung. Quelle: imago images

Unternehmen wie Praktiker, Vobis, Adler, Extra, Kaufhof und MediaSaturn gehörten einst zum Metro-Reich. Doch nach der Trennung von dem Düsseldorfer Handelsriesen ging es oft steil bergab für die früheren Konzerntöchter. Droht Real nun das gleiche Schicksal?

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Es ist wohl nur eine Frage von Tagen, bis sich der Handelskonzern Metro endgültig von seiner Supermarktkette Real trennt. Noch fehlen zwar die Unterschriften unter dem Kaufvertrag, steht die Zustimmung des Aufsichtsrates zu dem Deal aus. Doch grundsätzlich habe man sich mit einem Konsortium um den Immobilieninvestor X+Bricks über den Verkauf von Real geeinigt, teilte Metro bereits mit.

Wie es für die rund 34.000 Real-Beschäftigten weitergeht, dürfte sich dennoch erst in den kommenden Monaten entscheiden. Denn die künftigen Eigentümer wollen nur einen kleinen Teil der insgesamt rund 270 Real-Märkte selbst weiter betreiben. Der Großteil der Standorte soll an andere Händler wie Edeka oder Kaufland verkauft werden. Einigen Standorten droht auch die Schließung. Reals Gesamtbetriebsratsvorsitzender Werner Klockhaus warnte bereits vor einem Job-Kahlschlag. Es drohten „signifikante Einschnitte“, bis zu 10.000 Stellen könnten wegfallen.

Konzernchef Koch hält die Zahl zwar für „zu hoch“ gegriffen. Er setze sich in den Verkaufsgesprächen „für vertragliche Regelungen ein, nach denen die Real-Mitarbeiter von den übernehmenden Einzelhandelsunternehmen weiterbeschäftigt werden“, sagte Koch im Januar der WirtschaftsWoche. Dass es beim geplanten Weiterverkauf der Real-Standorte an Wettbewerber wie Kaufland und Edeka am Ende jedoch zu Jobverlusten kommen wird, weiß auch der Manager. Es wäre schließlich nicht das erste Mal in der Metro-Historie. Im Gegenteil: Oft ging es mit den Mitarbeiterzahlen steil bergab, sobald sich der Handelsriese von seinen Ablegern getrennt hatte. „Für viele frühere Metro-Töchter hat sich die Krise nach dem Verkauf noch zugespitzt“, sagt Handelsexperte Jörg Funder von der Hochschule Worms.

Bestes Beispiel: die Baumarktkette Praktiker. Metro hatte das Tochterunternehmen im November 2005 an die Börse gebracht. Doch aus der vermeintlichen Wachstumsstory der „20-Prozent-auf-alles"-Kette wurde nichts. Praktiker schrieb über Jahre hohe Verluste, diverse Restrukturierungsversuche scheiterten. Am 10. Juli 2013 erklärte sich das Unternehmen für überschuldet und zahlungsunfähig und stellte am darauffolgenden Tag beim Amtsgericht Hamburg einen Insolvenzantrag. Wenig später folgte auch das Schwesterunternehmen Max Bahr. Alle Rettungsbemühungen für Praktiker scheiterten. Metro hatte sich als Praktiker-Großaktionär zu diesem Zeitpunkt schon lange verabschiedet.

Kaum besser lief es beim Computerhändler Vobis, der unter Metro-Ägide in den Neunzigerjahren zunächst hohe Hardware-Verkaufszahlen aufwies. 1999 zerschlug Metro die Kette jedoch durch Verkauf der Auslandsfilialen und Ausgliederung der Computerfertigung in die Tochtergesellschaft Maxdata. Das Gros der Geschäftsanteile landete zunächst bei der Firma Divaco, damals eine Art „Bad Bank“ für bis zu 250 Tochtergesellschaften, die der Metro-Konzern zum Buchwert in die Gesellschaft eingebracht hatte, mit dem Ziel diese später zu verwerten.

Auch die Adler Modemärkte wurden zunächst bei Divaco geparkt, später von Metro zurück gekauft, um sie 2009 erneut loszuschlagen. Diesmal an den Finanzinvestor BluO. Nach einem Börsengang, übernahm schließlich die Steilmann-Gruppe die Mehrheit, musste aber 2016 Insolvenz anmelden. Trotz des Hin-und-Hers scheint sich Adler inzwischen berappelt zu haben. Rund eine halbe Milliarde Euro erwirtschafteten die 172 Adler-Modemärkte 2019. Vergleichsweise gut lief es auch für die rund 250 Extra-Märkte aus dem Metro-Fundus. Sie brachten rund 1,6 Milliarden Euro Umsatz auf die Waage, bevor sie 2009 an die Rewe-Gruppe verkauft wurden.

Die jüngeren Versuche, den Konzern auf das Großhandelsgeschäft zu konzentrieren, verliefen weniger glimpflich. Zumindest aus Mitarbeitersicht. Nach dem Verkauf der Kaufhof-Warenhäuser an den kanadischen Handelskonzern HBC begann dort ein beispielloser Niedergang. Kurz vor dem Kollaps reichte HBC Kaufhof schließlich an den österreichischen Immobilienunternehmer Rene Benko weiter, der seither am Zusammenschluss der früheren Wettbewerber Kaufhof und Karstadt werkelt. Auch das jedoch verbunden mit Sparmaßnahmen, Stellenstreichungen – und ungewissem Ausgang.

Bewegte Zeiten haben auch MediaMarkt und Saturn hinter sich. Bis zum 13. Juli 2017 operierten die Elektronikhändler ebenfalls unter dem Metro-Dach. Dann spaltete Vorstandschef Koch den Konzern auf. Zurück blieben der Lebensmittelhändler Metro mit den gleichnamigen Großmärkten und der Supermarktkette Real, sowie der börsennotierte Elektronikanbieter Ceconomy mit MediaMarkt und Saturn. Die Holding war mit großen Hoffnungen in die Unabhängigkeit gestartet. Doch es folgten mehrere Gewinnwarnungen, das Geschäft lief nicht rund, mehrere Wechsel an der Spitze folgten – kombiniert mit Sparmaßnahmen. So sank die Zahl der Vollzeitstellen in Deutschland im vergangenen Jahr um 2000 auf rund 21800 – den Abbau von 600 Jobs in der Ingolstädter Zentrale nicht eingerechnet. Im laufenden Geschäftsjahr sollen nach Informationen der „Lebensmittelzeitung“ weitere 1000 Vollzeitstellen in Deutschland wegfallen.

Mit Real folgt nun die letzte große Transaktion. Läuft alles nach Plan, wird Metro bald ein reiner Betreiber von Großhandelsmärkten sein. Es ist der Abschluss des wohl radikalsten Konzernumbaus im deutschen Handel. Für Metro sei es „durchaus sinnvoll“ gewesen, sich von jahrelangen Baustellen zu verabschieden, sagt Experte Funder. Auch wenn das Timing dabei teils problematisch war. „Es ist immer besser, Unternehmen nicht erst dann zu verkaufen, wenn es einen akuten Bedarf zur Neuausrichtung gibt“, so Funder.

Das dürfte auch für Real gelten.

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