Kurskapriolen und Zukunftspläne Was ist los beim Online-Luxushändler Mytheresa?

Der Online-Luxus-Modehändler Mytheresa Quelle: PR

Erst Höhenflug, dann Kurseinbruch – was ist los beim Online-Luxusmodehändler Mytheresa? Finanzchef Martin Beer über das Potenzial des „Luxus-Zalandos“ und die Kurskapriolen seit dem Börsengang vor einem Jahr.

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Es war ein Auftakt nach Maß: Im Januar 2021 feierte der Online-Luxusmodehändler Mytheresa aus Aschheim bei München sein Debüt an der New Yorker Börse. Das Unternehmen wurde mit einem Ausgabepreis von 26 Dollar (23 Euro) je Anteilsschein gelistet. Die Konsortialbanken hatten ursprünglich nur eine Spanne von 16 bis 18 Dollar angegeben. Doch selbst das aufgestockte Angebot soll 27-fach überzeichnet gewesen. Auf einen Schlag kam das Unternehmen auf einen Börsenwert von 2,3 Milliarden Euro. Den ersten Börsentag am 21. Januar beendete die Aktie sogar bei 31 Dollar, ein Plus von 19 Prozent.

Ein Jahr ist das nun her – und inzwischen scheint die anfängliche Luxus-Euphorie der Anleger verflogen. Allein seit Mitte November ist die Aktie um mehr als 30 Prozent eingebrochen. Was also ist los bei Mytheresa? Läuft das Geschäft mit sündteuren Valentino-Roben nicht mehr? Stockt der Absatz von Loro-Piana-Stiefeln und Saint-Laurent-Mänteln im Gegenwert eines Kleinwagens?

Mytheresa-Finanzvorstand Martin Beer beantwortet die Fragen mit einem milden Lächeln: Operativ läuft es bei den Bayern, soll das wohl heißen. Für Beer sind es vielmehr zwei Sonderfaktoren, die den Aktienkurs aktuell belasten. „Zum einen besteht eine enorme Verunsicherung im Markt, was die Coronafolgen betrifft“, sagt Beer. Dabei spielten auch Sorgen um Lieferengpässe, Zinsängste und Inflationsthemen eine Rolle. „Diese Gemengelage bekommen derzeit fast alle börsennotierten E-Commerce Händler zu spüren“, so Beer. 

Hinzu käme der zweite, eher technische Aspekt: „Rund 80 Prozent unserer Aktien werden von unserem Kernaktionär MYT Holding gehalten“. Und der Großteil der verbleibenden gelisteten 20 Prozent sei in der Hand von strategischen Investoren und werde daher kaum am Markt gehandelt. „Damit können schon überschaubare Ordervolumen stark auf den Kurs durchschlagen“, sagt Beer. 

Beer hält die Auswirkungen von Lieferengpässen und steigenden Teuerungsraten auf das Geschäft von Mytheresa für überschaubar. „Die Luxusmodehersteller produzieren vor allem in Frankreich und Italien“, so Beer. „Daher haben wir keinerlei Schwierigkeiten mit der Warenverfügbarkeit.“ Zudem verfüge der Luxusmarkt insgesamt über „eine recht hohe Resilienz gegenüber Inflationstendenzen.“ Auch die derzeitige Omikron-Coronawelle sei für das Unternehmen im Grunde „unwesentlich“ und habe „für keinen Einbruch gesorgt“.

Bekleidung ist erst der Anfang

Tatsächlich konnte die digitale Luxusboutique in den vergangenen Monaten sowohl in Lockdown-Phasen wie in Zeiten der Öffnung den Umsatz steigern. Nach der ersten Schließungswelle im stationären Handel hätten viele Kunden erstmals den Onlineeinkauf im Luxussegment ausprobiert. „Als es dann in vielen Regionen der Welt wieder los ging mit Festen und Events, zog die Modenachfrage an, wovon wir ebenfalls profieren konnten“, sagt Beer. Im vergangenen Geschäftsjahr, das im Juni endete, erzielte Mytheresa einen Umsatz von rund 612 Millionen Euro, 36 Prozent mehr als im Vorjahr. Die Kundenzahlen seien ähnlich stark gestiegen, sagt Beer und „unsere Ebitda-Marge lag bei rund neun Prozent“. Auch nach der Pandemie soll es mit zweistelligen Zuwachsraten weitergehen. Der Finanzchef rechnet „mit einem dauerhaften Umsatzwachstum von 22 bis 25 Prozent pro Jahr - und zugleich mit ordentlichen Erträgen“. 

Luft nach oben ist durchaus vorhanden. Bis 2025 soll der weltweite Luxusmarkt auf rund 115 Milliarden Euro wachsen. In den wichtigen Luxusländern China und den USA hat Mytheresa allerdings noch Nachholbedarf. Und während Konkurrenten wie Farfetch bereits gewaltige Volumen über ihre Plattformen schleusen, steht Mytheresa ähnlich wie Net-a-Porter oder Mr Porter für ein kuratiertes, selektives Sortiment – und für eine hohe Abhängigkeit von der Ausgabefreude einzelner Top-Kundinnen. 

„Mit drei Prozent unserer Kundinnen erzielen wir rund ein Drittel unseres Gesamtumsatzes“, sagt Beer. Das sei typisch für die Luxusbranche und auch gewollt. „Wir fokussieren uns bewusst auf Kundinnen, die dauerhaft und regelmäßig ihre Garderobe erneuern“. Käuferinnen, die ein, zwei Jahre auf eine Tasche sparen, gebe es sicherlich auch. „Sie spielen bei unserer Ausrichtung aber eher eine Nebenrolle“, so Beer. 

Um Stammkäuferinnen bei Laune zu halten und neue Kunden zu gewinnen, will Mytheresa über kurz oder lang auch das Sortiment erweitern. „Momentan sind wir ausschließlich im Bekleidungssegment unterwegs“, sagt Beer. Aber das sei erst der Anfang. „Mittelfristig könnten wir auch Beauty- und Lifestyle-Produkte anbieten, oder Uhren und Schmuck“, so Beer. „Selbst Kunst und Reisen sind denkbar.“ Voraussetzung bleibe aber, dass eine Sortimentskategorie zu Mytheresa und dem Luxusanspruch des Unternehmens passe. Vor allem eines sei wichtig: „Es darf nicht beliebig werden.“

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