Parfümeriekette Wie Tina Müller Douglas herausputzen will

Tina Müller Quelle: Patrick Schuch für WirtschaftsWoche

Ihre Mission ist ein heikles Unterfangen: Tina Müller soll Douglas auf Rendite trimmen. Zugleich muss die Vorstandschefin Angreifer wie dm, Rossmann und Aldi abwehren - und die digitale Konkurrenz auf Abstand halten.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Die Valentinsattacke war sorgsam vorbereitet. Zwischen Reinigungstüchern und Kuchenriegeln pries der Discounter Aldi Süd im jüngsten Werbefaltblatt Düfte von Joop, Calvin Klein und Chopard für 29,99 Euro an – und sorgte gleichzeitig für dicke Luft in der Düsseldorfer Douglas-Zentrale. Dort residiert – oder besser: rotiert – seit November Tina Müller, die neue Chefin der Parfüm- und Kosmetikkette. Sie hatte auf die geschäftsbelebende Wirkung des Valentinstags gebaut. Statt in ihre Parfümerien rückte ein Teil der Kunden zum Flakonkauf nun zu Aldi aus.

Der Vorgang ist bezeichnend. Reihenweise wildern neue Rivalen im Revier des Marktführers. Onlineplayer wie Parfumdreams, der Versandkonzern Otto und Internetprimus Amazon drängen ins Beauty Business, der Modehändler Zalando will demnächst folgen. Die angesagte französische Marke Sephora, Tochter des Luxuskonzerns LVMH, versetzt mit Neueröffnungen regelmäßig Teenager in Wallung und die Branche in Aufruhr. Selbst schnöde Drogisten wie dm und Rossmann locken mit edlen Parfüms. Und nun auch noch Aldi.

Kaum 100 Tage im Amt, entpuppt sich Müllers Mission als heikles Unterfangen. Einerseits soll sie das Unternehmen für den Mehrheitseigentümer, den Finanzinvestor CVC, auf Rendite trimmen und mittelfristig für einen Verkauf oder Börsengang herausputzen. Andererseits muss sie zunächst Douglas’ Position im neu entfachten Schönheitswettbewerb verteidigen.

Wie das gelingen soll, ließ Müller bislang offen. Nun hat sie erste Schlüsselpositionen neu besetzt, die Grundzüge ihrer Strategie werden sichtbar: Müller will die digitale Abwehr schärfen, den Verkauf von Gesundheitsprodukten wie Nahrungsergänzungsmitteln testen und die stationäre Kundschaft mit neuen Services in die Läden locken. Vor allem aber plant die Marketingexpertin, der Marke Douglas wieder mehr Glamour und Experimentierfreude einzuhauchen. #ForwardBeauty hat sie denn auch ihr Projekt getauft, Hashtag inklusive.

Was Müllers Wirbeln in der Praxis heißt, bekamen die Mitarbeiter bereits in einer Videobotschaft im Dezember zu sehen. Müller cruiste in einem mit Douglas-Tüten vollgestopften Opel Adam durchs vorweihnachtliche Düsseldorf. Im Autoradio dudelte der Wham!-Hit „Last Christmas“. Die neue Chefin trällerte fröhlich und lautstark mit und versprach „bei der Filiale, die das beste Weihnachtsgeschäft macht, steht bald der Adam vor der Tür“. Allein, die Verkaufsmotivation kam bei den Mitarbeitern höchst unterschiedlich an. Von „charmante Idee“ bis „peinliche Show“ reichen die internen Filmkritiken. Nur in einem Punkt herrscht Einigkeit in der Belegschaft: „Das gab’s noch nie bei Douglas.“

Tatsächlich sorgte Müllers unkonventionell-aktives Auftreten schon bei ihrem Exarbeitgeber Henkel für Aufsehen. 17 Jahre arbeitete sie für den Persil-Konzern und frischte dort unter anderem die Haarkosmetikmarke Schwarzkopf auf. Dann lockte der Konsumgüterriese Beiersdorf mit einem Vorstandsposten. Doch Henkel ließ Müller nicht ziehen, es kam zur Klage. Am Ende blieb Müller nichts anders übrig, als sich neu zu orientieren. Sie heuerte bei Opel als Marketingvorstand an und steckte ihre Expertise in Drehzahlen und Bordcomputer. „Die ersten paar Wochen bei Opel waren Neuland für mich“, sagte Müller einige Monate nach Amtsantritt. „Aus den vielen englischsprachigen Abkürzungen entsteht eine eigene Sprache, das ist wie Vokabeln lernen.“

Müller paukte – und setzte sich durch. Bei Opel fühlten sich einige Mittelmanager von ihrer Chefin regelrecht entmachtet, weil sie Detailentscheidungen an sich zog. Andere empfanden ihre direkte Art, Kritik zu äußern, als zu hart. Aber selbst die zu Beginn skeptischen Opel-Händler mussten anerkennen, dass sie die angestaubte Marke mit Kampagnen wie Umparken im Kopf wieder ins Bewusstsein der Verbraucher gerückt hat.

Bei Douglas ist die Ausgangslage zwar deutlich besser, doch auch die deutschlandweit rund 400 Läden umweht ein Hauch des Opa-Rasierwassers Old Spice. „Douglas hat sich zu viel mit sich selbst befasst und zu wenig mit dem Markt“, konstatiert ein früherer Manager.

Jahrelang bildete das Parfümeriegeschäft den Kern der börsennotierten Familienholding Douglas, unter deren Dach die Gründerfamilie Kreke auch Schmuck- (Christ) und Buchgeschäfte (Thalia) versammelt hatte. 2012 übernahm die Beteiligungsgesellschaft Advent die Mehrheit des Konzerns. Advent nahm Douglas von der Börse, filetierte das Konglomerat, kaufte den drittgrößten französischen Parfümerieanbieter Nocibé dazu und reichte das neukreierte Duftimperium mit sattem Aufschlag an den Finanzinvestor CVC weiter. Der verschärfte die Gangart noch. Ende 2016 zog das Unternehmen von Hagen nach Düsseldorf. Zahlreiche Stellen fielen weg.

Douglas nimmt den „Yeti der Beauty-Branche“ ins Visier

Müllers Vorgängerin Isabelle Parize sorgte für zusätzliche Abgänge. Selbstbewusstsein und Durchsetzungsstärke hatten der Managerin schon in Jugendjahren den Spitznamen „La Directrice“ – zu Deutsch: „die Chefin“ – eingebracht. Dem wurde sie auch bei Douglas gerecht. Im Unternehmen galt sie bald als „ruppige Flakonzählerin“, die ihre Angestellten triezte. Die Folge: Wichtige Mitarbeiter wechselten zu Konkurrenten wie Sephora. Deren Know-how nutzen die Franzosen jetzt, um in Deutschland durchzustarten.

Schon als im vergangenen Sommer die ersten Sephora-Shops in einzelnen Warenhäusern von Galeria Kaufhof eröffneten, war der Andrang gewaltig. In diesem Jahr sollen weitere Standorte folgen, offenbar nicht mehr nur als Untermieter, sondern auch über eigene Schönheitstempel. Für bis zu 100 sei in Deutschland Platz, glauben Immobilienexperten.

Douglas-Chefin Müller hält nun mit Schönheitskuren für die eigenen Läden und neuen Diensten für die Kunden gegen. „Wir planen einen deutlichen Ausbau unseres Beratungsangebots, das wir ,Quick Services‘ nennen“, sagte sie der „Rheinischen Post“ im Antrittsinterview. Dazu könnten etwa Kooperationen mit Friseuren oder Nagelstudios zählen.

Sogar den „Yeti der Beauty-Branche“ („Horizont“) – die Zielgruppe Mann – nimmt sie ins Visier. Als Lockmittel testet Müller Barbershops in den Filialen, um vom Bartpflegetrend zu profitieren.

Gleichzeitig will Müller das Onlinegeschäft forcieren, das zuletzt knapp 14 Prozent des Konzernumsatzes von 2,8 Milliarden Euro einspielte. Das ist auch nötig, um Kosmetik-Newcomer wie Otto und Zalando auf Abstand zu halten. Otto.de verkauft bereits mehr als 1000 L’Oréal-Produkte, 500 weitere sollen in den nächsten Monaten dazu kommen. Zalando will im Frühjahr mit einer Grundausstattung an Parfüms, Haut- und Haarpflegeprodukten starten, darunter Artikel bekannter Marken wie Maybelline und jüngerer Labels wie Percy & Reed. Neben dem Onlineshop ist eine Konzeptfiliale in Berlin geplant.

Wie Müller den Vorstoß parieren will, lassen Personalentscheidungen erahnen. So kommt vom Modeanbieter s.Oliver die Managerin Vanessa Stützle als International Head of E-Commerce zu Douglas. Sie soll gemeinsam mit der früheren Opel-Managerin Carolin Schmidt die Marke wieder trendiger machen.

Nebenher setzt Müller auf logistische Experimente und plant etwa die Einführung eines Schnelllieferservices für Kosmetik in Deutschland. Vorbild sei die französische Tochter, heißt es in Branchenkreisen. Dort erhalten Kundinnen schon heute Maskara oder Lippenstift auf Wunsch innerhalb von zwei Stunden nach ihrer Onlinebestellung. Influencer – Internetstars mit Einfluss in der jungen Zielgruppe – sollen eigene Kollektionen bekommen. Zusätzlich wird der Onlineshop zum Marktplatz für externe Anbieter wie etwa Kosmetiksalons ausgebaut.

Reicht das, um sich gegen die digitalen Angreifer zu behaupten? Die Zeit drängt. In Deutschland, dem mit Abstand wichtigsten Markt des Konzerns, kann das Onlinewachstum den Rückgang in den Filialen nicht kompensieren, der Umsatz bröckelt.

Noch wichtiger: Die neuen Player könnten mit Aktionen à la Aldi einen margenvernichtenden Preiskampf einläuten. Müllers Beauty Contest hat gerade erst begonnen.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%