
Schon Mitte Juni hatten einige Medien allzu euphorisch berichtet, dass die Friedensgespräche im Familienstreit zwischen Clemens und Robert Tönnies kurz vor dem Durchbruch stünden. Ja sogar ein unterschriftsreifer Einigungsvertrag läge vor, wurde herbeispekuliert. Pustekuchen! Eine Art Vorvertragsentwurf wurde von Roberts Anwälten mit dem Hinweis, Clemens Tönnies sei offenbar nicht mehr vom Geist und von den Grundgedanken gleichberechtigter Partnerschaft beseelt, barsch zurückgewiesen.
Seitdem sind wieder Monate vergangen. Versöhnlicher ist der Ton zwar nicht geworden – dennoch werden die Gespräche fortgeführt, berichten mit den Vorgängen vertraute Personen. Mit einer schnellen Einigung und einer Absage des kommenden Gerichtstermins am 19. Oktober vor dem Landgericht in Bielefeld, rechnet derzeit jedoch niemand. Seit Jahren kämpfen Tönnies-Chef und Schalke-04-Boss Clemens Tönnies, 59, und sein Neffe Robert, 37, um die Macht im größten deutschen Fleischkonzern mit 5,6 Milliarden Euro Umsatz und rund 8000 Mitarbeitern.
Die Deutschen stehen auf Wurst und Fleisch
Für viele Deutsche ist ein Frühstück ohne Wurst kaum vorstellbar. Eine repräsentative Befragung der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) hat ergeben, dass 85 Prozent aller Deutschen den Verzehr von Fleisch und Wurst als „selbstverständlich und naturbewusst“ ansehen. 83 Prozent der Befragten wollen unter keinen Umständen auf den Verzehr von Fleisch und Wurstwaren verzichten.
Die Studie zeigt, dass jeder zweite Deutsche zumindest einmal am Tag Wurst oder Fleisch verzehrt. Ein Viertel der Befragten hat ein schlechtes Gewissen, wenn er an die geschlachteten Tiere denkt. Knapp 42 Prozent achten beim Fleischeinkauf jedoch insbesondere auf einen möglichst günstigen Preis.
Über 80 Prozent der Befragten essen gerne gegrilltes Fleisch und gegrillte Würstchen. Das Grillen ist eines der beliebtesten Hobbys der Deutschen und ganz klar eine Männerdomäne. Sechs von zehn Befragten sind der Meinung, dass „Männer einfach mehr Fleisch zum Essen brauchen als Frauen.“ Frauen sind hingegen weniger häufig bedingungslose Fleischesser. Sie haben nicht nur häufiger gesundheitliche Bedenken beim Fleischkonsum, sie achten auch eher auf die Herkunft des Fleisches.
Nur etwas mehr als jeder Dritte (36 Prozent der Befragten) gab an, beim Fleischkonsum vorsichtiger geworden zu sein. Die Fleischskandale der vergangenen Jahre haben zu einem Umdenken bei vielen Fleischkonsumenten geführt: Ein Drittel der Studienteilnehmer sagt, dass eine vegetarische Ernährung gesünder sei. Außerdem könne der Verzicht auf Fleisch Gesundheitsrisiken vorbeugen.
Während sich ein Großteil der Befragten beim Fleischkonsum mit gesundheitlichen Risiken konfrontiert sieht, verzichten nur 15 Prozent generell auf Fleisch. Lediglich drei Prozent gaben an, sich ausschließlich vegetarisch zu ernähren. Zwölf Prozent der Befragten kaufen ausschließlich Bio-Fleisch. Allerdings legen 65 Prozent der Befragten laut der Studie keinen besonderen Wert auf die artgerechte Haltung der Tiere.
Doch nach Meinung vieler Befragter ist Fleisch nicht gleich Fleisch: 58 Prozent der Befragten gaben an, Geflügel – sogenanntes „weißes Fleisch“– sei gesünder als „rotes Fleisch“ von Rind oder Schwein. Doch die Geflügelskandale der vergangenen Jahre beunruhigen die deutschen Fleischkonsumenten. 29 Prozent kaufen ihr Fleisch deshalb direkt bei Bauern oder Erzeugern.
Fleischkonsum als Gruppenzwang? Knapp 19 Prozent der Studienteilnehmer gaben an, weniger Fleisch und Wurst einkaufen zu wollen, Familie oder Partner wollten aber nicht auf Fleisch verzichten. Insbesondere Frauen haben ein ambivalentes Verhältnis zum Fleischkonsum. Ein Viertel der weiblichen Studienteilnehmer gab an, zumindest zeitweise auf den Verzehr von Fleisch oder Wurstwaren zu verzichten.
Alter, Bildung und Herkunft der Befragten spielten eine Rolle: So achten 54 Prozente der 20- bis 29-Jährigen beim Fleischeinkauf auf einen günstigen Preis. Dagegen haben 34 Prozent der Jüngsten (14- bis 19-Jährige) ein schlechtes Gewissen, wenn sie beim Fleischkonsum an die geschlachteten Tiere denken. Menschen mit höherer Schuldbildung essen weniger Fleisch, als Menschen mit niedriger Bildung. In den neuen Bundesländern waren 90 Prozent aller Befragten der Meinung, dass Fleischessen beim Menschen naturbedingt ist.
Die durch den „Wort & Bild Verlag“ veröffentlichte Studie wurde von der GfK-Marktforschung vom 9. bis zum 27. August 2013 als telefonische Befragung durchgeführt. In diesem Rahmen wurden 2094 Befragte im Alter ab 14 Jahren befragt. Die nach Quoten gezogene Stichprobe gilt als repräsentativ für die Bundesrepublik Deutschland.
Vorwurf: Grober Undank
Aktuell gibt es eine Patt-Situation im Schlachter-Imperium mit Sitz im westfälischen Rheda-Wiedenbrück: Firmenchef Clemens Tönnies hält 50 Prozent der Anteile, sein Neffe Robert ebenfalls. Robert will aber einen fünf Prozent-Anteil zurück, den er vor Jahren seinem Onkel geschenkt hatte. Am kommenden Montag soll nun vor dem Bielefelder Landgericht geklärt werden, ob Robert Tönnies den geschenkten Anteil von seinem Onkel zurückfordern kann. Diesen sogenannten Schenkungswiderruf begründen die Anwälte von Robert Tönnies mit grobem Undank. Demnach habe Clemens seinen Neffen öffentlich verunglimpft, wirtschaftlich übervorteilt und ihm Rechte als Gesellschafter vorenthalten.
Grundlage für die Schenkung soll ein Versprechen auf dem Sterbebett des Firmengründers Bernd Tönnies im Jahr 1994 gewesen sein. Robert, ebenso wie sein Bruder Clemens junior, bezweifeln dieses Versprechen, wonach ihr Onkel Clemens ihnen bei den Firmenanteilen gleichgestellt werden sollte.
Würde das Gericht Robert Recht geben, kippt das Machtverhältnis beim Fleischriesen zu seinen Gunsten. Nachlassverwalter Josef Schnusenberg soll mit seiner Aussage am kommenden Montag Licht ins Dunkel bringen. Schnusenberg war Vorsitzender und Schatzmeister des Fußball-Bundesligisten Schalke 04. Zudem war er Steuerberater beim Fleischkonzern Tönnies und zugleich auch Nachlassverwalter des verstorbenen Firmengründers.
Wacklige Einigkeit
In den Sommermonaten hatten sich die zerstrittenen Parteien verstärkt um eine Einigung bemüht. Treiber der Gespräche sind dem Vernehmen nach – neben einer Armada von Anwälten und externen Beratern - für Clemens Tönnies sein Schwager und Konzern-Finanzchef Daniel Nottbrock und auf Roberts Seite dessen Steuerberater und Wirtschaftsprüfer Jens-Uwe Göke. Beide konnten dem Vernehmen nach in wichtigen Punkten Einigkeit erzielen – aber nicht in allen.