Neulich im ICE. Erste Klasse, zwischen Hannover und Köln. Die Zugbegleiterin kommt herein, mit dem obligatorischen "So".
"So! Die in Hannover zugestiegenen Fahrgäste dann mal die Fahrausweise bitte!"
Ein Mann Ende 50 reicht ihr sein Ticket.
Die Zugbegleiterin wirft einen geschulten Blick darauf. Dann sagt sie laut und freundlich: "Das ist aber ein Ticket mit Zugbindung, Sie sind leider zu früh eingestiegen. Das hätte erst gegolten im Zug zwei Stunden später."
"Ja, die Veranstaltung in Hannover war früher zu Ende, da habe ich diesen Zug genommen. Dann bin ich früher zuhause."
"Okay. Sie haben jetzt zwei Möglichkeiten. Entweder Sie kaufen sich jetzt bei mir ein gültiges Ticket mit Ihrer Kreditkarte..."
"Oder?"
"Oder in bar."
"Toll. Was kostet denn der Spaß?"
"Nach Köln? Das sind dann, Moment, ich gucke nach…124 Euro und 50 Cent."
"Was? Das ist ja wohl eine Unverschämtheit! Ich werde mich bei Ihrem Vorgesetzten beschweren. Wie heißen Sie?"
Da fährt also ein Kunde ohne gültiges Ticket. Und dann beschwert er sich, dass die Schaffnerin für ihn nicht mal eben das Tarifsystem auf dem Kopf stellt und ihn zu einer Schnäppchen-Tour in der ersten Klasse einlädt. Weil er ja weiß: Der Kunde ist König. Und König Kunde ist in den vergangenen Jahren zu einem mächtigen Herrscher herangewachsen. Dank seiner neuen Dienstleister.
Devote Dienstleister
Beim alten Schlachtross Deutsche Bahn beißt man mit solch einem Größenwahn natürlich noch krachend auf Granit. Aber ansonsten kriecht man uns ganz ordentlich in den Hintern. Und was machen wir? Wir lachen uns ins Fäustchen darüber, wie die Dienstleister so hemmungslos devot sein können - und werden zu Service-Schmarotzern.
Da geht nach fast zwei Jahren eine elektrische Zahnbürste kaputt. Normalerweise wäre hier jetzt höchstens eine neue Zahnbürste fällig. Internet-Händler Amazon aber bietet an: Geld zurück. Wer mit dem erstatteten Geld eine neue Zahnbürste kauft, schließt einen neuen Kaufvertrag - und dann beginnt die Zeitrechnung für die Gewährleistungsrechte wieder von vorne. Mitunter ist das erstattete Geld schon auf dem Konto, bevor man die defekte Zahnbürste zurückgeschickt hat.
Bei mängelfreien Artikeln haben die Internet-Händler ab sofort das Recht, den Kunden für einfach nur so zurückgesendete Waren das Porto in Rechnung zu stellen. Doch die großen Händler verzichten drauf. Weil der König ja zornig werden könnte.
Ist das nicht toll? Die Unternehmen lieben uns. Und das lässt sich ausnutzen. Da bestellen die Damen Abendgarderobe für den Feuerwehr-Ball, heben das Etikett auf und schicken das getragene Kleid eine Woche nach der großen Feier wieder zurück. Da wird für die Silvesterparty daheim eine ordentliche Musikanlage benötigt oder für den Wochenend-Ausflug im Auto ein DVD-Spieler hinten für die Kinder - und danach alles einfach wieder an den Verkäufer zurückgesendet. Meckert ja keiner. Zweiwöchiges Widerrufsrecht, weil Internet-Kauf. Und dass der Artikel schon munter verwendet wurde? Egal! Die wollen uns doch nicht verlieren.
Rücksichtslose Kunden
Wenn man beim Drogerie-Markt dm an der Kasse den entsprechenden Knopf drückt, dann wird (meistens sogar in wenigen Sekunden) noch eine weitere Kasse aufgemacht: "Kommen Sie auch bitte hier rüber zu mir?"
Und was passiert? Da stürmen dann die Kunden von ganz hinten in der Schlange nach vorne, als würde es hinten brennen. Drängeln sich vor ohne Verstand und Respekt. Anstatt sich zu freuen, dass die Schlange vorne ausgedünnt wird. Weil es da eine Regelungslücke gibt. Rücksicht zählt nicht.
Mittlerweile sagen die Kassiererinnen schon mit rollenden Augen: "Kommen Sie auch bitte in der entsprechenden Reihenfolge hier rüber zu mir?" Da müssen uns die Verkäuferinnen erziehen. Wir werden ja nicht fürs Nettsein bezahlt.