Boeing 737 Max Die ungewisse Rückkehr des Unglücksfliegers

Die Boeing 737 Max soll zurück auf den Markt. Doch vorher stehen noch einige Hürden an. Quelle: REUTERS

Mit tiefroten Halbjahreszahlen gibt der weltgrößte Flugzeughersteller Boeing seinen Investoren Klarheit über die Belastungen durch die Abstürze und die Pannenserie um seinen Bestseller 737 Max. Doch für Reisende und Fluglinien sorgen mehrere Hürden für anhaltende Ungewissheit, wann und wie es weiter geht.

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Wenn Boeing-Chef Dennis Muilenberg und sein Finanzvorstand Greg Smith am Mittwoch die Ergebnisse für das erste Halbjahr 2019 vorstellen, werden sie deutliche Erleichterung zeigen. Rund vier Monate litten sie unter der Unsicherheit, wie sehr es sie und ihr Unternehmen am Ende belastet, dass die Aufsichtsbehörden ihr wichtigstes Modell 737 Max im März nach zwei Abstürzen mit einem weltweiten Flugverbot stilllegten. Nun können die für ihre klare Aktionärsorientierung bekannten Manager die finanziellen Folgen benennen: Allein im zweiten Quartal wurden fünf Milliarden Dollar dafür zurückgestellt. Analysten erwarten, dass Boeing die durch hastige Innovationen und fragwürdiges Management beförderten Unfälle mit fast 350 Opfern insgesamt bis zu acht Milliarden Dollar kosten werden. Davon dürfte freilich der amerikanische Steuerzahler mehr als eine Milliarde übernehmen, weil Boeing die Abgabenlast um diese Kosten kürzen darf.

Für die Passagiere und Fluglinien hingegen bleiben viele entscheidende Frage offen. So ist immer noch unklar, wann die bis Jahresende gut 900 produzierten Maschinen wieder abheben dürfen und wie viele der bereits geplanten und verkauften Flüge tatsächlich stattfinden. Damit sollten sich viele Reisende darauf einstellen, dass für den Spätherbst und den Winter mit der 737 Max geplante Flüge zumindest anders als geplant stattfinden, wenn nicht gar ganz ausfallen.

Muilenberg und sein Team bei Boeing haben zwar eine Rückkehr für Anfang Oktober zugesagt. Doch das halten Experten für sehr optimistisch. „Wir nähern uns dem Termin mit Skepsis nach einigen Fehlstarts durch Boeing und den verbliebenen Unsicherheiten“, so Analyst Rajeev Lalwani von der Investmentbank Morgan Stanley in einer Mitteilung.

Tatsächlich dürfte es deutlich später werden als Oktober. Die größten US-Fluglinien Southwest und Lufthansa-Partner United Airlines haben bereits bis Mitte November alle Flüge abgesagt. „Und auch das war noch vorsichtig“, so Doug Parker, Chef von American Airlines, als er vorige Woche seine Halbjahresbilanz vorstellte. Tatsächlich könnten die ersten Max-Flüge auch erst im Januar abheben, erzählte ein Mitarbeiter der US-Luftfahrtbehörde FAA der Tageszeitung „Wall Street Journal“. Bis wirklich alle Maschinen fliegen, könnte es dann gar bis zum Sommer, wenn nicht gar bis zum Herbst 2020 dauern, fürchtet Michael O’Leary, dessen Billigflieger Ryanair in Europa der größte Max-Kunde ist.

Für die monatelangen Verzögerung könnte eine ganze Reihe von Hürden sorgen. Keine Rolle spielen dürfte der wahrscheinliche Auslöser der Abstürze: das MCAS abgekürzte Steuersystem. „Die neue Software ist längst fertig und die Flugerprobung seit Wochen abgeschlossen“, weiß der Hamburger Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt.

Die erste Hürde ist vielmehr die amerikanische Flugaufsicht FAA. Die Behörde hatte vor der Zulassung der 737 im März 2017 offenbar nicht so genau hingeschaut und weite Teile der Arbeit mangels eigener Fachleute Boeing überlassen. Darum muss sie nun umso strenger sein, glaubt Großbongardt: „Sie darf auf gar keinen Fall den Eindruck erwecken, sie würden irgendwas durchwinken und muss ganz sicher gehen, dass da nicht in einem halben Jahr etwas auftaucht, wo Kritiker sagen können: Das ist euch durchgerutscht.“

Boeing 737 Max: Noch immer ist unklar, wann die bis Jahresende gut 900 produzierten Maschinen wieder abheben dürfen. Quelle: REUTERS

Zwar wird Boeing wohl bis Ende September alle Unterlagen zur neuen MCAS-Software und anderen technischen Änderungen einreichen. Doch ob die FAA wie von Boeing angenommen innerhalb der üblichen rund vier Wochen das Okay gibt, ist ungewiss. „Alles was nach ‚wie immer‘ aussieht wird die FAA tunlichst vermeiden“, so ein führender Manager eines Wettbewerbers. Darum richten sich viele Airlines intern bereits auf einen späteren Termin ein. „Die Vorsicht gebietet es, bei der Zulassung mit einer Verzögerung von ein paar Monaten zu planen, möglicherweise bis Dezember“, sagt Ryanair-Chef O’Leary.

Das nächste Hindernis sind die Aufsichtsbehörden in anderen Teilen der Welt. Zwar wollen sich die zuständigen Prüfer mit der FAA abstimmen. Doch sowohl die europäische EASA als auch die chinesische CAAC wollen angesichts der aus ihrer Sicht etwas oberflächlichen Zulassungsverfahrens bei der ersten Betriebserlaubnis der 737 Max der FAA besonders streng auf die Finger schauen. Dazu werden sie anders als früher auch eigene Prüfungen anstellen. „Und die könnten gerade bei den Chinesen besonders gründlich ausfallen – allein schon um nach dem durch US-Präsident Donald Trump ausgelösten Handelskonflikten deutlich ihre Stärke und Unabhängigkeit zu zeigen“, so ein führender Manager eines Boeing-Wettbewerbers. „Da es aus Sicht der Fluglinien nur Sinn macht, wenn auch wirklich alle Behörden gleichzeitig den Flugbann aufheben, muss die FAA wohl etwas Rücksicht nehmen und warten.“

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