
Herr Robertson, wann haben Sie zuletzt mit Lego gespielt?
David Robertson: Ich baue viel Lego mit meinem Sohn – aber ich selbst beschäftige mich vor allem mit dem Unternehmen. Ich bin 54 Jahre alt, als ich das letzte Mal alleine Lego gebaut habe, gab es noch keine Minifiguren, nur einen Haufen Steine.
Zur Person
David Robertson ist der Autor des Buchs „Das Imperium der Steine“, in dem er beschreibt, wie Lego sich neu erfand und den Kampf ums Kinderzimmer gewann. Von 2002 bis 2010 war Robertson Lego Professor of Innovation and Technology Management am Schweizer Institute for Management Development (IMD). Heute lehrt er an der Wharton School in den USA.
Viele von denen, die früher mit diesem Haufen spielten, sind heute noch begeistert von Lego. Was ist das Besondere an der Marke Lego?
Lego hat ein gigantisches Spielsystem geschaffen. Jedes Set, das sich die Kinder oder Erwachsenen kaufen, vervielfacht die Möglichkeiten des Bauens. Legos großer Leistung war es, Standards einzuführen, die fast jedes Set miteinander kompatibel machten.
Die Geschichte Legos
1932 gründete der dänische Tischlermeister Ole Kirk Christiansen Lego. Der Name setzte sich zusammen aus „leg godt“, was so viel heißt wie: „spiel gut“. Zu Anfang stellte das Unternehmen noch Holzspielzeug her.
Ein Legostein, der dem heutigen Modell schon sehr ähnelt, wurde 1949 eingeführt. Die Oberseite war mit Noppen besetzt – wie es bis heute noch ist. Allerdings war die Unterseite hohl. Daraus resultierte ein Mangel an Stabilität.
Geschaffen wurde die Stabilität, die Lego so beliebt macht, 1958. Statt des Hohlraums befanden sich an der Unterseite der Steine nun Röhren, die dafür sorgten, dass die Steine fortan sehr gut hielten.
Von 1956 bis 1970 produzierte Lego Modellfahrzeuge nach realen Vorbildern. Insgesamt 16 Fahrzeuge gab es – diese konnten mit den bereits verkauften Klötzen kombiniert werden.
1974 wurden erstmals Lego-Figuren mit drehbaren Köpfen und Armen verkauft. Die Körper wurden damals noch aus herkömmlichen Steinen gebaut. Im selben Jahr kamen Figuren mit drehbaren Köpfen auf den Markt, die den heutigen Figuren sehr ähneln. Allerdings hatten sie noch keine bemalten Gesichter. Seit 1978 werden die sogenannten „Minifigs“ produziert – die heute bekannten Figuren.
2003 musste Lego große Verluste hinnehmen – rund 120 Millionen Euro verlor das Unternehmen und stand kurz vor der Insolvenz.
Deswegen übernahm ab 2004 der damals 36-jährige Jørgen Vig Knudstorp die Geschäftsführung. Der frühere Mitarbeiter von McKinsey war der erste Lego-Chef, der nicht zur Gründungsfamilie gehörte. Indem er zurück zum Kerngeschäft kehrte, die Zahl der Teile drastisch reduzierte und Legos Kindermarke Duplo wieder einführte, brachte er den Konzern zurück auf Gewinnkurs.
Unter Knudstorp schaffte Lego auch den Sprung in die digitale Welt. Warner Brothers produzierte für Lego den Film „Lego the Movie“, es gibt mittlerweile Online-Games, Computer-Spiele und Apps. Mit all diesen Mitteln wirbt Lego für sein Kerngeschäft – die Klötzchen.
Von dieser Strategie ist Lego allerdings eine Zeit lang abgekommen – als die Verkaufszahlen erstmals stark nachließen.
In den späten Neunzigern und Anfang der 2000er Jahre, ja. Lego fuhr bis 1993 unglaubliche Wachstumsraten ein – über 15 Jahre lang wuchs das Unternehmen jedes Jahr um 14 Prozent. Alle fünf Jahre hatte sich seine Größe verdoppelt. Als dann die Verkäufe abflauten, probierte Lego einiges Neues aus.
Unter anderem haben sie die Zahl der Sets, die neu auf den Markt kamen, deutlich erhöht.
Ja, die Zahl hat sich verdreifacht – jedes Jahr. Die Verkäufe stimulierte das allerdings nicht, dafür stiegen die Produktionskosten für Lego. Die Folge: Der Umsatz ließ nach und 1998 musste Lego große Verluste hinnehmen.
Also hat sich Lego auf neuen Pfaden versucht.
Die Unternehmensführung wollte die Marke neu erfinden – das versuchten sie bis 2002. Sie glaubten, die Bauklötze seien passé – die Kinder wollten heutzutage digitales Spielzeug. Also experimentierte Lego mit vielen verschiedenen Geschäftsideen: Sie verkauften Uhren, Klamotten, investierten in ihre Themenparks, produzierten Computerspiele. Das Ganze brach 2003 zusammen und hätte Lego beinahe in die Pleite geführt – besonders Lego Star Wars.

Die erste Episode der zweiten Star-Wars-Trilogie erschien 1999 und Lego veröffentlichte Produktlinien zum Film. Als ich ein Junge war, wollte jeder in dem Alter Lego-Star-Wars. Wie sollte das Lego aus dem Geschäft werfen?
Lego zahlte viel Geld für die Lizenzen. Zum Filmstart waren die Regale wie leer gefegt. Im Folgejahr brachte Lego deswegen neue Sets heraus – aber es erschien kein Star-Wars-Film und damit war die Nachfrage sehr gering. Lego hatte viel zu viel produziert. 2001 erschien der Harry-Potter-Film – die dazugehörigen Lego-Sets verkauften sich sehr gut. Im Jahr darauf gab es einen Star-Wars- und einen Harry-Potter-Film und die Verkaufszahlen gingen durch die Decke.
Aber?
Nun, als 2003 und Anfang 2004 kein Film mehr erschien, hatte Lego zu wenig verkauft, um die Kosten hereinzuholen – das brachte Lego an den Rand des Bankrotts.