Dumping-Vorwürfe gegen Stahlkonzerne Warum Trump Salzgitter und Co. attackiert

Die Trump-Regierung attackiert wieder einmal ausländische Unternehmen – diesmal Stahlkocher wie Salzgitter. Doch wie empfindlich trifft das deutsche Unternehmen wirklich? Die wichtigsten Fragen zum Handelsstreit.

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Die US-Regierung hat nach eigenen Angaben eine Reihe ausländischer Stahlproduzenten des Preis-Dumpings überführt. Quelle: dpa

US-Präsident Donald Trump hat erneut ausländische Unternehmen ins Visier genommen. Seine Regierung sieht Dumping-Vorwürfe gegen sieben ausländische Hersteller von Baustahl und Stahllegierungen bestätigt. US-Handelsminister Wilbur Ross sagte am Donnerstag, dies erlaube Strafzölle zwischen 3,6 bis 148,2 Prozent auf die in die USA eingeführten Stahlprodukte. In Deutschland wird den Produzenten Salzgitter und Dillinger Hütte Dumping beim Verkauf von Stahl in die USA vorgeworfen. Was dahinter steckt.

Was werfen die USA ausländischen Stahlkonzernen vor?

Keine Branche überzieht ihre Konkurrenz so ausgiebig und intensiv mit Strafzöllen wie die Stahlindustrie. Experten schätzen, dass rund 40 Prozent aller weltweit angestrengten Handelsschutzmaßnahmen allein Arcelor-Mittal & Co. betreffen. Insofern folgt die Drohung der US-Regierung einer langen Tradition. Es geht um zwölf Länder, unter ihnen Stahlproduzenten aus Österreich, Frankreich, Belgien, Deutschland, Italien, Japan, Südkorea und Taiwan. Ihnen wirft die US-Regierung Preis-Dumping vor, darunter den deutschen Firmen Salzgitter AG und Dillinger Hütte.

Die USA machen mit ihrer Anti-Dumping-Offensive gegen ausländische Stahlhersteller Ernst und riskieren damit, Handelsstreitigkeiten vom Zaun zu brechen. Auch zwei deutsche Konzerne sind betroffen.

Wie hoch fallen die Strafzölle aus und wie stark sind die deutschen Konzerne betroffen?

Washington hat angekündigt, zwischen 3,62 und 148,02 Prozent des Importwerts zu verhängen. Insgesamt gehe es im Untersuchungszeitraum 2015 um Einfuhren über 732 Millionen Dollar, davon entfalle mit 196,2 Millionen der größte Anteil auf deutsche Importe. Salzgitter und Dillinger Hütte werden „Dumping-Raten“ von 5,38 und 22,9 Prozent unterstellt. Gemeint ist damit der Prozentsatz, um den der Preis nach Auffassung der US-Regierung unter die Herstellungskosten oder den Einkaufspreis gedrückt worden ist. Ihnen wird vorgeworfen, vor allem Grobblech für die Produktion von Pipelines zu billig angeboten zu haben.

Im Vergleich zu anderen Herstellern, wie etwa der österreichischen Voestalpine Group, Japans JFE Steel oder Frankreichs Industeel kommen die beiden deutschen Konzerne aber glimpflich davon . So wird die Dillinger Hütte mit einem Importzoll von 5,38 Prozent belegt, die Produkte ihrer Tochter in Dünkirchen (Frankreich) mit 8,6 Prozent. Unter Obama hatte die Regierung in Washington chinesische Konzerne mit Strafzöllen von 200 Prozent und mehr belegt.

Was das Ausland von Trump erhofft und erwartet

Sind solche Strafmaßnahmen neu?

Das jetzige Verfahren wurde vor einem Jahr noch unter Barack Obama angestrengt. Die neue Regierung in Washington hat in der Nacht nur ihre Maßnahmen konkretisiert. Auch in den vergangenen Jahren gab es immer wieder Handelsschutzmaßnahmen der US-Regierung im Stahlbereich, so im Jahr 2000 unter Präsident George W. Bush.

Wie reagieren Europas Stahlkonzerne?

Die Salzgitter AG wies die Dumpingvorwürfe zurück. „Wir können die Entscheidung und die Höhe der Strafzölle nicht nachvollziehen“, sagte am Freitag ein Konzernsprecher. Bei dem Anti-Dumping-Verfahren geht es um Grobblech, mit dem ein eigenes Rohrwerk in den USA mit rund 150 000 Tonnen versorgt werde. Im Jahr 2016 produzierte Deutschlands zweitgrößter Stahlkocher allerdings 6,8 Millionen Tonnen insgesamt. Der Vorwurf, Waren unterhalb der Herstellungskosten verkauft zu haben, sei haltlos, hieß es.

Konfliktfelder der US-Regierung mit Deutschland

Insgesamt macht Salzgitter rund sechs Prozent seines Konzernumsatzes mit den USA. Sollte die neue US-Regierung unter Donald Trump ihre Handelsschutzmaßnahmen verschärfen, „würden wir damit nicht gleich umfallen“, sagte Konzernchef Heinz Jörg Fuhrmann. Strikte Anti-Dumping-Maßnahmen habe es schon unter anderen US-Präsidenten gegeben. „Dass man damit rechnen muss, dass auch die neue Regierung alle Register zieht, war abzusehen“, sagte Fuhrmann dem Handelsblatt. „Stahl in den USA ist ein Sinnbild für ‚Buy American‘“.


Drohen den Firmen längerfristige Konsequenzen?


Für die Dillinger Hütte ist das Vorgehen schmerzlich. „Wir müssen jetzt entscheiden, ob und wie wir unsere Kunden in den USA weiter beliefern können“, hieß es bei dem Unternehmen im Saarland. Dort steht das größte Grobblechwerk Europas. Schon vor einem Jahr, als die Untersuchungen bekannt wurden, habe man kein Grobblech mehr in die USA exportiert.

Verwundert reagierte der österreichische Voestalpine-Konzern auf die jetzt vorgestellten Handelsbeschränkungen. Dabei handele es sich um Spezialstähle im Volumen von rund 20.000 Tonnen. Geliefert wurden diese im Geschäftsjahr 2015/16. „Da es sich um Stahlqualitäten handelt, die teilweise in den USA nicht zu bekommen sind, ist dieses Verfahren schwer nachvollziehbar“, sagte Konzernchef Wolfgang Eder dem Handelsblatt. „Es stellt für die Voestalpine keine massive wirtschaftliche Bedrohung dar. “ Gegen Voestalpine seien in den USA auch keine weiteren Verfahren anhängig.

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Wie wichtig ist der US-Markt für deutsche Stahlhütten?

Die USA sind für die gesamte deutsche Stahlbranche zwar ein wichtiger Markt, aber kein entscheidender. Nach jüngsten Angaben der Wirtschaftsvereinigung Stahl liefern die Unternehmen rund 700.000 Tonnen direkt in die USA – ein Viertel der deutschen Stahlexporte außerhalb der EU. Insgesamt produzieren die deutschen Hütten allerdings 42 Millionen Tonnen.

Viel entscheidender sind aber die indirekten Exporte in Form von Autos oder Maschinen, die 2,5 Millionen Tonnen ausmachen. Damit liegen die USA auf Rang zwei der größten Abnehmer von stahlintensiven Gütern – hinter Großbritannien. Sollte die US-Regierung hier Importzölle verhängen, träfe das Thyssen-Krupp & Co. ungleich härter.

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Wie reagiert die Politik auf das Vorgehen aus Washington?

Mit den angekündigten Strafzöllen riskieren die USA einen internationalen Handelsstreit. Außenminister Sigmar Gabriel (SPD) etwa hatte die EU bereits in der vergangenen Woche aufgefordert, die heimische Stahlindustrie zu schützen. Gabriel hat sich schon früher als Wirtschaftsminister für die Branche eingesetzt. Die Salzgitter AG gehört zu seinem Wahlkreis.

US-Präsident Donald Trump will an diesem Freitag nach Angaben des Weißen Hauses noch ein weiteres Dekret zum Thema Stahldumping unterzeichnen. Das Handelsministerium kündigte an, den Zoll- und Grenzschutz anzuweisen, auf Basis der jetzt erhobenen Zahlen Barsicherheiten von den Unternehmen einzutreiben. Minister Ross sagte, die US-Regierung würde sicherstellen, „dass US-Unternehmen und Arbeiter fair behandelt werden.“ Die USA würden die Handelsgesetze energisch durchsetzen und wenn nötig auch rückwirkend Zölle eintreiben.

Drohen längerfristige Konsequenzen?

Europas Stahlhütten fürchten indirekte Konsequenzen der jetzt beschlossenen Maßnahmen: „Es wird Umleitungseffekte geben“, heißt es bei der Dillinger Hütte. Denn insgesamt seien Stahlunternehmen in zwölf Ländern betroffen. Stahlsorten, die wegen hoher Strafzölle nicht mehr in die USA exportiert würden, kämen auf den vergleichsweise noch offenen europäischen Markt – und würden den ohnehin harten Konkurrenzkampf und Preisdruck verschärfen. „Auch wenn der amerikanische Markt nur eine sehr beschränkte Rolle für uns spielt – die Strafzölle sind schmerzhaft“, heißt es.

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