IAA für Nutzfahrzeuge Wieso Lkw bald automatisch ausweichen und per Drohne Waren liefern

Lkw fahren künftig mit zehn Metern Abstand und melden automatisch, bevor sie kaputt gehen. Von der Vernetzung bis zum autonomen Fahren - wir geben einen Ausblick auf die IAA Nutzfahrzeuge und Trends in der Branche.

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66. IAA Nutzfahrzeuge Quelle: dpa

Als Mercedes-Benz Vans kürzlich in Stuttgart den Transporter der Zukunft präsentierte, spielte das Publikum verrückt. Als die Bühne für die Präsentation des neuen Showcars mit einem Netz aus Maschen wie im Fußballtor verhüllt wurde, zückten etliche ihr Smartphone. Sie filmten den Imagefilm ab, den der Autobauer Daimler vorne auf der überdimensionalen Leinwand für sein neues Showcar zeigte. Als dann endlich der neue Lieferwagen durch eine Tür rollte, hob eine Drohne ab und landete auf dem Dach des Vans. Und ein Daimler-Manager rief dem Publikum zu: „Schaut es Euch näher an!“ – die Leute rannten los, auf die Bühne, wo sich der Van auf einer Plattform drehte, und knipsten Fotos, was das Zeug hielt.

Der Lieferwagen der Zukunft, den Daimler im September in Stuttgart nur einem kleinen Kreis vorgestellt hat, wird ab dieser Woche auch auf der 66. IAA für Nutzfahrzeuge in Hannover zu sehen sein, die am 22. September ihre Türen für die breite Öffentlichkeit öffnet und bis zum 29. September neue Trends der Branche zeigt. Die Zahl der Weltpremieren steht erst zum Start der Messe fest und wird am 21. September, wenn Fachbesucher kommen dürfen, veröffentlicht. Bislang haben die Aussteller aber bereits mehr als 320 Weltpremieren gemeldet. Hinzu kommen über 100 Europa-Premieren. Die WirtschaftsWoche gibt einen Ausblick auf die IAA und die Trends in der Nutzfahrzeug-Branche. 

Ein Computer rechnet die perfekte Route für Paket-Lieferungen aus

Besuchern der IAA präsentiert Daimler in Hannover seine Vision davon, wie wir künftig unsere Pakete bekommen. Beladen wird das elektrisch fahrende Auto nicht mehr händisch, sondern über eine fertig befüllte Patrone, die samt Paketen von hinten in den Laderaum geschoben wird. Damit der Fahrer nicht kreuz und quer durch die Stadt fahren muss, hat ein Computer im Logistikzentrum schon die perfekte Route für alle Lieferungen ausgerechnet, ein Roboter hat die Patronen beladen, und jedem Fahrer seine Route auf das Navigationsgerät gespielt.

Der schnellste Truck der Welt kommt aus Schweden
Volvo Iron Knight Quelle: Volvo
Volvo Iron Knight Quelle: Volvo
Volvo Iron Knight Quelle: Volvo
Volvo Iron Knight Quelle: Volvo
Volvo Iron Knight Quelle: Volvo
Volvo Iron Knight Quelle: Volvo
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Die Lieferungen, das Auto, die Landkarte und die Kunden sind vernetzt. Biegt der Fahrer in eine Straße ein, bekommt der Kunde künftig schon die Nachricht auf sein Handy, dass seine Lieferung gleich da ist. Langes Suchen nach dem richtigen Paket entfällt: Ein Roboter im Auto erkennt anhand der vernetzten Landkarte schon, welches Paket als nächstes ausgeliefert werden muss – und legt es dem Fahrer vorne in einer Luke bereit. Der muss es sich nur noch greifen.

Zwei Drohnen beliefern Kunden mit eigenem Landeplatz

Zeitgleich starten zwei Drohnen auf dem Dach, denen der Roboter ebenso Pakete angereicht hat. Die Drohnen sollen künftig Menschen beliefern, die einen Landeplatz für Drohnen im Garten oder auf dem Balkon haben. Daimler verspricht durch den Lieferwagen der Zukunft bis zu 40 Prozent Effizienzgewinn – statt 540 Minuten soll der Fahrer für eine Tour mit 180 Paketen nur noch 315 Minuten brauchen, Kunden bekommen im Internet bestellte Waren schneller als bislang.

Daimler vor der Elektro-Offensive

Neu ist auch, dass im Lieferwagen das Lenkrad fehlt – damit der Fahrer schneller rein und raus kommt. Gelenkt und gebremst wird das Auto nur noch per Joystick. Zieht der Fahrer den Stick nach hinten, kommt das Auto zum Stehen. „Wir zeigen mit dem Auto, was möglich ist“, sagt Volker Mornhinweg, Leiter Mercedes-Benz Vans. 

Wer im Windschatten fährt, spart zehn Prozent Sprit

Über die Zukunft macht sich auch der weltgrößte Autozulieferer Bosch Gedanken – denn mit vernetzten Fahrzeugen lassen sich tausende Euro sparen. Beim sogenannten Platooning etwa, eine der Ideen für die Zukunft, sollen Lkw auf der Autobahn mit nur noch 10 bis 15 Metern Abstand im Konvoi unterwegs sein. Die Fahrzeuge fahren alle miteinander vernetzt – sodass jedes Fahrzeug weiß, wer wann bremst und Auffahrunfälle vermieden werden können. Vorteil: Die Lkw fahren jeweils im Windschatten des anderen und verbrauchen bis zu zehn Prozent weniger Kraftstoff. In der Transportbranche werde bezahlt, was sich schnell rechne, sagt Johannes-Jörg Rüger von Bosch. In der Regel müssten sich die Systeme innerhalb von zwei Jahren amortisieren.

Starkes Wachstum und neue Technologien bei Bosch

Bosch will sein Nutzfahrzeuggeschäft nun kräftig ausbauen und hat sein Geschäft für mittelschwere und schwere Lastwagen zum Jahresanfang in einer neuen Sparte gebündelt. Neue Technologien etwa zur Fahrerassistenz dürften am Wachstum künftig einen „sehr großen Anteil“ haben, sagt der zuständige Bosch-Geschäftsführer Markus Heyn. Bis 2025 soll die erst in diesem Jahr ausgegründete Bosch-Zuliefersparte ihre Erlöse auf elf Milliarden Euro verdoppeln. Der dazugehörige Markt wird nach den Erwartungen von Bosch langsamer wachsen - von 30 auf 50 Milliarden Euro. Die Systeme, die Bosch bereits für Autos herstellt, sollen nun auch auf Lastwagen übertragen werden.

Wird die rechte Spur auf der Autobahn für autonom fahrende Fahrzeuge reserviert?

Fahrerassistenzsysteme für Lastwagen gewinnen an Bedeutung. Zunächst geht es noch eher darum, dass Lkw-Flottenbetreiber das autonome Fahren auf dem Betriebshof realisieren wollen. Das würde Lkw-Fahrer entlastet, weil die nicht mehr stundenlang in der Warteschleife verharren müssten. Wird der Lkw entladen, kann der Fahrer die Weiterfahrt vorbereiten und sich ausruhen, damit er gleich nach der Beladung wieder fahren kann und trotzdem alle Lenk- und Ruhezeiten einhält. Manch einer wie Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, träumt allerdings schon davon, dass in ein paar Jahren die rechte Spur auf der Autobahn für ganz autonom fahrende Autos und Lkw reserviert sein könnte.

Die Zeit ist reif für einen Elektro-Lkw – zumindest ein bisschen
Daimler E-Lkw Quelle: Daimler
Daimler E-Lkw Quelle: Daimler
Daimler E-Lkw Quelle: Daimler
Daimler E-Lkw Quelle: Daimler
Daimler E-Lkw Quelle: Daimler
Daimler E-Lkw Quelle: Daimler
Daimler E-Lkw Quelle: Daimler

Um sicher autonom zu fahren, müssen die Bremssysteme für Zugmaschine und Trailer vernetzt und aufeinander abgestimmt sein. Die Zulieferer Knorr-Bremse und ZF Friedrichshafen, die beide auf der IAA vertreten sind, liefern sich daher aktuell einen Bieterwettstreit um den schwedischen Bremsenhersteller Haldex. Der ist auf Bremsen für Lkw-Anhänger spezialisiert, ZF etwa auf solche für Lkw. ZF-Chef Stefan Sommer will die Haldex-Komponenten künftig „mit unserer Kamera und Radartechnologie und unseren Steuergeräten zusammen bringen und intelligente Systeme entwickeln. Die wiederum lassen einen Lkw am Stauende in Zukunft nicht nur automatisch bremsen, sondern auch ausweichen“, sagte er der WirtschaftsWoche. Eine solche Neuerung ist daher auch für Autofahrer relevant.

Der Lkw soll melden, bevor er kaputt geht

Immer wichtiger werden auch vernetzte Dienstleistungen, die Autobauer und Start-ups an Kunden verkaufen wollen. Mercedes-Benz etwa zeigt auf der Messe mit Uptime eine Applikation für vorausschauende Wartung: Das ist ein Produkt, das kontinuierlich die Fahrzeugsysteme überprüft und Reparatur- oder Wartungsbedarf automatisch an den Server des Mercedes-Benz Service meldet. Dank der Daten kann Mercedes-Benz seinen Kunden künftig konkrete Handlungsempfehlungen geben. Kunden werden dann kontaktiert, auf Wunsch hilft der Autobauer bei der Suche nach einer Werkstatt. Daimler will so vermeiden, dass Lkw liegen bleiben.

Der Bus der Zukunft fährt (fast) von allein
Daimler Bus der Zukunft Quelle: Daimler
Daimler selbstfahrender Bus Quelle: Daimler
Die Jungfernfahrt fand jetzt in Amsterdam statt: Auf einer rund 20 Kilometer langen Strecke absolvierte der Future Bus mit CityPilot seine erste autonome Fahrt im Stadtverkehr. Der Bus fährt auf einem Teilstück der längsten Expressbus-Linie Europas (Bus Rapid Transit, BRT) bis zu 70 km/h. Der Fahrer ist an Bord und überwacht das System, wird dabei aber erheblich entlastet. Quelle: Daimler
Der CityPilot ist eine Weiterentwicklung des Lkw-Systems HighwayPilot, Quelle: Daimler
Future Bus Quelle: Daimler
Der CityPilot umfasst sowohl aktuelle Assistenzsysteme, die zum Beispiel für die Reisebusse von Mercedes-Benz verwendet werden, als auch zusätzliche Systeme, die teilweise von der Daimler-Trucks-Sparte übernommen und für den Stadtverkehr weiterentwickelt wurden. Die Ausstattung umfasst Fern- und Nahbereichsradar, eine Vielzahl von Kameras sowie das satellitengesteuerte Ortungssystem GPS . Zukunftsweisend ist die intelligente Vernetzung der Kameras und Sensoren. Durch sie entsteht ein präzises Bild der Umgebung und der exakten Position des Omnibusses. Quelle: Daimler
Vor dem Bus leuchtet eine spezielle Ampel auf. Quelle: Daimler

Doch neben zahlreicher digitaler Lösungen gibt es auch eine Reihe neuer Modelle auf der IAA: So zeigen die Marken von Volkswagen Truck & Bus Innovationen. Die Volkswagen Truck & Bus GmbH ist eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Volkswagen und gehört mit ihren Marken MAN, Scania und Volkswagen Caminhões e Ônibus zu den weltweit führenden Nutzfahrzeugherstellern. Die Highlights: MAN präsentiert erstmals den neuen TGE. Der gilt mit seinem 3,0 und 5,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht noch als leichtes Nutzfahrzeug. Scania zeigt auf der Messe seine neue Lkw-Generation – ein Ergebnis von zehn Jahren Entwicklungsarbeit. Die neue Generation reduziert dank weiterentwickelter Motorentechnologie und moderner Aerodynamik den Kraftstoffverbrauch um fünf Prozent. Volkswagen Nutzfahrzeuge zeigt einen neu entwickelten Crafter in vielen Ausführungen. Er bietet mehr Nutzlast, größeres Ladevolumen, optimierte Außenabmessungen und eine Vielzahl von Antrieben.

Natürlich darf ein weiterer Trend nicht fehlen: die Elektrifizierung auch von Lkw. So zeigt Daimler auf der IAA einen voll elektrischen Mercedes-Benz Urban eTruck für den innerstädtischen Verteilerverkehr. Gewicht: 25-Tonnen.

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