Das schöne, alte Haus nahe der Mainzer Oberstadt war bezugsfertig, die Möbelspedition bestellt. Am nächsten Tag wollte Matthias Zachert, zu jener Zeit Finanzvorstand beim Pharmakonzern Merck in Darmstadt, mit seiner Frau und den drei kleinen Kindern dort einziehen. Zweieinhalb Jahre hatte er seine Lieben fast nur an den Wochenenden gesehen: Der Mittvierziger lebte allein in Darmstadt, Frau und Kinder waren in Bonn geblieben.
Doch dann klingelte Zacherts Handy. Ob er sich vorstellen könne, Vorstandschef bei Lanxess zu werden? Am anderen Ende der Leitung war Rolf Stomberg, der Aufsichtsratsvorsitzende des Kölner Chemiekonzerns. Der wollte nicht länger zusehen, wie der damalige Vorstandsvorsitzende Axel Heitmann das Dax-Unternehmen nahezu unbeirrt in die roten Zahlen steuerte – am Ende stand für 2013 ein Jahresverlust von 159 Millionen Euro in den Büchern. Zachert, so lockte Stomberg seinen Wunschkandidaten, habe ja schon als Lanxess-Finanzvorstand von 2004 bis 2011 einen guten Job gemacht.
Das war kurz vor Weihnachten. Vier Wochen später sagte der Umworbene zu. Statt nach Mainz, zog die Familie Anfang des Jahres gemeinsam nach Bonn. Seitdem versucht der 46-Jährige, bei dem kranken Kölner Konzern zu retten, was zu retten ist. Zachert kennt Lanxess (Umsatz 2013: 8,3 Milliarden Euro, minus neun Prozent gegenüber Vorjahr) aus dem Effeff, kann gut mit Mitarbeitern und Investoren umgehen, gilt als gewiefter Verhandler bei Übernahmen und ist krisenerprobt. Für den Sanierer-Job ist der 46-jährige Langläufer darum der denkbar beste Mann, um wie angekündigt Arbeitsplätze in Verwaltung und Produktion zu streichen, Investitionen zu kürzen, Anlagen stillzulegen und neue Partner für das kriselnde Kautschukgeschäft zu suchen.
Und doch droht Zachert die Rolle des tragischen, weil letztlich ohnmächtigen Helden. Denn obwohl er alles für Lanxess gibt – es könnte am Ende nicht reichen, um den Chemiekonzern als prosperierendes überlebensfähiges Gebilde zu erhalten. Womöglich endet Zacherts Mission sogar mit einer bitteren Pointe: nämlich dass Lanxess aus purer Not in einigen Jahren mit den verbliebenen Chemiegeschäften des Bayer-Konzerns fusionieren müsste. Die Leverkusener hatten 2005 ihre damals weitgehend wertlosen Chemiebestände in eine neue unabhängige Gesellschaft namens Lanxess ausgegliedert und an die Börse gebracht.
Bittere Pointe Bayer
Gemeinsam könnten beide Unternehmen Kosten sparen, und zudem würden sich die Produkte gut ergänzen, schließlich haben sie ja einmal zusammengehört. Auch zeitlich würde es passen: Die Entscheidung über die Zukunft des vergleichsweise renditeschwachen Bayer-Chemiegeschäftes wird ab 2015 erwartet.
Ehemalige Resterampe zu Problemsparte; die Sanierung müsste von Neuem starten. Nicht gerade betörende Aussichten.
Noch ist das nur ein Szenario. Tatsache ist aber, dass wichtige Trends gegen Lanxess laufen, die Zacherts Sanierungserfolge unterminieren können:
- Beim Kautschuk, dem ebenso wichtigsten wie kranken Standbein von Lanxess, gibt es Überkapazitäten, weil neue Wettbewerber insbesondere aus China auf den Markt drängen. Dabei profitieren sie oft „vom staatlich subventionierten Zugang zu Rohstoffen“, stöhnt ein Lanxess-Manager. Bei Überkapazitäten von derzeit etwa 20 Prozent im Markt lassen sich höhere Preise kaum durchsetzen.
- Wegen Produktionsumstellungen bei den Herstellern drohen wichtige Ausgangsstoffe für die Kautschukproduktion wie Butadien weltweit knapper zu werden. Lanxess stellt seine Rohstoffe nicht selbst her und muss sich somit auf steigende Preise einstellen.
- Weil in den USA die Schiefergasförderung boomt und diese in Deutschland sowie in Europa nicht erlaubt ist, liegen die Energiepreise in den Vereinigten Staaten um zwei Drittel niedriger als hierzulande. „Für europäische Unternehmen hat sich das Wettbewerbsumfeld damit ganz klar verschärft“, räumt Zachert selber ein, „wir werden gegenwärtig massiv im Vergleich zu amerikanischen und asiatischen Rahmenbedingungen benachteiligt.“