Rio Tinto Herrscher der Rohstoffwelt

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Die Minenbesitzer verdienen am besten im Geschäft mit Eisen und Stahl

Rio Tinto-Niederlassung in Shanghai Quelle: REUTERS

Die Bergarbeiter und ihr Arbeitgeber, der Rohstoffkonzern Rio Tinto, stehen für den Aufstieg des Südens. Jahrhundertelang bestimmten die Industrienationen der Nordhalbkugel das wirtschaftliche Geschehen in den Entwicklungsländern des Südens, nun verschieben sich die Gewichte. Denn dort im Süden baggern sie nicht nur, sie bestimmen auch den Preis, machen die höchsten Gewinne in der Eisenerz-Stahl-Verwertungskette. So sehen die sich ändernden Machtverhältnisse in der Weltwirtschaft aus.

Die Warenkontrakte, die australische Bergbauriesen heute mit chinesischen Stahlwerken aushandeln, bestimmen auch den Preis eines Neuwagens in Chemnitz mit oder den von einem Karton Nägel bei Obi. Zwar gelangen die Klumpen aus der Region Pilbara nicht nach Europa, wo größtenteils Erz aus Kanada und Brasilien in den Stahlwerken verhüttet wird. Dennoch bestimmt Rio Tinto mit darüber, wie es Thyssen oder den Mannesmann-Stahlwerken in Salzgitter geht und zu welchen Kosten BMW und Volkswagen ihre Autos bauen. Gemeinsam mit dem angloaustralischen Konzern BHP Billiton und dem brasilianischen Rohstoffkonzern Vale kontrolliert Rio Tinto 75 Prozent des Exportmarktes für Eisenerz. An den Preisvorstellungen dieser drei orientieren sich alle anderen.

Sinnbild der Industrialisierung

Eisenerz, Kohle und Rohöl sind die drei wichtigsten Rohstoffe der Industrialisierung. Die Umwandlung von Erzen in Metalle ist so alt wie die Menschheit selbst. Die frühesten Spuren von Eisenverhüttung reichen bis ins Jahr 2000 vor Christus zurück. Die Römer schmiedeten ihr Reich aus Eisen, und im 15. Jahrhundert begannen die spanischen und portugiesischen Entdecker, die Welt zu erobern. Es war der Beginn von 500 Jahren europäischer Weltherrschaft. Der Harvard-Professor für Wirtschaftsgeschichte Niall Ferguson erklärt den Aufstieg Europas mit der Kombination aus einer einzigartigen Software, Ideen wie freier Wettbewerb im Handel und schließlich auch in der Politik sowie einer unschlagbaren Hardware. »Die technischen Entwicklungen, vom portugiesischen Schiffsbau bis zur englischen Industrialisierung, gaben Europa einen Vorsprung, der den kleinen Zipfel am äußersten Westen des eurasischen Kontinents in jeder Hinsicht überlegen machte.«

Für kaum ein Land sind Eisen und Stahl so zum Inbegriff seiner Geschichte geworden wie für Deutschland. Thyssen und Krupp wurden zum Sinnbild der Industrialisierung des Deutschen Reiches am Ende des 19. Jahrhunderts, und es war nicht zuletzt die Qualität der deutschen Industrieproduktion, die das Ende der beiden Weltkriege hinauszögerte. Die Gemeinschaft für Kohle und Stahl wurde zur Keimzelle des vereinten Europas, und heute ist die deutsche Auto- und Maschinenbauindustrie der kraftvollste Wachstumsmotor in der gesamten Euro-Zone. Wie kein anderer Rohstoff ist Eisenerz der Urstoff europäischer und deutscher Geschichte und Gegenwart.

Doch jetzt bestimmt die Arbeit von Aaron und seinen australischen Kollegen den Weltmarktpreis für den Rohstoff, und in der Pilbara liegt noch für viele Jahrzehnte genug Erz in der Erde, um die Nachfrage aus Südostasien und China zu befriedigen. Obwohl die Chinesen jedes Jahr 900 Millionen Tonnen Erz aus ihren eigenen Lagerstätten baggern und mit Abstand der größte Erzproduzent der Welt sind, importierten ihre Stahlhütten 2011 zusätzliche 600 Millionen Tonnen – fast nur aus der Pilbara.

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