Sanierung bei Opel Opel-Betriebsrat gibt sich kampfbereit und spricht von „Propaganda-Krieg“

Bislang ist hinter den Kulissen über die Sanierung von Opel verhandelt worden. Nun eskaliert der Konflikt in aller Öffentlichkeit.

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Opel-Sanierung: Betriebsrat gibt sich kampfbereit Quelle: dpa

Frankfurt Wolfgang Schäfer-Klug steht seit sechs Jahren an der Spitze des Opel-Betriebsrates. Gerade ist er für vier weitere Jahre in diesem Amt bestätigt worden. Es hat den Anschein, als ob er sich manchmal doch die alten Zeiten zurückwünscht, in denen noch General Motors in Rüsselsheim regierte. „Wir würden gerne wissen, was Carlos Tavares mit Opel vor hat“, beklagt sich Schäfer-Klug über den Vorstandsvorsitzenden seines französischen Mutterkonzerns PSA (Peugeot, Citroën).

In der laufenden Auseinandersetzung um die Standortsicherung der deutschen Opel-Werke verbreite der Mutterkonzern von Tag zu Tag immer wieder neue Unwahrheiten. Der Vorwurf wiegt schwer: „Das ist Propaganda-Krieg, und das ist nicht gut für Opel.“

Die Forderungen des Unternehmens an die knapp 20.000 deutschen Opel-Standorten sind für den Betriebsrat und die IG Metall nur schwer zu verdauen. Auf die anstehende Tariferhöhung von 4,3 Prozent mag niemand so schnell verzichten, ebenso wenig auf Urlaubs- und Weihnachtsgeld. Zumal die Opel-Beschäftigten auch schon unter dem früheren Eigentümer General Motors (GM) immer wieder Zugeständnisse bei den Tarifgehältern machen mussten, damit die Arbeitsplätze bei Opel erhalten blieben.

Dass sich der Betriebsrat erstmals mit deutlicher Schärfe in der Öffentlichkeit gegen das eigene Unternehmen wendet, ist ein Bruch mit der Gesprächskultur der vergangenen Jahre. Bislang hatte auch die Arbeitnehmerseite stets auf vertrauliche Gespräche mit dem Unternehmen hinter den Kulissen gesetzt. Dass Schäfer-Klug jetzt einen Hilferuf über die Medien absetzt, deutet auf einen neuen Vertrauensverlust zwischen den Verhandlungspartnern hin.

Schäfer-Klug deutete am Freitag bei einem Pressegespräch in Frankfurt zwar grundsätzliche Gesprächsbereitschaft an. „Wir sind nicht naiv“, sagt er. Auch der Betriebsrat wisse um die großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten, in denen sich die deutsche PSA-Tochter befinde. Ein Entgegenkommen der Beschäftigten sei aber nur dann möglich, wenn das Unternehmen eine klare Kompromissbereitschaft signalisiere.

Das bislang vorliegende Angebot von Opel und PSA sei für den Betriebsrat und die Gewerkschaft auf jeden Fall nicht akzeptabel. „Es liegt kein verhandlungsfähiges Angebot vor“, betonte der 56-jährige Betriebsratschef. Vom Unternehmen seien bislang nur Nebelkerzen gekommen.

Für den Verzicht auf die anstehende Tariferhöhung sowie Urlaubs- und Weihnachtsgeld habe PSA bislang nur extrem wenig vorgelegt. Das Entwicklungszentrum in Rüsselsheim solle dafür die Verantwortung für alle Transporter-Modelle in der PSA-Gruppe bekommen. Der Fabrik in Eisenach werde ein neues Auto zugesichert und dem Komponentenwerk in Kaiserslautern „ein halber Motor“, so Schäfer-Klug.

Alles zusammen garantiere nur 1800 Opel-Beschäftigten einen dauerhaften Arbeitsplatz. „Was ist mit den anderen 18.000 deutschen Opel-Mitarbeitern?“, fragte der Betriebsratsvorsitzende. Die Belegschaft brauche viel mehr: „Wir wollen einen Plan haben, der den deutschen Standorten Sicherheit bietet.“

Der überwiegende Teil der Opel-Beschäftigten wisse heute nicht, wie es nach dem Jahr 2020 weitergehen werde, wenn bestehende Tarifvereinbarungen aus GM-Zeiten endgültig ausgelaufen sind. Schon Ende dieses Jahres läuft die Beschäftigungssicherung aus – betriebsbedingte Kündigungen werden dann wieder möglich.

Der frühere IG-Metall-Vorsitzende Berthold Huber sprach gar von „Erpressung, was hier versucht wird“. Von einer tragfähigen Zukunftssicherung für die deutschen Opel-Werke könne keine Rede sein. Besonders in der Montagefabrik im thüringischen Eisenach habe sich die Lage zugespitzt. Aktuell sind dort noch etwa 1850 Menschen beschäftigt.

Huber beklagte sich darüber, dass dort künftig im Ein-Schicht-Betrieb pro Jahr nur noch 70.000 SUV vom Typ Grandland produziert werden sollen. Bislang liege die Jahreskapazität bei 180.000 Autos, der Eisenacher Belegschaft drohe eine Halbierung. „Das ist keine Zukunft für Eisenach“, so Huber weiter. Jedes moderne Autowerk werde heute mindestens auf zwei Schichten und zwei unterschiedliche Modelle ausgelegt. „Alles andere ist der Tod auf Raten“, folgerte Huber.

Schäfer-Klug machte eine Fluchtbewegung bei den Opel-Beschäftigten aus. „Die Menschen wollen nur noch weg“, sagte der Betriebsratschef. Die verschiedenen Modelle zur Altersteilzeit oder dem Vorruhestand seien stark nachgefragt. Seit wenigen Wochen gibt es zusätzlich noch ein Angebot für jüngere Mitarbeiter: Wer freiwillig geht, bekommt vom Unternehmen zusätzlich noch eine Abfindung.

2000 Abgänge aus älteren Jahrgängen seien jetzt schon sicher, sagte Schäfer-Klug. Es werde überhaupt kein Problem damit geben, den bei Opel geplanten Stellenabbau zu erreichen. Im November vorgelegten Sparprogramm „Pace“ ist davon die Rede, dass bis 2020 etwa 3700 Mitarbeiter gehen sollen. Auch die Rückkehr zu schwarzen Zahlen bei Opel werde damit möglich.

Schäfer-Klug sieht vielmehr die Gefahr, dass die Zahl der ausscheidenden Mitarbeiter deutlich über dieses Ziel hinausschießt – wegen des wachsenden Misstrauens gegenüber der PSA-Führung. Dann bleibe die Arbeit liegen und plötzlich müssten zusätzlich Leiharbeiter eingestellt werden. „Es gehen mehr Menschen als nötig“, sagte Schäfer-Klug zur aktuellen Entwicklung.

Die Abwanderungswelle könne nur mit neuem Vertrauen gestoppt werden. Mit einem konkreten Plan und Zusagen, was wirklich in den kommenden Jahren im Detail in den deutschen Opel-Werken passieren werde. Wo und wann würden die verschiedenen Fahrzeuge und Motoren gebaut? In der aktuellen Stimmungslage drängt sich aus Sicht des Betriebsrates das Bild auf, dass Opel noch viel weiter schrumpfen werde und am Ende nicht mehr viel übrigbleibe.

Opel-Chef Michael Lohscheller hatte auf die laufenden Verhandlungen mit den Arbeitnehmern verwiesen. „Wir vertrauen darauf, dass der mitbestimmungsbasierte Dialog zu einem positiven Ergebnis führen wird“, sagte er. Es sei das erklärte Ziel des Managements von PSA und Opel, das Unternehmen nach fast 20 Jahren wiederkehrender Verluste und Stellenstreichungen ohne Entlassungen und ohne Werksschließungen wieder flott zu machen, betonte er.

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