Zu den vergaberechtlichen Problemen kommen finanzielle: In vielen Städten, vor allem den europäischen, sind die Kassen leer. In Berlin etwa lebe man von der Hand in den Mund, sagt ein für Wirtschaft und Stadtplanung zuständiges Senatsmitglied. „Für große Lösungen, wie Siemens sie vorschlägt, ist kein Geld da, selbst wenn sie Kosten sparen.“ Und auch wenn die Mittel vorhanden wären: Bei solchen Auftragsvolumina müsste Berlin europaweit ausschreiben. Abgesehen davon bevorzugen die Kämmerer der Hauptstadt ohnehin die kleinteilige Vergabe, um die örtliche Wirtschaft zu stärken.
Auch auf dem wichtigen chinesischen Markt läuft es für I&C-Chef Busch längst nicht mehr rund. Seit das Eisenbahnministerium vor zwei Jahren von einem Korruptionsskandal erschüttert wurde, lahmt das Geschäft mit Hochgeschwindigkeitszügen. Außerdem sitzt auch bei den Chinesen das Geld nicht mehr so locker wie noch vor einigen Jahren. Viele Kommunen und Städte haben sich hoch verschuldet und bekommen nun Druck von der Zentralregierung und den Banken.
Aktionärsstruktur Siemens
Die Familie hat insgesamt 6 % der Aktien inne.
Die restlichen 94 % sind in Streubesitz.
Darum muss Busch jetzt sparen. Seit Löscher seinen Aktionären versprach, die konzernweite Gewinnmarge von zuletzt knapp acht Prozent auf zwölf Prozent im Jahr 2014 zu steigern, regiert in München der Rotstift. Ob Löschers Vorgabe erreicht wird, ist dennoch zweifelhaft: Arbeitnehmervertreter berichten, Busch habe kürzlich vor Mitarbeitern in Erlangen eingeräumt, sein Sektor werde die zwölf Prozent nicht schaffen − was aber kein Problem sei, denn der Sektor sei ja noch jung. Mittelfristig werde I&C die obere Hälfte des vorgegebenen Margenbandes von acht bis zwölf Prozent erreichen.
Dem Spardiktat zum Opfer fallen werden auf jeden Fall gut 300 Arbeitsplätze in Leipzig, die zu Buschs Beritt gehören. Dort fertigt Siemens Schaltkästen, die Produktion ist seit Jahren defizitär. Doch dabei dürfte es nicht bleiben: Derzeit überprüfen Busch und seine Manager gezielt das Portfolio, künftig werde man sich auf das Kerngeschäft konzentrieren. Eisenbahnprojekte, die Gebäudetechnik und der Bau von Stromnetzen gehören dazu.
Es regiert der Rotstift
Die Zeit drängt: Verfehlt Löscher sein Zwölf-Prozent-Ziel, dürfte die leidige Diskussion um den Chefposten bei Siemens wieder losbrechen. Der Konzernumbau, so scheint es, dürfte darum viel weiter gehen, als bisher angenommen. Von Zusammenlegungen und Verlagerungen von Geschäftseinheiten seien in diesem Jahr allein in Deutschland rund 10.000 Arbeitsplätze betroffen, berichtet ein Insider. 1.400 Stellen sollen bis zum kommenden Jahr ganz wegfallen, davon etwa 1.000 im Sektor Energy. Betroffen ist unter anderem der Standort Mülheim an der Ruhr, wo Siemens Gasturbinen fertigt. Im Energiegeschäft will der Konzern künftig viele Aktivitäten nach Asien verlagern. Betroffen sein sollen neben Leipzig auch die Standorte Erlangen und Offenbach.
In den nächsten Tagen können Löscher und Busch noch mal an höchster Stelle die Werbetrommel rühren: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Russlands Präsident Wladimir Putin wollen beim Bummel über die Hannover Messe auch am Siemens-Stand vorbeischauen.