Siemens und Mercedes in Thailand Phuket will den Verkehrskollaps verhindern – mit deutscher Hilfe

Die Besucherzahlen der thailändischen Insel Phuket steigen rasant. Eine „Smart City“-Initiative mit deutscher Beteiligung soll den Kollaps verhindern.

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Zustände wie in der thailändischen Hauptstadt will man auf Phuket unbedingt verhindern. Quelle: dpa

Bangkok Phukets Kampf gegen die Auswüchse des Massentourismus beginnt mit einer Flotte von Mercedes-Bussen. Ihre Mission startet an diesem Mittwoch: Dann werden die weiß-blau lackierten Fahrzeuge Phukets internationalen Flughafen mit den rund 50 Kilometer entfernten Stränden im Süden verbinden – und den Urlaubern eine Alternative zu den teuren Taxis und unregelmäßig fahrenden Minivans bieten.

Die Passagiere erhalten während der Fahrt kostenloses W-Lan und USB-Stecker, um ihre Handys aufzuladen. Eine Smartphone-App zeigt, wo sich die Busse gerade befinden und wie lange man an einer Haltestelle warten muss.

Die Busse werden mit ihrem Dienstbeginn zum sichtbarsten Zeichen eines ambitionierten Vorhabens: Phuket möchte sich zu einer „Smart City“ entwickeln und so einen Weg finden, mit dem Besucheransturm zurechtzukommen. Denn das größte Problem der Insel ist ihr Erfolg: Die Touristenzahl wächst rasant. Phuket droht der Kollaps.

Staus, Umweltverschmutzung und Kriminalität machen dem Urlaubsort, der zu den beliebtesten Touristendestinationen der Welt gehört, zunehmend zu schaffen. Sensoren und Analyse-Software sollen jetzt dabei helfen, die Menschenmengen in den Griff zu bekommen. Auch deutsche Technik ist gefragt: Die Zugsparte von Siemens hat offenbar gute Chancen auf einen Großauftrag.

Der Mann, der die Infrastruktur der Tropeninsel auf Vordermann bringen will, hat sein Büro im Erdgeschoss eines Einkaufszentrums. Auf großflächigen Werbebannern erfahren die Passanten hier von Phadet Jindas Vision: smarte Verkehrssysteme, Big-Data-Analysen, Apps, um sich auf der Insel zurechtzufinden.

Phadet ist Geschäftsführer von Phuket City Development – einer Firma, die von 25 lokalen Geschäftsleuten als Gemeinschaftsunternehmen gegründet wurde, um sicherzustellen, dass Phuket den Touristenmassen auch standhält. „Jeden Tag wollen riesige Menschenmengen vom Flughafen in die Stadt oder zu den Stränden“, sagt Phadet. Die Straßen seien deshalb regelmäßig überlastet. „Der Transportsektor ist derzeit unser größtes Problem.“

Die Mercedes-Busse, die Phadet ab Ende Februar losschickt, sind der erste Schritt seines Entlastungsplans. Wenn es nach ihm geht, soll bereits im kommenden Jahr der Bau einer 60 Kilometer langen Bahnstrecke beginnen, vier Jahre später soll das Projekt fertig sein. Investitionen von rund einer Milliarde US-Dollar seien dafür vorgesehen, sagt Phadet, der das Projekt zusammen mit der Militärjunta in Bangkok vorantreibt.

Favoriten bei den potenziellen Geschäftspartnern hat er bereits: „Uns wurden Siemens und Bombardier empfohlen“, sagt Phadet mit Blick auf seine Gespräche mit dem Hochbahn-Unternehmen in Bangkok, das bereits seit zwei Jahrzehnten mit Siemens kooperiert. „Die chinesische Konkurrenz gilt als unzuverlässig.“


Strände mit Überwachungskameras

Bei Siemens zeigt man sich an dem Vorhaben „grundsätzlich interessiert“. „Wir kennen das Phuket-Projekt“, sagt eine Sprecherin. Mit einem schnellen Zuschlag rechnet das Unternehmen aber offenbar nicht. „Das Projekt ist noch in einer Entwicklungsphase seitens Investoren und lokalen Behörden. Es bedarf daher noch eines prinzipiellen Projektverständnisses und Wissen um die Vergabebedingungen.“

Viel Zeit bleibt den Thailändern aber nicht. Denn der Besucherandrang nimmt von Jahr zu Jahr zu: Nach Daten des Marktforschungsunternehmens Euromonitor stieg die Zahl der Phuket-Gäste im vergangenen Jahr um 14 Prozent auf mehr als zwölf Millionen. Damit liegt die thailändische Insel, die nur etwas größer ist als Usedom, auf Platz 11 der meistbesuchten Touristenziele der Welt. Bis 2025 steigt Phukets jährliche Besucherzahl nach den Euromonitor-Prognosen sogar auf 22 Millionen an. Phuket steht demnach kurz davor, mehr Touristen zu haben als New York City.

Investitionen in den öffentlichen Nahverkehr allein reichen aus Sicht der Behörden nicht aus, um die Insel für das enorme Wachstum der Tourismusindustrie fit zu machen. In den Räumen der Digitalisierungsbehörde Depa zeigt ein mehrere Meter breiter Bildschirm, wo die Insel gerade an ihre Belastungsgrenze stößt. Der Großbildschirm wertet unter anderem Daten von öffentlichen W-Lan-Hotspots aus, um darzustellen, an welchen Orten sich gerade die meisten Touristen aufhalten.

Zudem sehen die Behördenmitarbeiter in Echtzeit, wohin sich die Touristenboote rund um Phuket gerade bewegen. Die Informationen sollen für die Politik als Grundlage bei Entscheidungen über weitere Infrastrukturinvestitionen dienen. Laufend werden zudem Sensoren ausgewertet, die über Veränderungen in der Luft- und Wasserqualität informieren.

Am Patong Beach, dem beliebtesten Strand Phukets, haben die Depa-Mitarbeiter außerdem einen Pilotversuch gestartet, der die Insel sauberer machen soll: Abfallcontainer wurden mit Sensoren ausgestattet, die Alarm schlagen, sobald der Behälter fast voll ist. Die Müllabfuhr soll so schneller reagieren können, wenn der Ansturm unerwartet groß ist.

Mit der automatischen Analyse von Überwachungskameras an Stränden sollen künftig zudem Rettungsschwimmer informiert werden, wenn Urlauber zu weit auf das Meer hinaus schwimmen. Die Polizei nutzt an der Brücke zum Festland bereits Kameras mit Gesichtserkennungssoftware, um Personen auf Fahndungslisten automatisch identifizieren zu können.

Stadtentwickler Phadet Jinda gibt sich zuversichtlich, dass die Technik seine Insel bereits in wenigen Jahren deutlich attraktiver machen wird. „Vom intelligenten Transitsystem über smarte Armbänder, mit denen man überall bezahlen kann, wird es bei uns alles geben, was ein Top-Urlaubsziel ausmacht“, sagt er. Dass Phuket aber nicht nur Hightech-Visionen braucht, sondern bereits mit gewöhnlichem Asphalt Probleme hat, bekommen Urlauber diese Woche zu spüren: Wegen dringend nötigen Reparaturen muss Phukets Flughafen an zwei Tagen für mehrere Stunden schließen. 75 Flüge fallen deshalb aus. Grund ist, dass die Landebahn dem Andrang nicht mehr standhielt. Der Asphalt hatte Risse bekommen, teilte der Flughafenbetreiber mit.

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