Gerade bei Bilfinger geht es offenbar nur noch darum, mit einem blauen Auge davonzukommen. Dabei standen die Chancen auf einen Turnaround ursprünglich gar nicht schlecht. In den verkrusteten Strukturen hätte Cevian ein belebendes Element sein können. Bis Cevian seinen Anteil auf 26 Prozent aufbaute, waren die Aktien breit gestreut, Eigner hatten wenig zu melden, die Aufsichtsräte entschieden nach Gutsherrenart.
Tischendorf – Cevians Mann für Deutschland, Österreich und die Schweiz – wollte „mehr Benchmarking und tiefere Analysen“, also mehr Orientierung an der Qualität von Wettbewerbern, bezeugen Insider. Wie er es in sieben Jahren bei der Beratung A.T. Kearney gelernt hatte, forderte er Kostensenkungen. Er habe Vorstandschef Roland Koch „regelrecht gegrillt“ und ihn auch zwischen Sitzungsterminen mit Fragen bombardiert. Der Expolitiker und Machtmensch Koch fühlte sich „verhört wie ein Schuljunge“, soll er Freunden anvertraut haben.
Bilfingers Kandidaten-Karussell
Wer kommt in Frage für die Übernahme der erfolgreichen Gebäudemanagement- (neudeutsch Facility-Management, kurz FM) und Bau-Sparte des erfolgslosen Bilfinger-Konzerns? Seit in der vergangenen Woche bekannt wurde, dass Bilfinger-Vorstandschef Per Utnegaard doch bereit ist, sein einziges Tafelsilber zu verkaufen, wird eifrig spekuliert über die potentiellen Kauf-Kandidaten. Hier – in alphabetischer Reihenfolge - die wiwo.de- Einschätzung, wer wirklich auf dem Kandidaten-Karussell sitzen könnte und wer nicht.
Der spanische Baukonzern hat das Gebäudemanagement seiner feindlich übernommenen deutschen Tochter Hochtief vor zweieinhalb Jahren an die französische Spie-Gruppe verkauft. Würde sich ACS-Großaktionär Florentino Perez nun bei Bilfinger zum Höchstpreis wieder in dasselbe Geschäft einkaufen? Kaum zu glauben. Es wäre eine Eigentor, das dem Unternehmer und Präsidenten von Real Madrid kaum zuzutrauen ist. Übernahme-Chance: fast null.
CBRE ist das weltweit größte Dienstleistungsunternehmen auf dem gewerblichen Immobilienmarkt. Der kalifornische Makler-Gigant mit 9 Milliarden Umsatz setzt aber lieber auf margenstarke Beratung als auf Arbeit im Blaumann. „Die geben Gebäudemanagementaufträge nach unten weiter und quetschen Unternehmen wie Bilfinger dabei aus“, beschreibt ein Branchenkenner das Geschäftsmodell von CBRE. Warum sollte der FM-Markt CBRE plötzlich reizen, fragt er rhetorisch. Übernahme-Chance: gering.
Hinter dem Schweizer Anlagenbau- und Gebäudemanagement-Unternehmen steht die französische GDF Suez-Gruppe, die seit vergangenem Jahr Engie SA heißt. Für den Energie-Giganten mit 75 Milliarden Umsatz wäre der Milliarden-Kauf in Deutschland ein Klacks. Dagegen spricht: Eigentlich will Engie wegen der gesunkenen Öl- und Gaspreise seine Investitionen zwar deutlich zurückschrauben. Dafür spricht: Eine Investition in das solide FM-Geschäft würde gerade deshalb gut passen.
Wiederum gegen den Milliardenkauf spricht, dass die französische Unternehmenskultur weniger Freiräume bietet als sie der starke Bilfinger-FM-Chef Otto Kajetan Weixler gewohnt ist. Übernahme-Chance: man soll nie nie sagen.
Das Unternehmen ist besser bekannt als Jones Lang La Salle und wie CBRE einer der ganz großen Immobilienmakler und –dienstleister weltweit. Auch für JLL mit seinen rund fünf Milliarden Euro Umsatz ist zu bezweifeln, dass das Unternehmen seine Fertigungstiefe durch die reine Ausführung von Gebäudemanagment-Arbeiten durch die Bilfinger-Sparte so weit vergrößern will. Allenfalls kleine Teile von Bilfinger-FM und -Bau wären nach dem bisherigen Geschäftsmodell für die Amerikaner interessant. Übernahme-Chance: gering.
Die Londoner Dependance der US-Heuschrecke war wohl unter den ersten, die im vergangenen Jahr in Mannheim anklopften. Dass die Profi-Investoren wirklich bereit sein könnten, eine Milliarde Euro für den FM- und Baubereich zu zahlen, mochte Utnegaard angeblich zunächst kaum glauben. Ist offenbar aber so. Neben KKR gibt es wohl weitere Bieter aus der Private-Equity-Branche, die dringend gute Anlageziele sucht. Übernahme-Chance: der Top-Kandidat.
Die Milliarde Euro als Kaufpreis ist viel für den österreichischen Bauriesen, der unter dem Preiskampf in der europäischen Baubranche gelitten hat. Ein Insider sagt der WiWo: „Da hebt sich die Strabag einen Bruch“. Zudem: Die Wiener würden eine sehr homogene und selbstbewusste Sparte übernehmen, die sich nicht so einfach wie andere typische Strabag-Erwerbungen in die unter dem Deutschen Thomas Birtel agierende österreichische Gruppe integrieren ließe. Übernahme-Chance: unwahrscheinlich.
Siehe die Cofely-Einschätzung: Geld ohne Ende hat auch der französische Baukonzern. Das Häppchen Bilfinger wäre für den größten Baukonzern Europas kein Problem. Dagegen steht einzig die Frage, ob Vinci den FM-Chef Otto Kajetan Weixler, der schon unter Holzmann diesen Bereich führte und ihn aus der Holzmann-Pleite zu Bilfinger rettete, sich auf ein Arbeiten unter französischer Regie einließe. Die Bilfinger-Gebäudeprofis aber ohne ihren Kopf Weixler zu übernehmen, wäre eine Schwächung des Investments und schürte sicher auch Skepsis in der insgesamt 22 000 Mann starken Bilfinger-Sparte. Übernahme-Chance: nicht auszuschließen.
Für die Gebäudemanagement-Tochter des Familien-Unternehmens Wisser aus Frankfurt/Main ist der Bilfinger-Brocken einfach eine Nummer zu groß und die Euro-Milliarde Kaufpreis kaum zu finanzieren? Übernahme-Chance: minimal.
Angetrieben von Tischendorf, ließ Koch die Beratung Boston Consulting alles auf den Kopf stellen, initiierte atemlos Umbau- und Restrukturierungsprogramme. Untätig war Tischendorf also keineswegs – erfolgreich aber dennoch nicht. Der damalige Chefkontrolleur Bernhard Walter unterband viel Kritik an Koch, den er selbst geholt hatte. Die alte Seilschaft führte Tischendorf regelrecht vor, berichtet ein Augenzeuge. So habe der Cevian-Statthalter 2013 in einer Aufsichtsratssitzung Analysen zu Bilfinger präsentieren wollen. Walter ließ ihn nicht. Tischendorf habe seine Analysen und Vorschläge nur inoffiziell nach Ende der Sitzung präsentieren dürfen.
Inzwischen sind die gut 640 Millionen Euro, die Cevian für die Beteiligung ausgab, auf rund 450 Millionen Euro Wert geschrumpft. Exvorstand Klaus Raps lastet den Kurssturz auch dem Cevian-Mann an: „Herr Tischendorf ging fehl, als er glaubte, man könne Bilfinger über betriebswirtschaftliche Kennzahlen optimieren, ohne das eigentliche Geschäft richtig zu verstehen.“ Koch und sein Antreiber versäumten, die Kraftwerkssparte gegen die Folgen der Energiewende abzusichern. Eine Serie von bis heute sechs Gewinnwarnungen nahm ihren Lauf.
Zweifel an Tischendorf
Cevian vertraut bei Bilfinger nicht mehr auf Tischendorf allein. 2015 setzte der Investor dem smarten 42-Jährigen den kantigen Eckhard Cordes, 65, als Aufsichtsratschef vor die Nase. Der frühere Daimler-, Metro- und Haniel-Manager ist Partner bei Cevian und sitzt im Verwaltungsrat des Lkw-Bauers Volvo, einer weiteren Cevian-Beteiligung.
Bei Bilfinger dreht Cordes nun einige Maßnahmen der Koch-Ära zurück. Doch das im Oktober vorgestellte Konzept des von Cordes geholten neuen Chefs Per Utnegaard ist schon wieder Makulatur. Utnegaard hatte im Gebäudemanagement eine zentrale Säule seiner künftigen Strategie gesehen. Auch der Betriebsratsvorsitzende und Vize-Aufsichtsratschef Stephan Brückner stellt sich gegen den von Cevian plötzlich forcierten Verkauf der Sparte. Im neuen Aufsichtsrat gibt es offenbar noch mehr Streit. „Zwischen Cordes und Tischendorf knirscht es, die sind sich nicht grün“, berichtet ein Bilfinger-Insider. Cevian-Kenner dementieren, dass es zwischen den beiden Probleme gebe.
300 Millionen Euro Minus bei Thyssen
Nicht nur in Mannheim hat Cevian sich verkalkuliert. Bei Thyssenkrupp haben die Schweden ihre Beteiligung seit 2013 bei Kursen zwischen 17 und knapp 20 Euro aufgebaut, rund 1,5 Milliarden Euro zahlten sie. Der Kurs dümpelt bei 14 Euro, das Cevian-Paket ist unter 1,2 Milliarden Euro wert – weit entfernt vom Ziel, in etwa fünf Jahren die investierte Summe zu verdoppeln.
Wie die Schweden dem näher kommen wollen, darüber rätselt man bei Thyssenkrupp. Aus Cevian-Sicht sind die sechs Bereiche einzeln mehr wert als das Ganze. Neben einem Verkauf von Sparten kämen auch ein Teilbörsengang oder die Einbringung in Joint Ventures in Betracht.