VW-Kunden in Deutschland Willkommen in der zweiten Klasse

Der Plan steht: Mit bis zu zehn Milliarden Dollar will Volkswagen seine amerikanischen Kunden für den Diesel-Skandal entschädigen. Für die deutschen VW-Fahrer bleibt danach nicht mehr viel Geld übrig.

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Die US-Kunden von VW können nach dem Dieselbetrug im Schnitt mit bis zu 20.000 Dollar rechnen – deutsche Kunden werden mit einer unsicheren Reparatur abgespeist. Quelle: dpa

Düsseldorf Monatelang dauerte das Pokerspiel an. Nun hat VW erstmals einen detaillierten Plan vorgelegt, wie man die Dieselkäufer in den USA entschädigen will, die man mit manipulierten Motoren betrogen hat. Insgesamt sollen mehr als 15 Milliarden Dollar (13,5 Milliarden Euro) fließen, um die US-Behörden und Kundenanwälte milde zu stimmen. Weil VW insgesamt rund 16,4 Milliarden Euro für den Diesel-Betrug zurückgestellt hat, bleibt damit wenig Geld übrig, um auch europäische Kunden zu entschädigen.

Der Konzern zeigt sich somit nur dort kulant und reuig, wo umfangreiche Verbraucherrechte gelten und durchgesetzt werden. Die rund 500.000 betroffenen VW-Fahrer in den USA sollen insgesamt gut zehn Milliarden Dollar erhalten. US-Kunden können also im Schnitt mit bis zu 20.600 Dollar rechnen.

Die konkrete Summe hängt am Ende davon ab, ob sich die Kunden für einen Rückkauf entscheiden oder doch nur eine Entschädigung verlangen und weiter darauf warten, dass der Konzern das Fahrzeug repariert. Für Marktbeobachter ist ein Rückkauf sämtlicher Fahrzeuge aber ein wahrscheinliches Szenario, da VW bislang noch keine technische Lösung für die Dieselprobleme gefunden habe und wohl auch keine mehr finden wird, die von den US-Behörden akzeptiert wird.

Wie hoch die Entschädigung am Ende ausfällt, hängt individuell vom gekauften Modell ab, berichtet die „Bild“. Demnach erhalten Käufer eines VW Jetta bei einem Rückkauf einen Preis ab 12.475 Dollar, bei einem Audi A3 TDI sind es bis zu 44.179 Dollar. Wer dagegen auf eine Reparatur wartet, darf sein Auto behalten, kassiert allerdings auch deutlich weniger Entschädigung. Leasing-Verträge können ohne Zusatzkosten vorzeitig gekündigt werden.

Bis Geld fließt, dürften allerdings noch mehrere Monate vergehen. Wenn ein kalifornisches Gericht Ende Juli dem Kompromiss zustimmt, könnte der Plan ab Oktober 2016 umgesetzt werden.

Bis dahin versucht VW alles, um auch die US-Behörden zu beruhigen. Neben den Milliarden für die US-Kunden werden auch die Umweltbehörden Carb und EPA mit kräftigen Entschädigungszahlungen bedacht. 2,7 Milliarden Dollar fließen in einen Fonds, der Stickoxide reduzieren soll. Darüber hinaus verpflichtet sich der Konzern zwei Milliarden Euro in emissionsfreie Fahrzeuge wie Elektroautos zu investieren. Und auch die US-Bundesstaaten sollen mit mehr als 600 Millionen Dollar milde gestimmt werden.

Für die europäischen Kunden dürfte nach diesem Kompromiss nur noch wenig Geld übrig bleiben. Dabei kommen von den rund elf Millionen betroffenen VW-Fahrzeugen ganze acht Millionen aus Europa. Sollte die Strafsumme in den USA voll ausgereizt werden, blieben für den Rückruf dieser Fahrzeuge gerade einmal 2,9 Milliarden Euro übrig. Doch hier wähnt sich der Konzern rechtlich auf der sicheren Seite. Im Handelsblatt-Interview erklärte VW-Chef Müller noch vor wenigen Wochen, die bisher veranschlagten Rückstellungen nicht erhöhen zu wollen. „Nach unseren derzeit seriös abschätzbaren Berechnungen ist das ausreichend“, sagte er.


Unsicherheit bleibt groß

Für die Kunden in Deutschland ist das keine gute Nachricht, denn große Entschädigungen kann sich VW für die Millionen von betroffenen Kunden gar nicht erlauben. Wer hierzulande einen manipulierten VW gekauft hat, wird bisher nur mit einem Entschuldigungsschreiben und dem festen Versprechen vertröstet, die Autos durch einem Umbau sauber zu machen – und das ohne jeden Schaden für den Kunden.

Eine Lösung, die gleich von mehreren Seiten infrage gestellt wird. Denn Verbraucheranwälte sind empört über die Ungleichbehandlung. Während die Amerikaner umfangreich entschädigt werden, müssen deutsche Kunden sich einen Anwalt nehmen und ihre Ansprüche auf eigenes Risiko gerichtlich durchsetzen. Bislang haben deutsche Gerichte durchaus widersprüchlich geurteilt. Dennoch wähnt sich VW bislang juristisch auf der sicheren Seite. Die Einigung in den USA heißt für deutsche Kunden damit im Resultat, in der zweiten Klasse angekommen zu sein.

Darüber hinaus zweifeln einige Motorenexperten daran, dass der genehmigte Rückruf in Deutschland am Ende gelingt, ohne dass die Autos Leistung einbüßen oder der Verbrauch steigt. Doch allzu stark darf Volkswagen die Fahrzeuge nicht verschlechtern, sonst könnten am Ende auch in Europa teure Schadenersatzprozesse drohen. Doch würden alle Kunden weltweit so entschädigt wie die US-Amerikaner, würde das selbst die finanzstarken Wolfsburger vor nahezu unlösbare Aufgaben stellen.

Immerhin scheint mit der Einigung in den USA erstmals absehbar, wie hoch der finanzielle Schaden am Ende ausfallen könnte. Auch deswegen notierte die Aktie nach Bekanntgabe der Verhandlungsergebnisse mit rund drei Prozent im Plus. Doch die Unsicherheiten bleiben groß: auch Investorenklagen könnten für weitere finanzielle Entschädigungen sorgen. Für den weitaus größeren Schaden gibt es aber noch keine abschließende Rechnung: der Vertrauensverlust von VW lässt sich noch nicht in Zahlen fassen.

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