Am Rand von Bratislava steht der ganze industrielle Stolz der Slowakei: das Werk von Volkswagen. Es ist eine kleine Stadt innerhalb der Hauptstadt und Symbol des Autolandes Slowakei. Doch der Haussegen beim größten Arbeitsgeber des osteuropäischen Landes hängt schief. Denn die Beschäftigten haben dort zum ersten Mal in der Geschichte von Volkswagen in der Slowakei die Arbeit niedergelegt.
Der Ausstand in Bratislava soll nach Gewerkschaftsangaben bis zum 3. Juli dauern. Dann beginnen die Werksferien. Am Mittwochnachmittag fanden Gespräche zwischen Management und Arbeitnehmervertretern statt. Der slowakische Premier Robert Fico sagte zu Beginn: „Ich begrüße eine schnelle Einigung.“
Wie VW im ersten Quartal abgeschnitten hat
Im Auftaktquartal 2017 hat Volkswagen 2,495 Millionen Fahrzeuge abgesetzt – zum ersten Quartal 2016 ein Rückgang von 0,5 Prozent (2,508 Millionen Fahrzeuge).
Im Vergleich zum schwachen Jahresauftakt 2016 konnte VW deutlich zulegen. Die Umsatzerlöse stiegen von 50,964 Milliarden Euro auf 56,197 Milliarden Euro – plus 10,3 Prozent.
Das operative Ergebnis (Ebit) stieg um 27 Prozent auf 4,37 Milliarden Euro – zum Jahresauftakt 2016 waren es noch 3,44 Milliarden Euro. Die operative Rendite stieg von 6,8 auf 7,8 Prozent.
Das Ergebnis nach Steuern legte deutlich zu – von 2,365 Milliarden Euro im Q1 2016 auf aktuell 3,403 Milliarden Euro. Das entspricht einem Zuwachs von 43,9 Prozent.
Zum Stichtag 31. März 2017 haben 632.800 Menschen für VW gearbeitet. Gegenüber dem Jahr 2016 sind das 1,0 Prozent mehr – damals waren es 626.700 Menschen.
Bei dem Pkw-Kerngeschäft der Marke Volkswagen ist es schwierig, die Daten mit dem Aftaktquartal 2016 zu vergleichen. Im Zuge der Neuausrichtung der Konzernstrukturen ist die Zuordnung von Gesellschaften zwischen der Marke Volkswagen Pkw und dem Konzern ab 2017 angepasst worden. Damit soll die Transparenz und Vergleichbarkeit erhöht werden. In den ersten drei Monaten 2017 gingen die Umsatzerlöse der Marke infolge der damit einhergehenden Veränderung im Konsolidierungskreis um 24 Prozent auf 19,0 Milliarden Euro zurück. Das Operative Ergebnis vor Sondereinflüssen verbesserte sich von 73 auf 869 Millionen Euro. Neben Volumen-, Mix- und Margeneffekten wirkten sich Wechselkurseffekte positiv aus.
Mit 1,2 Milliarden Euro hat Audi das operative Ergebnis vor Sondereinflüssen des Vorjahres knapp verpasst – damals waren es noch 1,3 Milliarden Euro.
Bei Skoda stieg das operative Ergebnis aufgrund positiver Mixeffekte und geringerer Materialkosten um gut 32 Prozent auf 415 (315) Millionen Euro.
Seat verbesserte sein Operatives Ergebnis minimal von 54 auf 56 Millionen Euro.
Die Umsatzerlöse von Porsche Automobile lagen wie im Vorjahr bei 5,0 Milliarden Euro. Mixverbesserungen und positive Wechselkurseffekte sorgten für einen Anstieg des Operativen Ergebnisses von Porsche Automobile auf 932 (855) Millionen Euro. Neu ist, dass das Finanzdienstleistungsgeschäft von Porsche wird ab Januar 2017 als Teil der Volkswagen Finanzdienstleistungen berichtet.
Wie schon im ersten Quartal 2016 muss Bentley rote Zahlen ausgeben. Lag im Vorjahreszeitraum das Minus noch bei 54 Millionen Euro, waren es in diesem Jahr minus 30 Millionen Euro. Im Gesamtjahr 2016 war Bentley hingegen profitabel.
Aufgrund der hohen Nachfrage nach den Modellen Multivan/Transporter und Caddy stiegen in den ersten drei Monaten weltweit Absatz und Umsatz von Volkswagen Nutzfahrzeuge. Das Operative Ergebnis verbesserte sich um 44,5 Prozent auf 205 Millionen Euro. Bei der Marke Scania fiel in den ersten drei Monaten das Operative Ergebnis mit 324 Millionen Euro um 80 Millionen besser aus als ein Jahr zuvor. Bei MAN Nutzfahrzeuge übertraf das Operative Ergebnis vor Sondereinflüssen mit 93 (65) Millionen Euro das Niveau des Vorjahres. Der Anstieg resultierte im Wesentlichen aus dem höheren Volumen und Kosteneinsparungen. Bei MAN Power Engineering belief sich das Operative Ergebnis auf 26 (48) Millionen Euro.
Die Volkswagen Finanzdienstleistungen konnten ihr Operatives Ergebnis um 12,2 Prozent auf 551 Millionen Euro steigern, was – neben der erstmaligen Einbeziehung der Porsche Finanzdienstleistungen - vor allem auf das Geschäftswachstum zurückzuführen ist.
Die VW-Beschäftigten in Bratislava fordern deutlich höhere Löhne. Sie verlangen eine Gehaltssteigerung von 16 Prozent. Volkswagen bot zuletzt 8,9 Prozent innerhalb eines Jahres und eine Einmalzahlung von 350 Euro sowie Boni.
Lange galt die Slowakei als Autoparadies. Niedrige Löhne, niedrige Steuern und eine Industriepolitik unter Regierungschef Robert Fico, die den Autokonzernen ihre Wünsche von den Lippen ablas. Doch der Standort entwickelt sich zum Albtraum für den Wolfsburger Autoriesen. Ausgerechnet der ansonsten so autofreundliche Premier stellt sich hinter den Arbeitskampf.
„Warum sollte ein Unternehmen, das die hochwertigsten und luxuriösesten Autos mit einer hohen Arbeitsproduktivität baut, seinen slowakischen Arbeitern die Hälfte oder ein Drittel dessen zahlen, was es den gleichen Mitarbeitern in Westeuropa zahlt?“, fragt der Linkspopulist und spricht damit offenbar vielen seiner Landsleute aus dem Herzen. Bratislava liegt mit dem Auto nur eine dreiviertel Stunde von Wien, wo Mitarbeiter für die gleiche Tätigkeit das Doppelte oder Dreifache erhalten. Das ist auch einer der Gründe, weshalb sich nach Gewerkschaftsangaben mehr als zwei Drittel der Beschäftigten an dem Ausstand beteiligt haben.
Der Präsident des slowakischen Automobilverbandes (ZAP), Juraj Sinay, sorgt sich unterdessen um den Automobil- und Wirtschaftsstandort. „Die Slowakei galt bislang als stabiler Wirtschaftsstandort. Mit dem Streik werden die Unternehmen künftig sorgfältiger überlegen, ob sie weiter in die Slowakei investieren“, sagte Sinay dem Handelsblatt. In dem osteuropäischen Land hängen über 60.000 Arbeitsplätze direkt und indirekt an der Autoindustrie.
VW ist traditionell in der Slowakei ein begehrter Arbeitsgeber. Denn die Wolfsburger zahlen weit über den Durchschnitt. Mit einem Monatslohn von durchschnittlich 1804 Euro verdienten die VW-Mitarbeiter rund doppelt so viel wie ihre Kollegen in anderen Betrieben. Im ersten Quartal dieses Jahres betrug der Durchschnittslohn nach Angaben der Statistikbehörde bei 897 Euro.