Wechsel an der VW-Konzernspitze Müller bekommt warme Worte zum Abschied – und fortlaufende Millionenbezüge

Am Ende eines langen Tages steht Diess als neuer VW-Chef fest. Matthias Müller muss gehen. Doch er bleibt auf der Gehaltsliste.

  • Teilen per:
  • Teilen per:

Wolfsburg Für die Aufsichtsratsmitglieder von Volkswagen ist es ein langer Tag geworden. Kurz vor 14 Uhr fuhren die ersten schwarzen Limousinen vor dem Markenhochhaus auf dem VW-Werksgelände vor. Darunter auch die beiden Audi-Limousinen aus Hannover mit Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) und seinem Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU).

Zur Präsidiumssitzung, die dem eigentlichen Aufsichtsratstreffen vorausging, kam auch Jörg Hofmann. Freundlich begrüßte der IG-Metall-Chef das Sicherheitspersonal und eilte in den Sitzungssaal im dritten Stock. Vor dem Gebäude war schon ein Übertragungswagen vorgefahren: Für den Freitag ist ein Livestream von einer Pressekonferenz geplant, auf der die Beschlüsse des Aufsichtsrates noch einmal im Detail erklärt werden sollen.

Die Aufsichtsratssitzung mit allen 20 Mitgliedern begann um 17 Uhr. Dann dauerte es noch einmal weitere drei Stunden, bis die Entscheidungen unter Dach und Fach waren. Und es kam genau das heraus, was sich an den vergangenen Tagen bereits abgezeichnet hatte: Herbert Diess, 59, wird der neue Chef des Volkswagen-Konzerns und löst damit Matthias Müller, 64, ab. Das teilte das Unternehmen am Abend nach der Sitzung des Kontrollgremiums mit.

Weil die Berufung des bisherigen VW-Markenchefs an die Spitze des Konzerns schon im Vorfeld unter den wichtigsten Anteilseignern und Aufsichtsräten abgesprochen war, wurde im Aufsichtsrat nicht mehr besonders kontrovers über den Wechsel in der Konzernführung diskutiert. Um 20 Uhr sollte die Entscheidung über die Bühne gegangen sein, schon eine Viertelstunde früher ging die Presseerklärung des Konzerns heraus.

Für Matthias Müller war es nach 40 Jahren definitiv der letzte Tag im Unternehmen. Der bisherige Volkswagen-Chef scheidet mit „sofortiger Wirkung“ aus dem Konzern aus, teilte das Unternehmen weiter mit. Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch, der hinter den Kulissen maßgeblich die vorzeitige Ablösung von Müller betrieben hatte, bedankte sich in einem offiziellen Statement für dessen zweijährige Arbeit an der Spitze des VW-Konzerns. „Matthias Müller hat Herausragendes für Volkswagen geleistet“, sagte Pötsch. Der scheidende Vorstandschef habe das Unternehmen nach der Dieselkrise maßgeblich stabilisiert und wieder extrem erfolgreich gemacht.

Der Konzern zeigt sich bei Müller noch auf andere Weise erkenntlich: beim Geld. Der bisherige VW-Chef bleibt noch bis zum Frühjahr 2020 im Unternehmen – so lange läuft sein Vorstandsvertrag. Müller kann damit in den kommenden zwei Jahren mit einer Zahlung von etwa 20 Millionen Euro rechnen.

Herbert Diess ist jetzt der neue Hoffnungsträger für Volkswagen. Mit der Sanierung der Marke Volkswagen ist der frühere BMW-Vorstand schon recht weit vorangekommen. Dieses Erfolgsmodell soll er jetzt auf den gesamten Konzern übertragen. „Herbert Diess ist dafür der richtige Manager. Er hat mit der Neuausrichtung der Marke Volkswagen eindrucksvoll bewiesen, mit welchem Tempo und mit welcher Konsequenz er tiefgreifende Transformationsprozesse umsetzen kann“, lobte Aufsichtsratschef Pötsch den neuen Konzernchef.

Herbert Diess versprach kurz nach seiner Wahl zum neuen Vorstandschef von Volkswagen, dass er den Wolfsburger Autohersteller noch deutlich schneller machen wolle. „In einer Phase fundamentaler Umbrüche in der Automobilindustrie kommt es darauf an, dass Volkwagen Tempo aufnimmt und deutliche Akzente auf den Gebieten der Elektromobilität und der Digitalisierung setzt“, betonte der neue VW-Chef. Seinem Vorgänger Müller war aus dem Aufsichtsrat heraus vorgehalten worden, dass er wichtige Entscheidungen nicht schnell genug getroffen habe.

Diess wird das zum Teil mit einem neuen Vorstandsteam machen müssen. Außer Matthias Müller scheidet auch der bisherige Personalvorstand Karlheinz Blessing wegen seiner anhaltenden Konflikte mit dem mächtigen Betriebsratschef Bernd Osterloh aus.

Auch Blessing bleibt auf der Gehaltsliste des VW-Konzerns: Bis zum Auslaufen des Vorstandsvertrages Ende 2020 bleibt er Berater von Volkswagen bei fortlaufenden Bezügen. Blessing kann mit einem Betrag von mehr als zehn Millionen Euro rechnen. Blessings Nachfolger wird wie erwartet Gunnar Kilian, Geschäftsführer des Konzernbetriebsrates und bisher rechte Hand von Bernd Osterloh.

Ausscheiden aus dem Konzernvorstand wird auch Francisco Garcia Sanz, bislang für Beschaffung und Einkauf zuständig. Er galt schon länger als amtsmüde. Sanz zieht sich jetzt aber vor allem zurück, weil er mit der vorzeitigen Ablösung von Matthias Müller überhaupt nicht einverstanden ist. Einen Nachfolger gibt es bislang nicht. Kommissarisch in Personalunion soll erst einmal Ralf Brandstätter diesen Posten übernehmen, zugleich Einkaufsvorstand bei der Marke Volkswagen.

Neu in den Konzernvorstand zieht auch Oliver Blume ein, Vorstandschef der Sportwagentochter Porsche. Die meisten Markenchefs sind auch im Konzernvorstand vertreten. Da Blume bei Porsche seit zwei Jahren eine erfolgreiche Arbeit leistet, war seine Berufung in den Konzernvorstand ein logischer Schritt.

© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%