ZF, Henkel & Co Darum ändern Deutschlands Unternehmen jetzt ihre Start-up-Strategie

Quelle: dpa Picture-Alliance

Der Autozulieferer ZF killt seine Start-up-Einheit. Zu teuer, heißt es. Auch um die Investment-Vehikel anderer großer Unternehmen ist es still geworden. Ein Blick auf den Markt.

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Eine eigene Start-up-Einheit zu haben, galt für viele Mittelständler und Konzerne viele Jahre als hippe Nebentätigkeit. Vor allem 2020 und 2021 gab es einen Boom in dem Segment. Investments in neue Technologien sollten die Innovationen im Haus vorantreiben, das Image modernisieren und im bestenfalls Rendite abwerfen. Doch das dauert. Daher werfen einige solcher Corporate VCs nun allmählich das Handtuch.

Einer davon ist ZF Ventures, das Investmentvehikel des gleichnamigen Friedrichshafener Autozulieferers. Laut Recherchen des Manager Magazins will ZF den Bereich einstampfen. Man diskutiere mit Partnern, Investoren und Mitarbeitern gerade über die Zukunft von ZF Ventures, heißt es vom Unternehmen. Der Grund: Der Hersteller für Autoteile wolle sich lieber auf Technologien fokussieren, die „in einem vertretbaren zeitlichen Rahmen Erträge erwirtschaften“.

Das Investmentvehikel wurde Ende 2016 ausgegründet. Ein Budget setzte man sich damals laut einer Pressemitteilung nicht. Wie viel ZF in der Zeit locker gemacht hat, beantwortet ein Sprecher nicht. Letztes Jahr beteiligte sich ZF Ventures an zwei Firmen und drei Risikokapitalfonds. In welcher Höhe ist unbekannt. Der versprochene Betrag dürfte sich zumindest bei den Fonds jeweils im Millionenbereich bewegen. Solche VC-Fonds haben üblicherweise eine Laufzeit von zehn Jahren, das Budget wird also schrittweise ausgegeben. Rendite erhalten die Partner immer erst, sobald eine Firma aus dem Portfolio gewinnbringend verkauft wurde. Und Exits gab es in Anbetracht der Marktsituation in der Gründerszene zuletzt wenige.

Die Finanzierung von Start-ups ist langwierig – egal, ob als direkte Beteiligung oder über Fonds. ZF hat dafür allerdings gerade keine Zeit, die Strategie ist zu kostspielig. Denn der Konzern hat elf Milliarden Euro Schulden, die es abzubauen gilt. Mit Einsparungen und Schließungen. Zwar bestünde die Möglichkeit, die ZF-Anteile an Start-ups und Risikokapitalfonds an andere Gesellschafter zu veräußern, über sogenannte Secondaries, in der Praxis finden sich dafür aber nur selten Abnehmer.

Das Mitmischen in der Gründerszene ist ein Risiko. Für Mittelständler und Konzerne stellen Start-ups daher derzeit keine hohe Priorität dar. Das Budget für die Start-up-Einheiten ist nicht wie bei einem Venture-Fonds langfristig eingeteilt, sondern kann kurzfristig gekappt werden. So finden Innovationsstudios von großen Unternehmen immer wieder ein jähes Ende. Florian Nöll weiß aus Erfahrung, dass es zu Beginn solcher Start-up-Strategien immer Schwierigkeiten gibt. Er hat den Bundesverband Deutsche Startups aufgebaut und sieben Jahre geführt, 2019 wechselte er als Partner zu PwC Deutschland. Dort leitet er den Corporate-VC des Wirtschaftsprüfers und berät Unternehmen zu Start-up-Investments. In Konzernen werde mit einem Vorstandswechsel häufig das Budget angepasst und das Hauptaugenmerk auf andere Bereiche weg von den Start-up-Finanzierungen gelegt, sagt Nöll. Aber: „Die Erfolge brauchen mindestens fünf Jahre.“

Henkel und Oetker dezimieren Investments

So einen Strategiewechsel hatte auch ZF Ventures, früher Zukunft Ventures. Oder Henkel und Oetker. Die Unternehmen schickten ihre Innovationslabore 2016 an den Start. Henkel verkündete 2022 noch einen Strategiewechsel und wollte einen zweiten Fonds über 150 Millionen Euro aufsetzen. Dieser Fonds sei aktiv und laufe weiter, so eine Sprecherin. Ob das Volumen bei den anvisierten 150 Millionen Euro geblieben ist, ließ Henkel unbeantwortet. „Entsprechend des angespannten und unsicheren Marktumfelds in den vergangenen rund zwei Jahren, in dem Venture-Capital-Aktivitäten und Investitionen weltweit insgesamt eher zurückhaltend getätigt wurden, hat auch Henkel seine Corporate-Venture-Capital-Aktivitäten angepasst“, heißt es lediglich. Voriges Jahr beteiligte sich Henkel an dem Medium „Startup Insider“, das letzte Tech-Investment war im Sommer 2022.



Dr. Oetker schuf vor acht Jahren die Tochterfirma Oetker Digital, gründete selbst Projekte wie den Getränkelieferdienst Durstexpress aus. Ende 2020 gelang dem Nahrungsmittelproduzenten dann ein Coup: Dr. Oetker kaufte das Münsteraner Start-up Flaschenpost, Berichten zufolge für rund eine Milliarde Euro. Mit einem Schlag wurden die Bielefelder relevant. Kurz darauf gründete die Gruppe ihren eigenen Fonds Be8 Ventures. Nennenswerte Investments sind dem Corporate-VC aber nicht geglückt – erst recht nicht, seitdem Be8 seinen Investorenchef vor einem Jahr verloren hat. Und auch die Digitalsparte hat ihren Fokus mehr in Richtung interne Projekte verlegt, kümmert sich um Datenaufbereitung und Supply-Chain innerhalb der Gruppe, gründet selbst allerdings keine Unternehmen mehr aus.

von Matthias Hohensee, Anton Riedl

Statistiken zufolge sind Beteiligungen von Unternehmen in den vorherigen zwei Jahren allgemein immens eingebrochen. Im Jahr 2021 gab es laut CB Insights eine Rekordsumme an Deals. Kein Phänomen unter Corporate VCs, sondern bedingt durch die niedrigen Zinsen in der kompletten Gründerszene. Im vorigen Jahr ist die Anzahl der Investments dann im Vergleich zu 2021 weltweit um 30 Prozent gesunken, die Gesamtsumme aller Deals um fast 70 Prozent. Konzerne stellten also weniger Kapital für Start-ups bereit. Das bestätigt PwC-Partner Nöll. Deutsche Mittelständler und Konzerne würden zwar neue Venture-Einheiten ausgründen. „Gerade sind das aber weniger als noch vor der Corona-Pandemie.“

Einzelne Investments mit Schlagkraft

In der Masse tauchen solche Beteiligungen also weniger auf, im Detail beobachtet Nöll allerdings vereinzelte Investments mit Schlagkraft. Ein Beispiel ist das KI-Start-up Aleph Alpha, das vor wenigen Monaten 500 Millionen Euro von unter anderem SAP, Bosch Ventures und der Schwarz Gruppe erhielt. Während einige Corporate VCs wie ZF, Henkel und Dr. Oetker ihre Start-up-Strategie zurückfahren, behalten andere ihre Taktik bei. Die Venture-Einheiten von Porsche und Bosch etwa waren laut CB Insights im vorigen Jahr ebenfalls besonders aktiv.

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Nöll glaubt, dass das Ausharren der Risikokapitalgeber den Mittelständlern und Konzernen gerade in die Karten spielt. Da die Venture-Fonds keinen Zeitdruck für ihre Investments haben, können sie das derzeit schlechte Wirtschaftsklima einfach abwarten. Venture-Capital-Partner bezeichnen sich gern als Herde, die erst losrennt, sobald es jemand anderes macht. Soweit ist es bislang aber nicht gekommen. Dadurch sinken die Bewertungen der Start-ups, weil sie ihre Anteile aufgrund der niedrigen Nachfrage zu günstigeren Preisen anbieten müssen. Diesen Effekt könnten sich Unternehmen in den nächsten Monaten zu eigen machen und zugreifen.

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Auch sei ein Trend hin zu indirekten Investments erkennbar, sagt der PwC-Experte. Unternehmen beteiligen sich seltener direkt an Start-ups, sondern stellen mittlerweile mehr Geld für Wagniskapitalfonds bereits. Dr. Oetker ist ein solches Beispiel. Der Vorteil ist, dass sie auf diese Weise Informationen über junge Tech-Firmen erhalten, die beispielsweise in anderen Ländern sitzen oder Bereiche außerhalb der Kerntätigkeiten abdecken. Und die Arbeit mit den Portfolio-Firmen liegt woanders. So spart man am Ende Personal.

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