




Um markige Worte ist Mark Hurd nie verlegen: „Wir sind auf dem Weg, der größte Cloud-Anbieter zu werden“, sagte der Oracle-Chef Ende des vergangenen Jahres der WirtschaftsWoche. Und legte nach: „Es gibt nur wenige alte Techunternehmen, die auch in der neuen Ära erfolgreich sind. Aber Oracle wird dazugehören.“
Dabei sieht die Realität anders aus, bei Oracle, aber auch bei manch anderem IT-Anbieter: Zwar meldete Oracle im Ende November 2015 abgelaufenen Finanzquartal ein Plus bei den Cloud-Umsätzen von 26 Prozent auf 650 Millionen Dollar. Mit dem Erzrivalen SAP, dessen Cloud-Umsätze im Weihnachtsquartal um 81 Prozent auf umgerechnet 686 Millionen Dollar zulegten, konnte Oracle aber nicht mithalten.
Cloud Computing ersetzt Software
Dass Oracle, SAP, IBM und Co. so sehr auf ihre Cloud-Zahlen bedacht sind, hat einen einfachen Grund: Cloud Computing – der Trend, Software nicht mehr zu kaufen, sondern übers Web zu mieten – ist einer der wichtigsten Wachstumstreiber der IT-Industrie. Die Cloud-Umsätze sollen bis Ende 2016 auf 100 Milliarden Dollar anschwellen, erwartet IT-Marktforscher IDC. Die jährliche Wachstumsrate von rund 20 Prozent ist fünfmal so hoch wie die der Gesamtbranche.





Aus diesem Grund hat IDC-Rivale Gartner in einer kürzlich veröffentlichten Studie die Zahlen der IT-Riesen kritisch unter die Lupe genommen. „Manche Anbieter verkünden seit Längerem irreführende Cloud-Umsätze“, schreiben die Gartner-Analysten David Mitchell Smith und Ed Anderson. „Sie benutzen das Cloud-Wachstum als Marketingtool gegenüber potenziellen Kunden und der Börse.“
Eine Sichtweise, die hiesige Marktbeobachter teilen: „Die IT-Hersteller sind in ihrer Buchführung teilweise recht kreativ“, sagt etwa Axel Oppermann, Chef und Gründer des IT-Analysehauses Avispador aus Kassel. Weil verschiedene Anbieter teils verschiedene Bestandteile in ihre Cloud-Umsätze einrechneten, seien die Zahlen schwer zu vergleichen. „Das wirkt gewissermaßen wie Nebelschwaden in der Wolke“, sagt Oppermann.

So sei es etwa Usus, dass manche IT-Anbieter ihr klassisches Hosting-Geschäft – dabei betreibt der Anbieter eine Software als Dienstleister im eigenen Rechenzentrum und stellt diese dem Kunden per Standleitung zur Verfügung – als Cloud Computing verbuchen. Wieder andere unterscheiden nicht sauber zwischen Leasingmodellen mit Hardwarebestandteilen und Softwaresubskriptionserlösen.
Bestes Beispiel für derartige Verschleierungsstrategien ist Oracle. So monieren die Gartner-Analysten, dass die vermeldeten 650 Millionen Dollar Cloud-Umsätze im zweiten Finanzquartal sogar das „Leasing von Hardware“ umfasst hätten. Mehr noch: „Wir haben von Deals gehört, in denen Wartungserlöse und andere Dinge als Cloud klassifiziert wurden“, schreiben die Autoren Smith und Anderson. „Oracle verwendet zudem den Begriff Subskriptionsumsatz als Synonym für Cloud-Erlöse.“
Der Verschleierungseffekt ist in den Augen der Gartner-Analysten immens: Schließlich waren die ausgewiesenen Cloud-Erlöse praktisch die einzige Oracle-Geschäftssparte, die gewachsen ist. Sowohl das Stammgeschäft mit klassischer Datenbanksoftware wie auch die Hardwaresparte mussten dagegen Umsatzrückgänge verzeichnen. Das bedeutet: „Entweder kannibalisiert das Cloud-Angebot von Oracle die herkömmlichen Produkte, oder es handelt sich nur um eine veränderte Art der Verbuchung – oder eine Mischung aus beiden“, so Smith und Anderson. Oracle ließ mehrere Fragen der WirtschaftsWoche zum Thema mit Verweis auf die laufende Schweigeperiode vor den nächsten Quartalszahlen unbeantwortet.