Wenn von künstlicher Intelligenz die Rede ist, geht es im Kern um lernende Software: Algorithmen, die sich selbst anpassen und so stets verbessern können. Sie lernen aus Versuch und Irrtum, merken sich Lösungen, die funktionieren, und verwerfen, was nicht weiterführt.
Bisher haben nur Menschen und höher entwickelte Tiere diese Fähigkeit. Computer konnten bisher zwar viel, aber nur, was ein Programmierer ihnen vorgab; eigene Entscheidungen trafen sie nicht. „Intelligente, lernfähige Software kann Aufgaben erfüllen, die dem Menschen vorbehalten waren“, sagt Frank Chen, Partner beim Hightechinvestor Andreessen Horowitz. Dazu zählt, selbstständig Probleme zu lösen, wie ein Anwalt, ein Handwerker oder Arzt. „Durch die Kombination von echter Intelligenz mit den Stärken des Computers – etwa Mustererkennung, Statistik und superschnelles Rechnen – wird künstliche Intelligenz fast zur Zauberwaffe“, sagt Chen.
Dazu müssen die lernfähigen Systeme immense Datenmengen in Echtzeit analysieren und daraus Regeln ableiten. „Es war bis vor Kurzem schlicht zu teuer, sie in Konsumgeräte wie Autos oder Smartphones zu integrieren“, sagt Andrew Ng, Leiter der KI-Forschung beim chinesischen Internetriesen Baidu. Doch die Chips, auf denen diese Operationen ausgeführt werden, werden immer besser und billiger. In einem Chip für rund 900 Dollar steckt heute Rechenkapazität, die in den Sechzigern inflationsbereinigt noch 145 Milliarden Dollar kostete. Schon in drei Jahren wird sie für rund zwei Dollar zu haben sein. „Deshalb, und weil die Programme immer wieder auf bereits Gelerntem aufbauen können, verläuft die Lernkurve in der KI exponentiell“, sagt Boi Faltings, Professor für künstliche Intelligenz an der ETH Lausanne. KI-Algorithmen „lernen immer schneller, je länger sie an sich arbeiten“.
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Bald, glaubt etwa Tesla-Chef Elon Musk, werden KI-Algorithmen sich derart schnell selbst optimieren, dass nicht einmal mehr ihre Schöpfer noch überblicken werden, wie sie Lösungen finden und was sie als Nächstes hinzulernen. Weil die Lernkurve exponentiell verläuft, haben die Apple-Manager keine Zeit zu verlieren, auch wenn es noch ein paar Jahre dauert, bis der Markt die versprochenen 100 Milliarden Dollar groß ist.
Einige Unternehmen wenden künstliche Intelligenz bereits im Alltag an. Airbnb etwa steuert so die Zimmervorschläge, die Nutzer bekommen. Auf Pinterest erkennt KI Konsumgüter in den Fotos der User und liefert automatisch den Link zur Verkäufer-Webseite. Hedgefonds wie GAM werten mit KI kursrelevante Daten aus: vom Wetter in Nebraska, das auf den Weizenpreis wirkt, bis zur Umsatzprognose eines schwäbischen Mittelständlers. Start-ups und Medizintechnikkonzerne experimentieren mit Systemen, die Röntgen- und CT-Bilder auswerten oder aus Laborwerten Krankheitsbilder und sogar -prognosen ablesen.
Der Run auf Start-ups und Talente
„Es fällt schwer, sich eine Branche vorzustellen, die nicht von KI überrollt wird“, sagt Forscher Ng. Die Beratung McKinsey schätzt, dass rund 60 Prozent der Arbeitsabläufe in Deutschland und den USA automatisierbar und damit durch KI steuerbar sind. „Überall dort, wo Tätigkeiten gut planbar sind, etwa in der Qualitätskontrolle oder der Lagerlogistik, werden KI-Systeme den Menschen immer weiter zurückdrängen“, sagt Matthias Breunig, Partner bei McKinsey.
Wer nicht selbst entwickelt, kauft zu. Autobauer Ford etwa steckt in den kommenden fünf Jahren eine Milliarde Dollar in das Start-up Argo AI. Das Unternehmen ist gerade mal sechs Monate alt und forscht an künstlicher Intelligenz fürs autonome Fahren. Laut Marktforscher Tracxn wurden allein 2016 mehr als sechs Milliarden Dollar in KI-Start-ups gesteckt, etwa die Hälfte davon in den USA. In den vergangenen fünf Jahren waren es insgesamt 16 Milliarden Dollar. Die ersten Start-ups wurden bereits mit viel Gewinn wieder weiterverkauft. Die Käufer: Facebook, Amazon, Microsoft und Intel, allen voran aber Google.