Gerade mit der Rekrutierung des Personals hilft der Bayer den WG-Mitgliedern. Denn überall im Reich der Mitte steigen die Löhne, zugleich schrumpft infolge der Westwanderung der Unternehmen die Zahl qualifizierter Arbeitskräfte in östlichen Küstenregionen wie Shanghai und Kunshan. 2011 nannten neun von zehn deutschen Unternehmen dies als ihre größte Herausforderung in China.
Ganz anders Reitmeier: „Wir haben kaum Probleme, qualifiziertes Personal zu finden.“ Arbeiter in Kunshan verdienten zwar mehr als ihre Kollegen 1000 Kilometer weiter westlich. Aber dafür seien sie auch deutlich besser ausgebildet. Ohnehin fielen für die hoch spezialisierten Mittelständler aus Deutschland die Lohnkosten nur gering ins Gewicht. Viel wichtiger seien gut ausgebildete Fachkräfte und eine funktionierende Infrastruktur vor Ort.
Die deutsche Startup-Factory liegt perfekt unweit der Metropolen Shanghai und Nanjing. Mit einem jährlichen Bruttoinlandsprodukt von 20.000 US-Dollar pro Kopf gehört Kunshan zu den reichsten Städten Chinas, der Landesdurchschnitt liegt bei gut 5000 US-Dollar. Die Stadt rühmt sich guter Lebens- und Arbeitsbedingungen. Das Ambiente prägen wie in nahezu allen chinesischen Großstädten gewaltige Hochhäuser, mehrspurige Straßen und Luxusboutiquen in der City.
Avantgarde Chinas
„Früher stand hier ein landwirtschaftlich geprägtes Dorf. Dann kamen die großen Fabriken und die Wanderarbeiter. Heute setzen wir auf Forschung und Entwicklung und Umweltfreundlichkeit“, sagt Wang Wen aus der Bezirksregierung. Wang trinkt Kaffee, für einen Chinesen in etwa so ungewöhnlich wie für einen Deutschen, an Hühnerfüßen herumzukauen. Doch es passt – Kunshan gilt in China schließlich als Avantgarde.
So gründete die Stadt im Jahr 2000 eine „Export Processing Zone“. Auf dem Gelände konnten alle Waren – ähnlich einer Freihandelszone – zollfrei eingeführt, in Kunshan verarbeitet und anschließend wieder exportiert werden. So versucht Kunshan, sich von der Schwerindustrie weg zum High-Tech-Standort zu entwickeln. Funktionär Wang reiste kürzlich gar nach Dortmund, um Strukturwandel zu studieren.