WirtschaftsWoche: Herr Schöffel, vor fast einem Jahr haben Sie Ihrem Outdoor-Unternehmen mit der Gründung eines zweiten Geschäftsbereichs namens Schöffel Pro eine neue Struktur verpasst. Wie läuft das neue Geschäft mit Arbeitskleidung?
Peter Schöffel: Schöffel Pro ist heute vom Umsatz her noch unbedeutend. Aber als eigene Säule wird der Bereich in den nächsten Jahren mit schönem Wachstum schon zum Unternehmenserfolg beitragen. Das macht richtig Freude. Arbeitsbekleidung ist auch eine weniger konjunkturabhängige Branche als unser Kerngeschäft Outdoor, Ski und Bike. Unsere Grundüberlegung bei Schöffel Pro war: Wir wollen den Unternehmen in Sachen Wertschätzung Produkte an die Hand geben, die die Mitarbeiter aufwerten.
So wie Engelbert Strauss, der deutsche Marktführer? Dessen Vorsprung dürfte erheblich sein.
Zweifellos, aber Größe ist nicht so entscheidend. Wir wollen qualitativ der Beste sein, auch wenn das Produkt dadurch etwas teurer wird. Es ist ein individuelles Angebot, bedient genau das jeweilige Corporate Design. Man kann seinen Mitarbeitern einen VW hinstellen – oder einen Audi.
In welchen Branchen statten Unternehmen ihre Mitarbeiter mit Schöffel-Arbeitskleidung aus?
Ich möchte ungern Namen nennen. Unter unseren Kunden sind Bergbahnbetreiber, Café-Ketten, Tiefbau-Unternehmen. Typische Mittelständler. Auch Medienunternehmen sind interessant. Fernsehleute müssen raus bei jedem Wetter: Die drehen bei Regen, bei Wind. Da brauchen sie wasser- und winddichte Hosen und Fleece.
Zur Person
Peter Schöffel (60) ist seit 1995 geschäftsführender Gesellschafter des bayerischen Bekleidungsherstellers Schöffel, das sich auf Bergwander- und Skiausrüstung spezialisiert hat. Das Familienunternehmen wurde 1804 von Georg Schöffel in Schwabmünchen gegründet, etwa 24 Kilometer südlich von Augsburg. Heute beschäftigt Schöffel etwa 230 Mitarbeiter und setzt rund 85 Millionen Euro um.
Vor Corona hatte Schöffel knapp 100 Millionen Euro – und dann 15 Prozent weniger. Wie lief das Jahr 2022?
Unser Ziel war: Wir wollen 2022 den Umsatz wieder dorthin bringen, wo wir 2019 waren. Das werden wir – Stand heute – schaffen.
Eines Ihrer größten Beschaffungsländer ist Vietnam. Dort hatten Sie im ersten Corona-Jahr große Probleme mit der Ware. Wie ist es heute?
Die Lage hat sich mit Blick auf die Lieferfähigkeit – Gott sei Dank – entspannt. Vor einem Jahr lautete die Ansage: Beschaffungsketten sind überlastet. Ohne extrem frühe Disposition von Stoffen, Reißverschlüssen und Fertigungskapazitäten gab es keine Produktion. Dies hat das Dispositionsrisiko enorm vergrößert, weil wir Winterproduktionen schon im September2021 gekauft haben, teilweise bevor wir die finalen Prototypen gesehen hatten, geschweige denn die Händler. Deren Orders kamen erst im Januar 2022, wir mussten uns jedoch bereits im September konkret bis auf Farbe und Größe pro Modell festlegen.
Sie mussten also darauf hoffen, dass sich Ihre Vorbestellungen halbwegs mit den Ordern der Händler decken.
Richtig. Und dann kam auch noch der Krieg in der Ukraine, dann kam die Inflation. Die weltweite Konsumentennachfrage kühlt derzeit leicht ab. Jetzt schieben alle Branchen diese riesigen Warenberge an Fernsehern, Fahrrädern und Textilien auf die Märkte. Das trifft natürlich auch unsere Branche. Da kann einem bange werden. Aber ich bin grundsätzlich zuversichtlich, was das Thema Outdoor angeht, weil es einfach ein Grundtrend ist. Wir stellen auch fest: Die rein digitalen Händler leiden derzeit stärker als der stationäre Fachhandel.
Wie viel verkaufen Sie online?
Digital generieren wir über alle Kanäle etwa ein Drittel des Umsatzes. Vor Corona waren es 15 Prozent. Also eine Verdoppelung binnen drei Jahren. Unser mit Abstand wichtigster Vertriebskanal ist und bleibt aber der stationäre Sportfachhandel mit etwa 50 Prozent. Und an den Standorten, an denen es keine geeigneten Fachhändler gibt, haben wir Franchise- und eigene Geschäfte, zusammen mit dem Wander- und Bergschuhhersteller Lowa.
Seit einiger Zeit kommunizieren Sie verstärkt Ihre Anstrengungen für das große Thema Nachhaltigkeit, zuletzt etwa wieder durch das neue Label „Echo“. Andererseits produziert Schöffel auch Bekleidung fürs Skifahren, was einen zweifelhaften ökologischen Ruf hat. Wie passt das zusammen?
Ich halte es für falsch, Nachhaltigkeit dahingehend zu Ende zu denken, dass es auf totalen Konsumverzicht hinausläuft. Weil in dem Moment, in dem ich irgendetwas konsumiere, verbrauche ich nun einmal Ressourcen. Gemeinsam mit führenden Destinationen im Skisport treiben wir dennoch Nachhaltigkeit voran. So bieten wir beispielsweise in ausgewählten Testmärkten Skibekleidung zum Mieten statt zum Kaufen an, ein Geschäftsmodell, dem wir eine gute Zukunft geben.
Das Nachhaltigste wäre gar kein Konsum.
Richtig. Das kann aber nicht die Lösung sein. Ich glaube fest an Innovation statt an Verbote. Wenn es uns gelingt, den Menschen die Schönheit der Natur nahezubringen, kann dies nicht falsch sein. Denn wenn ich die Natur gar nicht kenne, dann weiß ich auch nicht, was ich verliere. Dann komm ich aber schnell zu einem Punkt, an dem ich für mein Unternehmen pragmatisch werde: Wir allein werden die Welt nicht retten. Wo also anfangen? Natürlich bei uns selbst. Ich habe den Anspruch, nur Geschäfte zu machen, die ich mit unserem Wertegerüst vereinbaren kann – andernfalls lasse ich es lieber. Also stelle ich mir die Frage: Wo will ich denn hin? Und bei der Antwort und mehr noch bei der Umsetzung wird es recht schnell kompliziert.
Kompliziert?
Wenn man mal von den schönen Schlagworten wegkommt, bedeutet Nachhaltigkeit für jedes Unternehmen brutale strategische Zielkonflikte.