Seit gut zwei Jahren ist die Fertigung in Göppingen auch für Besuchergruppen geöffnet. Angst vor Industriespionage hat der Chef nicht. „Was wir hier machen, ist nicht kopierbar“, sagt Florian Sieber, während er durch die hauseigene Galvanik führt, wo die Gußteile mit einer Schicht aus Schwarznickel überzogen werden, damit die Farbe später hält. Konkurrenz aus Fernost? Sieber winkt ab. „Das können die Chinesen nicht.“ Das dem so ist, musste Märklin schmerzlich selbst erfahren.
Vor ein paar Jahren verlagerten die Schwaben Teile der Fertigung nach China. Unter den Folgen leiden die Marke und ihre Sammler noch immer. Die Qualität blieb weit hinter den Erwartungen zurück, Reklamationen häuften sich, die Auslieferung angekündigter Modelle wie etwa der Serie Mini-Trix verzögert sich bis heute um mehr als ein Jahr. Schon bevor Sieber die Regie in Göppingen übernahm, hat Märklin mit dem Rückzug aus China begonnen. „Jede Lokomotive, die wir aus China zurückholen, wird zu 30 bis 40 Prozent in Göppingen gefertigt werden“, sagt Sieber.
Märklin auf einen Blick
Theodor Friedrich Wilhelm Märklin begann 1859 mit dem Bau von Puppenküchen.
In Göppingen und Ungarn werden im Jahr 500.000 Lokomotiven und zwei Millionen Wagen der Marken Märklin, Trix und LGB gefertigt.
2011 steigerte das Unternehmen seinen Umsatz leicht um 1,6 Prozent auf 108,77 Millionen Euro und legte beim Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) um 12,6 Prozent auf 12,36 Millionen Euro zu.
80 Prozent des Umsatzes generiert Märklin über Neuheiten. Rund ein Viertel des Jahresumsatzes entfällt auf das Weihnachtsgeschäft. Der Großteil seiner Erlöse erwirtschaftet Märklin im Inland – nur gut 15 Prozent entfallen auf das Auslandsgeschäft.
2006 stiegen der Finanzinvestor Kingsbridge und Goldmann Sachs bei Märklin ein und bewahrte den Traditionshersteller vor der drohenden Pleite. Der Sanierungsplan hatte allerdings deutliche Schwächen. 2009 musste Märklin Zahlungsunfähigkeit melden. Im Nachhinein stellte sich heraus, dass allein im Jahr 2007 rund 13 Millionen Euro für Beraterhonorare geflossen waren – mehr als zehn Prozent des Gesamtumsatzes des Jahres 2007 von 126 Millionen Euro.
2009 – im Jahr seines 150-jährigen Bestehens – meldet Märklin Insolvenz an. Insolvenzverwalter Michael Pluta bringt Märklin wieder auf Kurs. Im Dezember 2011 hebt das Amtsgericht Göppingen das Insolvenzverfahren auf und erklärt einen zwischen den Gläubigern und Pluta ausgehandelten Insolvenzplan für rechtskräftig.
Insolvenzverwalter Pluta verkleinerte die Spitze von ehemals drei Geschäftsführern und 14 Managern auf einen Geschäftsführer und sechs leitende Manager. Bonuszahlungen gibt es seither nur noch, wenn das Unternehmen Gewinn macht. Mehr als 400 Mitarbeiter wurden entlassen. Zwei von vier Standorten wurden geschlossen. 13 Bereiche wurden zu fünf zusammengefasst. Aktuell beschäftigt Märklin noch rund 1000 Mitarbeiter. Stefan Löblich übernahm 2010 die Geschäftsführung – zu diesem Zeitpunkt war er der fünfte Märklin-Chef in fünf Jahren.
Märklin will Sammler und Kinder für die Modelleisenbahn begeistern. Dafür will der Mittelständler den Fachhandel neu beleben, aber auch über diesen hinaus wieder sichtbarer werden. Derzeit gibt es rund 800 Modellbahnfachhändler, die in der Märklin-Händler-Inititiative (MHI) zusammengeschlossen sind.
Bis 2019 gibt es für die verbliebenen 485 Göppinger Märklin-Mitarbeiter eine Beschäftigungsgarantie. Aber auch danach, verspricht Sieber, soll sich keiner um seinen Arbeitsplatz sorgen müssen. Im Gegenteil: „Wir wollen, dass das Wissen, das die Mitarbeiter hier über Jahrzehnte aufgebaut haben, auch weitergegeben wird. Die natürliche Fluktuation werden wir mit eigenen Auszubildenden ausgleichen, und sie hier am Standort Göppingen halten.“ Aber natürlich investiere man auch in Automatisierungstechnologien und Robotersysteme, damit das Gesamtkonstrukt Märklin wettbewerbsfähig bleibe, ergänzt Sieber.
Am zweiten Produktionsstandort im ungarischen Gyor soll die Zahl von derzeit rund 600 auf 650 Mitarbeiter wachsen. Leiharbeiten sollen in Festanstellungen übernommen werden.