Der Aufruf zum Showdown kommt von Amts wegen: Jörg Schröder, Vorsitzender Richter am Bielefelder Landgericht, hat persönliches Erscheinen angeordnet. Damit stehen sich am Montag, 7. März, Clemens Tönnies, der Chef des gleichnamigen Fleischkonzerns und Schalke-04-Boss, sowie sein Neffe Robert Tönnies erneut vor Gericht gegenüber.
Seit Jahren verfolgt die Öffentlichkeit die Fehde der beiden um die Mehrheit an dem 5,6 Milliarden Euro schweren Fleischkonzern in Rheda-Wiedenbrück, der dem Onkel und dem Neffen zu gleichen Teilen gehört. Doch nun schlägt Richter Schröder ein bislang weitgehend unbeleuchtetes Kapitel auf, das den Ausgang des Streits maßgeblich beeinflussen könnte. Thema vor Gericht soll nun der Familienstreit um den „Komplex Heuweg-Center“ sein, heißt es in einem Schreiben des Gerichts, das der WirtschaftsWoche vorliegt.
7,5 Millionen Euro Streitwert
Zum Heuweg-Center gehören zwei Grundstücke in Weißenfels bei Leipzig, eines davon ist mit einem Einkaufscenter bebaut. Die Grundstücke hatten Clemens Tönnies und sein 1994 verstorbener Bruder Bernd, der Vater von Robert Tönnies, 1990 gekauft. Clemens Tönnies soll Roberts Mutter, die den überwiegenden Teil der Grundstücke geerbt hatte, beim Verkauf dieser Immobilien 1996 vorsätzlich und massiv geschädigt haben. Davon jedenfalls will Robert das Gericht überzeugen.
Hinter dem Vorwurf steckt mehr als der Streit um einige Millionen Euro. Robert sieht in der angeblichen Schädigung seiner Mutter einen weiteren Hebel, von Clemens Tönnies einen fünfprozentigen Anteil am Schlachtkonzern zurückzubekommen. Roberts Vater und sein Onkel Clemens hatten das Unternehmen 1971 zwar gemeinsam gegründet. Doch die Familie von Roberts Vater hatte die Mehrheit an der Firma. 2008 ließ sich Robert von Clemens breitschlagen und schenkte ihm fünf Prozent der Anteile. Seitdem halten Neffe und Onkel je 50 Prozent – und der 23 Jahre ältere Schalke-Boss bestimmte den Kurs des Konzerns.
Robert will diese Schenkung seit rund vier Jahren widerrufen und wirft Clemens wo immer möglich vor, sich undankbar verhalten und damit die Fünf-Prozent-Gabe verwirkt zu haben. Bisher jedoch scheiterte Robert damit. Die Wende zu seinen Gunsten soll nun das Heuweg-Center bringen.
Fronten verhärten sich weiter
Als Clemens und Roberts Vater die Grundstücke 1990 kauften, standen auf dem einen Teil des Geländes alte Lagerhallen. Deren Untergrund musste aufwendig von Quecksilberaltlasten befreit werden. Auf dem anderen Teil befindet sich heute ein Einkaufscenter. Nach dem Tod ihres Mannes hatte Roberts Mutter Evelin das Gelände mit den Hallen sowie 60 Prozent des zweiten Grundstücks geerbt. Onkel Clemens bekam davon die übrigen 40 Prozent. Doch dann, so behauptet Robert, soll der Testamentsvollstrecker seines Vaters der Mutter nahegelegt haben, sie könne die Finanzierungslasten der geerbten Grundstücke nicht mehr tragen, ihr drohten die Zwangsverwertung sowie die Privatinsolvenz.
Clemens Tönnies weist das zurück. Die finanziellen Lasten seien im Vergleich zum restlichen Vermögen der Schwägerin deutlich zu hoch gewesen. Das habe diese selbst erkannt und sich durch den Verkauf entschulden wollen.
Nach Roberts Überzeugung jedoch betrieb der Testamentsvollstrecker insgeheim das Geschäft von Clemens Tönnies. 1996 verkaufte Roberts Mutter das Grundstück mit dem Einkaufscenter jedenfalls an Clemens Tönnies persönlich sowie das kontaminierte Grundstück an die Firma Tönnies. Erst 2012, als sich Robert und Clemens Tönnies vor Gericht um die Mehrheit zu streiten begannen, habe sich herausgestellt, dass der Kaufpreis für das Grundstück, auf dem das Einkaufscenter steht, viel zu niedrig angesetzt worden sei.
Außergerichtliche Einigung ist wohl vom Tisch
Seine Anschuldigung stützt Robert unter anderem auf ein Gutachten über den Verkehrswert der Immobilie, auf der heute das Einkaufscenter steht. Danach soll der Grundstücksanteil, den Roberts Mutter geerbt hatte, zum Stichtag 27. Dezember 1996 einen Wert von umgerechnet gut 17 Millionen Euro gehabt haben. Clemens zahlte Roberts Mutter jedoch nur zehn Millionen. Auf die Weise habe Clemens seine Schwägerin, die mit Immobiliengeschäften nicht vertraut gewesen sei, geschädigt, behauptet Robert.
Die Clemens-Seite weist das zurück und bezweifelt das Gutachten. Die zehn Millionen hätten damals eine angemessene Bewertung dargestellt. Nach dem Immobilienboom zu Beginn der Neunzigerjahre in Ostdeutschland seien 1996 viele Grundstückseigner froh gewesen, überhaupt einen Käufer zu finden.
Damit ist eines klar: Vor dem Gerichtstermin haben sich die Fronten weiter verhärtet. In der Schlacht der Metzger ist eine außergerichtliche Einigung, die kurze Zeit möglich schien, unwahrscheinlicher denn je.