NS-Vergangenheit der Quandts "Man fühlt sich grauenvoll und schämt sich"

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"Großmutter Magda hat im Führerbunker ihre sechs Kinder getötet"

Ihre Familienloyalität in Ehren: Können Sie jetzt zugeben, dass diese Äußerungen unglücklich waren?

Stefan Quandt: Ja, das waren sie. Ich sehe in Deutschland keinen Zeitpunkt, zu dem wir sagen könnten: Wir sollten über die NS-Zeit nicht mehr nachdenken, nicht mehr reflektieren. Es kann aber auch nicht sein, dass sich dieses Land nur über die zwölf Jahre Nationalsozialismus definiert.

Was ja auch niemand tut. Für Außenstehende ist allerdings schwer nachvollziehbar, warum Sie Ihre Familiengeschichte erst 66 Jahre nach Kriegsende aufarbeiten.

Gabriele Quandt: Für unsere Familienhälfte spielt eine Rolle, dass wir den Schmerz unseres Vaters über seine Mutter miterlebt haben...

...das war Ihre Großmutter Magda Goebbels, die in erster Ehe mit Günther Quandt verheiratet war.

Gabriele Quandt: Magda hat im Führerbunker ihre sechs Kinder getötet. Unser Vater hat diese Halbgeschwister sehr geliebt. Und wenn man wie ich so etwas in seiner Familiengeschichte hat, dann denkt man: Schlimmer kann es nicht sein. Das ist die erste Wand, gegen die man rennt, wenn man darüber nachdenkt, aus welcher Familie man kommt. Damit hat man schon ein Päckchen zu tragen. Wenn man dann noch liest: Großvater war ein Mitläufer – okay.

Günther Quandts zweite Ehefrau heiratete später Reichspropagandaminister Joseph Goebbels Quelle: Creative Commons, Bundesarchiv, Bild 183-R32860 / CC-BY-SA

Sie meinen, verglichen mit seiner zweiten Ehefrau, war der Rüstungsfabrikant Günther Quandt der Gute?

Gabriele Quandt: Auf jeden Fall der Bessere.

Hat Ihr Vater Harald Quandt mit Ihnen über seine Mutter und über Goebbels gesprochen?

Gabriele Quandt: Überhaupt nicht. Genauso wenig wie, glaube ich, die meisten Väter dieser Generation. Ich wusste, dass er im Krieg Fallschirmjäger gewesen war. Ich habe ihn gefragt: Was heißt das, Fallschirmjäger? Heißt das, du sitzt im Gebüsch und schießt Fallschirmspringer ab? Da hat er auch gesagt, dass er nicht darüber reden will.

Die Geschichte der Quandts
Die Anfänge Quelle: Aus: Joachim Scholtyseck: Der Aufstieg der Quandts
Erster Weltkrieg Quelle: Aus: Joachim Scholtyseck: Der Aufstieg der Quandts
Luftrüstung Quelle: Aus: Joachim Scholtyseck: Der Aufstieg der Quandts
NS-Regime Quelle: Aus: Joachim Scholtyseck: Der Aufstieg der Quandts
Zwangsarbeit Quelle: Privat, aus: Joachim Scholtyseck: Der Aufstieg der Quandts
Nachkriegszeit Quelle: Aus: Joachim Scholtyseck: Der Aufstieg der Quandts
Eine Generation weiter Quelle: Aus: Joachim Scholtyseck: Der Aufstieg der Quandts

Haben Sie mehr gefragt?

Gabriele Quandt: Nicht sehr viel. Ich war vierzehn, als mein Vater 1967 starb. Damals war man mit vierzehn noch ein ziemlich kleines Mädchen. Da fing das mit dem Fragen gerade erst an. Ich habe ihn aber mal gefragt: Hast du eigentlich so viele Kinder, weil Magda so viele Kinder umgebracht hat? Da bekam ich dann wieder mitgeteilt, dass über dieses Thema nicht gesprochen wird.

Ihr Vater war in den dreißiger Jahren das Vorzeigekind des "Dritten Reichs" und auf vielen Bildern mit Goebbels und auch Hitler zu sehen. Welches Bild hatten Sie von ihm?

Gabriele Quandt: Er war unser Vater, der viel Quatsch mit uns gemacht hat, aber auch sehr streng sein konnte. Ein guter Kindervater. Ich habe ihn auch später nicht als Repräsentanten der Nazizeit gesehen, sondern eher als ein Opfer, dessen Mutter seine Geschwister und sich selbst umgebracht hat und der darunter gelitten hat. Das haben wir als Kinder schon gespürt.

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