Pharma Mercks umstrittener Managerkauf

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Erstarrungsprozess von Quelle: dpa

Doch das reichte nicht. Merck musste Rückschläge verkraften. Der Konzern wollte das erfolgreiche Krebsmedikament Erbitux – das ursprünglich vom US-Unternehmen Imclone stammt und von Merck einlizenziert wurde – auch gegen Lungenkrebs anbieten. Doch die europäische Zulassungsbehörde EMEA verweigerte vor zwei Jahren die Zulassung, weil ihr der Nutzen zu gering erschien. Gleichfalls fiel auch die Multiple-Sklerose-Pille Cladribin bei den Behörden durch. Die Prüfer verlangten weitere jahrelange Studien für die Tablette, die bei Merck schon als potenzieller Blockbuster mit Milliardenumsätzen galt.

Die Darmstädter hatten zur Verwunderung einiger Fachleute auf eine wichtige Studie zu Cladribin verzichtet und stattdessen entsprechende Daten des US-Konzerns Johnson & Johnson übernommen, der die Entwicklung von Cladribin einst auf den Weg gebracht hatte. Dieses Vorgehen sei mit den Behörden abgestimmt gewesen, argumentiert Merck.

Das Cladribin-Desaster dürfte Pharma-Chef Schnee den Job gekostet haben, auch wenn der Schweizer offiziell „aus persönlichen Gründen“ kündigte. Intern klagten Merck-Manager, Schnee sei in Darmstadt zu wenig präsent gewesen. Er führte das Pharmageschäft vor allem von seiner Schweizer Heimat aus.

Zwei Frauen für Merck

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Im Januar dieses Jahres übernahm Stefan Oschmann die Leitung des Pharmageschäfts. Der promovierte Tiermediziner hatte zuvor mehr als zwei Jahrzehnte lang für den US-Namensvetter Merck & Co. gearbeitet, der mit den Darmstädtern außer dem Namen nichts mehr gemein hat. Während Schnee vieles laufen ließ, handelte Oschmann schnell. Er kündigte erneut an, Bürokratie abzubauen und Kosten zu senken. Vor allem tauschte er gemeinsam mit Kley in rascher Folge das Personal aus. Zuweilen verkündeten beide im Wochentakt die Verpflichtung neuer externer Manager. Es ging zu wie bei einem Fußball-Bundesligaklub kurz vor Ende der Transferperiode – in dem Metier kennt sich Kley als Aufsichtsratsvorsitzender des 1. FC Köln aus.

Wenige Wochen nach Oschmanns Amtsantritt gingen US-Chef Fereydoun Firouz, dessen Geschäft sich nicht wie erhofft entwickelt hatte, und Roberto Gradnik, der unter anderem für das Multiple-Sklerose-Geschäft mit dem Flop Cladribin verantwortlich zeichnete. Beide stammten noch aus der alten Führungsriege von Serono.

Vor allem zwei Frauen sollen nun das Pharmageschäft voranbringen. Oschmann engagierte die Britin Annalisa Jenkins als neue Entwicklungschefin. Sie kommt vom US-Konzern Bristol-Myers Squibb und diente einst als Stabsärztin bei der britischen königlichen Marine. Die Spanierin Belen Garijo, zuvor in Diensten des französischen Sanofi-Konzerns, soll sich um das operative Tagesgeschäft kümmern und vor allem das Medikamenten-Marketing koordinieren.

Das Geschäft mit rezeptfreien Medikamenten wie dem Nasenspray-Klassiker Nasivin leitet künftig Udit Batra, ein Inder mit US-Pass, der von der Schweizer Novartis kommt. Unter Vorgänger Peter Shotter war die Sparte dahingedümpelt, während etwa Konkurrent Bayer mit rezeptfreien Pillen hohe einstellige Wachstumsraten erzielte. Vor allem auf dem Zukunftsmarkt China schwächelte Merck.

„Hinter den Kulissen laufen im Konzern noch zahlreiche weitere Entlassungen und Umbesetzungen“, sagt ein Merck-Insider.

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