Digitalisierung bei deutschen Versicherern „Natürlich wird es Jobverluste geben“

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„Es ist die deutsche Ingenieursmentalität“

Wie funktioniert eine digitale Bearbeitung von Schadenfällen in der Kfz- oder Hausratversicherung bestenfalls?
Man kann heute über KI-basierte Vorhersagemodelle ziemlich genau bestimmen, wann ein Schadenfall unproblematisch ist und kann dann die Auszahlung an den Kunden direkt anstoßen. In diesen Fällen muss keiner mehr auf Belege und Rechnungen schauen, das machen Maschinen. Das Geld wäre in wenigen Stunden beim Kunden.

Klingt, als könnten in dem Bereich in den kommenden Jahren reichlich Arbeitsplätze wegfallen.
In der Konsequenz wird es natürlich Jobverluste geben. In der Vergangenheit war das primäre Ziel der Versicherer die Reduktion des Schadenaufwands. Da haben die Unternehmen mehrstufige Prüfverfahren aufgebaut, haben Gutachter und Belegprüfer beschäftigt, haben hin und wieder auch noch einen Sachverständigen rausgeschickt, um die Schadenquote zu optimieren. Das ganze Geschäftsmodell war auf Misstrauen aufgebaut. Das ändert sich jetzt – heute rückt die Kundenzufriedenheit mehr und mehr in den Fokus. Die Unternehmen fragen sich daher, ob sie diese mehrstufigen Prüfsysteme überhaupt noch brauchen.

Was ist nun mit Jobverlusten?
Wir gehen bei der Schadenversicherung von Automatisierungsquoten in Höhe von 30 bis 80 Prozent aus. Gutachter und Prüfer können durch die Digitalisierung viel zielgerichteter eingesetzt werden. Man braucht aber auch viel weniger von ihnen.

Manche Versicherer haben eine völlig veraltete IT-Infrastruktur. Wie problematisch ist das?
Mehr als die Hälfte der Versicherer hierzulande sitzen auf veralteten IT-Systemen. Viele von ihnen wissen auch, dass sie mit ihren Altsystemen nicht weiterkommen, die sind schlicht nicht zukunftsfähig. Einige Unternehmen holen sich externe Dienstleister wie Guidewire, um ihre IT zu modernisieren. Andere wiederum geben Teilprozesse wie die Schadenabwicklung bei Kfz- und Gebäude-Versicherungen an Dritt-Anbieter.

Ist das IT-Thema ein speziell deutsches Problem?
Es ist die deutsche Ingenieursmentalität. Ein System hierzulande muss immer 100 Prozent der Fälle abdecken. Die Amerikaner, auch die Skandinavier, sind da viel pragmatischer. Da genügen oft auch 80 Prozent.

Funktioniert bei deutschen Versicherern die Auszahlung der Versicherungssumme am selben Tag schon?
Im Moment noch nicht. Aber wir haben Pilotprojekte mit einigen deutschen Versicherern und gehen davon aus, dass das System im kommenden Jahr starten kann.

Wie stark wächst Ihr Geschäft im digitalen Schadenmanagement?
Wir kommen da zurzeit auf Zuwächse von 15 bis 20 Prozent im Jahr. Ich bin zuversichtlich, dass es auch in den kommenden Jahren so weitergehen wird.

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