Elektromobilität: Hält das Stromnetz dem E-Auto-Boom stand?

Infrastruktur: Vier Tesla-Schnelllader bringen einen Ortsnetztrafo an seine Grenzen.
Ein Kongress in Karlsruhe. Es geht um Ideen, wie Menschen und Güter künftig von einem Ort zum anderen kommen, um die „Mobilität von morgen“: Car-Sharing, selbstfahrende Busse, Minitaxis und Dreiräder, die Päckchen ausliefern. In den Vorträgen der Zukunftsforscher sind die Fahrzeuge natürlich alle elektrisch unterwegs.
Je länger Martin Reiter zuhört, desto unruhiger wird er. Dass keiner von den 20 Rednern auch nur ein Wort darüber verliert, wie der Strom die vielen neuen E-Fahrzeuge erreichen soll, das kann er nicht begreifen: „Niemand plant das.“
Reiter ist Geschäftsführer eines städtischen Stromversorgers. Er heißt eigentlich anders, will aber seinen Namen nicht mehr in der Zeitung lesen. Reiter ist dafür zuständig, dass die Einwohner in seiner süddeutschen Großstadt exakt die Strommengen bekommen, die sie gerade benötigen. Er leitet einen von 880 Verteilnetz-Betreibern, die die Energie auf die letzte Meile bringen, vom Trafo bis zum Hausanschluss. „Wir wissen derzeit weder wann noch wo wir demnächst viel Strom für die E-Mobilität benötigen“, sagt Reiter: „Wir wissen nur, dass wir viel Strom brauchen.“
Dass die Elektromobilität Fahrt aufnimmt und sich langfristig durchsetzen wird – daran zweifelt fast niemand mehr. Die Autoindustrie hat sich der E-Moderne lange verweigert. Doch GM, Ford, Renault-Nissan, aber auch VW und Daimler – sie alle bereiten sich mit Elektroplattformen auf die Massenfertigung vor. Die neuen Modelle werden größere Reichweiten haben, erschwinglicher sein – und dem auch politisch diskreditierten Diesel den Rang ablaufen. Selbst der ADAC rät seinen Mitgliedern inzwischen vom Kauf neuer Diesel ab. 2025 rechnen Studien mit drei Millionen E-Autos in Deutschland. 2040 könnten es 20 Millionen sein – jeder zweite Pkw.
Das Problem ist die letzte Meile
Gibt es aber überhaupt genügend Strom für all diese E-Autos? Und vor allem: Bekommt man den Strom mit ausreichend Leistung immer und rechtzeitig dahin geliefert, wo er gerade benötigt wird? Mit dieser Frage hat sich in den deutschen Behörden noch kaum jemand beschäftigt. Ausgerechnet im Land der Planungsfanatiker fehlt es an einem Fahrplan für die Ladeinfrastruktur und deren Stromversorgung. Bleibt es bei diesem Zögern und Zaudern, droht es teuer zu werden mit dem Ausbau der E-Mobilität.
Nicht nur Reiter fürchtet, dass blauäugige Behörden den sauberen Verkehrsfluss im 21. Jahrhundert aufs Spiel setzen, nicht nur er fühlt sich allein gelassen. „Wenn ich wüsste, an welchen Stellen ich in zehn Jahren in meiner Stadt am besten 50.000 E-Autos versorgen kann, wäre die nötige Netzoptimierung beherrschbar und nicht sehr teuer“, sagt der Strommanager. Im Schnitt werde schließlich „alle fünf Jahre irgendwo etwas aufgebuddelt“.
Bei der nächsten Buddelei ein dickeres Kabel mit reinzulegen, verursache kaum Mehrkosten; die entstehen zu 90 Prozent durch die Grabearbeiten. Aber der Stadtwerkemanager hat buchstäblich keinen Plan. Weil Stadtplaner das Thema ignorierten. Weil Politiker entschiedene Schritte vermieden. Weil Verwaltungen sich vor verbindlichen Vorgaben drückten.

Deutschland
Trotz Feinstaub-Alarm und drohenden Fahrverboten: Zu einer verbindlichen E-Autoquote konnte sich Deutschland bislang nicht durchringen. Das Ziel der Bundesregierung, bis 2020 eine Millionen E-Autos auf die deutschen Straßen zu bringen, ist wohl nicht mehr zu erreichen – trotz Subventionen beim Kauf, Steuererleichterungen bei der Kfz-Steuer, finanziellen Anreizen und sonstigen Vergünstigungen. Bisher beträgt der Anteil an E-Autos 1,8 Prozent – in fast keinem Land ist er geringer.

Italien
Kaum besser als in Deutschland sieht es in Italien aus: Von einer Ablehnung von Verbrennungsmotoren ist dort nichts zu spüren: Sogar der in anderen Ländern mittlerweile eher verschmähte Diesel konnte im vergangenen Jahr seinen Marktanteil ausbauen. Pläne für E-Auto-Quoten gibt es bisher nicht, doch Käufer dürfen sich beim Kauf über Subventionen und Steuervorteile freuen. Der Anteil an E-Autos liegt bei 2,2 Prozent.

Österreich
Stau bei Salzburg: Auch im Nachbarland sind E-Autos noch eine Seltenheit. Bisher sind 2,6 Prozent der Autos auf Österreichs Straßen batteriebetrieben. Pläne, Verbrennungsmotoren zu verbieten, gibt es bislang nicht. Doch die österreichische Regierung stellt einige Vorteile für den E-Auto-Kauf in Aussicht: Es gibt nicht nur Subventionen beim Kauf und Steuererleichterung bei Kfz- und Mehrwertsteuer, sondern auch Anreize wie freies Parken und die Benutzung von Bus- und Taxispuren.

Spanien
Auch in Spanien gibt es keine verbindlichen Regeln für die Zahl der Elektroautos. Immerhin – in Madrid parken E-Autos innerhalb der Ring-Autobahn-Gratis. Außerdem gibt es dort Subventionen und Steuervorteile für Fahrer von E-Autos. Immerhin haben 3,0 Prozent der Autos einen Elektromotor.

Großbritannien
Die berühmten London-Taxis haben einen Verbrennungsmotor unter der Haube – ebenso wie die große Mehrheit der in Großbritannien zugelassenen Autos: Nur 3,3 Prozent fahren elektrisch. Immerhin sollen ab 2040 dort keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr verkauft werden. Anreize wie Subventionen und Steuervorteile gibt es bereits.

Frankreich
Rush Hour in Paris: In Frankreich steht seit Juli der Plan, dass ab 2040 keine Benziner oder Dieselautos mehr verkauft werden dürfen. Staatliche Unterstützung für E-Autofahrer, unter anderem Subventionen beim Kauf und niedrigere Kfz-Steuern, gibt es bereits. Momentan beträgt der Anteil der E-Autos in Frankreich 3,9 Prozent.

Niederlande
Obwohl es keine staatliche Unterstützung für E-Autos gibt, sind in den Niederlanden bereits neun Prozent der Autofahrer mit einem Elektroauto unterwegs. Damit liegt Deutschlands Nachbar deutlich über dem europäischen Durchschnitt: EU-weit beträgt der Anteil von E-Autos gerade einmal drei Prozent. Ab 2035 sollen zudem auch keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr in den Niederlanden zugelassen werden.

Norwegen
Norwegen ist in Sachen Elektroantrieb Vorreiter: Satte 40 Prozent der Autos auf Norwegens Straßen sind Elektroautos. Ein Verkaufsverbot von Dieselfahrzeugen und Benzinern soll 2025 in Kraft treten. Belohnt wird der Kauf eines E-Autos schon jetzt mit unter anderem mit Steuervorteilen und weiteren finanziellen Anreizen.

Indien
Auch außerhalb Europas wird über Verbote von Verbrennungsmotoren diskutiert. Neu Dehli gilt als schmutzigste Hauptstadt der Welt. Deshalb möchte Indien bald keine Dieselfahrzeuge und Benziner auf seinen Straßen haben. Ab 2030 werden hier nur noch Elektroautos zugelassen.

China
Elektro-Sportwagen aus China: Das Reich der Mitte ist wohl das erste Land, das eine Quote für E-Autos einführt. Der Anteil an Elektroautos soll Medienberichten zufolge schrittweise erhöht werden: Geplant ist, dass er 2018 acht Prozent, 2019 zehn Prozent 2019 und 2020 zwölf Prozent beträgt. Offiziell werden die Pläne Ende August vorgestellt. Motivation der schnellen Umstellung sind wohl weniger Sorgen um die Umwelt – vielmehr soll durch den Zeitvorteil ein Vorsprung in der Technik erspielt werden.
Dabei zeichnet sich bereits ab: Das heutige Stromnetz wird an manchen Stellen zu schwach sein. Auf die Betreiber kommen Milliardeninvestitionen für die Digitalisierung der Netze, neue Trafos, Spannungsregler und auch Leitungen zu – neben den grob 40 Milliarden Euro, die der Umbau der Netze für die Energiewende kosten wird.
Florian Samweber arbeitet bei der Forschungsstelle für Energiewirtschaft, FFE, an Themen wie Strombedarf und Netzstabilität. Er rechnet vor: Es gibt rund 45 Millionen Pkws in Deutschland, die im Schnitt rund 13.800 Kilometer pro Jahr fahren – macht insgesamt 621 Milliarden Kilometer.
Legt man die Energiemenge zugrunde, die ein durchschnittliches E-Auto heute unter realen Bedingungen braucht, lässt sich leicht errechnen, wie viel Strom vollständig e-mobile Deutsche verbrauchen würden: 105 Terawattstunden (TWh), rund 15 Prozent der heute produzierten Strommenge.
Kein Pappenstiel, gewiss; aber unter diesem Mehrbedarf „würde die Stromversorgung sicher nicht zusammenbrechen“, sagt Samweber. Fast die Hälfte der nötigen Energie wird heute schon erzeugt. Sie wird nur nicht gebraucht. Im vergangenen Jahr verkaufte Deutschland 48 TWh Strom ins Ausland.
Das Land verfügt zudem über Reserven, zum Beispiel in Form von Gaskraftwerken. Sie kommen derzeit kaum zum Einsatz, weil Ökostrom bei der Einspeisung ins Netz Vorrang hat, können aber jederzeit reaktiviert werden. Strom wäre, entgegen vieler Bedenken, also ausreichend vorhanden. Die Frage ist nur: Wie viel ist er den Autofahrern wert – und kommt er zur richtigen Zeit genau dorthin, wo er benötigt wird?
Und diese Frage treibt Reiter, den Mann aus der Praxis, ebenso um wie Samweber, den Forscher. Das Elektroauto zu Hause laden wäre für Verbraucher bequem. Anders als öffentliche Ladesäulen verschlingt die Aufrüstung eines Hausanschlusses nicht Tausende Euro. Auch für die Versorger wäre Zu-Hause-Laden die einfachste Lösung. Denn dort kann man die Akkus über Nacht langsam und mit geringer Leistung laden. Die Ladestation in der eigenen Garage hat jedoch einen Haken: „Wenn alle, die um 19 Uhr nach Hause kommen, sofort an ihre Station wollen, wird das nicht gehen“, sagt Samweber.

Schnelllader: Schon vier Tesla Supercharger bringen einen Ortsnetztrafo an seine Grenzen.
In Deutschland teilen sich 50 bis 200 Haushalte je einen Ortsnetztrafo. Diese verringern die Spannung von 10.000 oder 20.000 Volt im regionalen Verteilnetz (Mittelspannung) auf die 230 Volt, mit der der Strom dann aus der Steckdose kommt. Fast immer fließt dieser Strom heute auf der letzten Meile über Erdkabel in die Häuser. Die Strommenge, die diese Kabel transportieren können, ist begrenzt. So lange, wie heute, nur einige 1000 Tesla, Nissan Leaf und BMW i3 in der heimischen Garage laden, gibt es keine Probleme. Auf deutlich mehr Autos wäre das Niederspannungsnetz aber längst nicht überall ausgelegt.
Deshalb will Reiter nun möglichst schnell wissen, wo die E-Autos in seiner Stadt künftig Strom tanken. Er ist überzeugt davon, dass die Stadtwerke so manche Leitung und Ortsnetztrafos erneuern müssen. „Sonst werden partiell Ladeengpässe entstehen“, fürchtet er. Vor allem in Wohngegenden mit lockerer Bebauung, in denen viele E-Autos auf wenige Häuser kommen – und damit auf einen kleinen Trafo und dünne Erdkabel.
Gibt es alternative Lösungen?
Und so könnte sich bald rächen, dass die Deutschen das Thema E-Mobilität konsequent verschlafen. Viele Stadtwerke haben ihr Netz sogar abgerüstet. In Düsseldorf etwa wurde in den vergangenen 25 Jahren die Hälfte der 5000 kleinen Ortsnetztrafos demontiert, weil die privaten Haushalte immer weniger Strom verbrauchten. Niemand konnte sich vorstellen, dass sich das wieder ändern würde. In den Siebzigern heizten viele mit Nachtspeicheröfen und Durchlauferhitzern, die ähnlich viel Leistung zogen wie eine Autoladestation heute. Dann wurden Hausgeräte immer sparsamer, mit Strom heizte fast niemand mehr.
Und – gibt es alternative Lösungen? „Spannend“ findet Andreas Rimkus, verkehrspolitischer Sprecher der SPD, die Idee einiger Start-ups, Elektroautos über Nacht an Straßenlaternen zu laden. Allerdings sind die Lampen dazu nicht überall in der Lage. Städte bauen ihre Straßenbeleuchtung seit Jahren auf LED um, die nur ein Zehntel so viel Strom ziehen wie herkömmliche Laternen vor 20 Jahren. Ein E-Auto dort zu laden würde mehrere Tage dauern. „Solche Konzepte können keine leistungsfähige Ladesäuleninfrastruktur in den Städten ersetzen“, sagt Rimkus, der früher als Elektromeister für die Düsseldorfer Stadtwerke die Niederspannungsnetze mit gebaut hat.

Lutz Möbius ist überzeugt: „In fünf Jahren wird sich die Autolandschaft in Deutschland radikal gewandelt haben“. Der 58-Jährige ist Taxi-Unternehmer im Süden Sachsen-Anhalts, in Zeitz, und gibt den derzeit viel diskutierten Diesel-Stinkern keine Zukunftschancen. Deshalb setzt er auf Autos mit Elektro-Antrieb. „Ich will in den nächsten Jahren 25 bis 30 Prozent meiner Fahrzeugflotte auf Elektro umrüsten“, sagt Möbius und sieht sich als Vorreiter. Ein reines Elektroauto, einen Wagen des US-Autobauers Tesla, nutzt Möbius schon - allerdings mit Einschränkungen und ohne das markante Taxi-Schild auf dem Dach.

Der Unternehmer ist ein Exot in seiner Branche. Konkrete Zahlen gibt es laut Deutschen Taxi- und Mietwagenverband zwar nicht. „Aber wenn es auf 20 Elektroautos kommt, ist das viel“, sagt Geschäftsführer Thomas Grätz. Neben den hohen Anschaffungskosten seien die Bedingungen noch nicht ideal.

Grätz nennt sowohl betriebliche als auch organisatorische Probleme. In Taxi-Unternehmen werde meist im Zwei-Schicht-Rhythmus gearbeitet. „Was ist, wenn kurz vor Schichtwechsel das Taxi aufgeladen werden muss?“ Andere Taxi-Betriebe setzten daher eher auf die Kombination der Antriebe, auf Hybrid-Autos. „In Berlin sind bestimmt bis zu 20 Prozent der Taxis mit Hybrid unterwegs“, schätzt Grätz. Laut Verband gibt es in Deutschland mehr als 21.700 Taxi-Unternehmen mit rund 53.500 Fahrzeugen.

Der Zeitzer Taxi-Unternehmer Möbius hatte weniger organisatorische Bedenken, er stieß auf rechtliche Hürden. Sein Elektroauto bekam keine Taxi-Zulassung, darf nicht die typische Farbe tagen und auch kein Schild auf dem Dach. Die Angelegenheit ist verzwickt. Im vorigen Jahr wurden die Eich-Vorschriften geändert: Demnach durften Autos, die nicht vom Hersteller als Taxi-Variante kommen, von Ausrüstern nicht mehr in ein Taxi umgewandelt werden. Vor dieser Novelle sei es einfach gewesen, E-Autos umzurüsten, berichtet Möbius. Doch der 58-Jährige ließ sich nicht entmutigen. „Ich hatte mir den Gedanken in den Kopf gesetzt: Ich will so ein Auto haben, weil es richtig ist.“

Geholfen hat schließlich das Landesverwaltungsamt in Sachsen-Anhalt – mit einer Ausnahmegenehmigung, die das Personenbeförderungsgesetz zulässt. So fährt der 58-Jährige nun etwa Patienten zu notwendigen Behandlungen nach außerhalb oder übernimmt Zubringerfahrten – nur eben ohne Taxi-Schild.

Inzwischen hat die Bundesregierung umgesteuert und das Bundeswirtschaftsministerium verkündete eine erneute Änderung der Mess- und Eichverordnung. Nun soll es doch wieder möglich sein, Autos als E-Taxis nachzurüsten.

„E-Autos sind ein wichtiger Bestandteil einer nachhaltigen, klimafreundlichen Mobilität. Gerade die große Taxi-Flotte in Deutschland bietet hier einen wichtigen Hebel“, erklärte Bundeswirtschaftsministerin Brigitte Zypries (SPD). Möbius hofft, das die Zulassungsschwierigkeiten bald der Vergangenheit angehören. Er selbst ist nach 14.000 gefahrenen Kilometern mit seinem E-Auto zufrieden. Auch die Infrastruktur passe, sagt er.

„Allerdings, wie das oft bei neuer Technologie ist: Die Anschaffung solcher Fahrzeuge ist im Moment noch recht kostenintensiv. Somit sind wir noch wenige Unternehmer, die sich solche Fahrzeuge mit erheblichen Kraftanstrengungen anschaffen.“ Es fehle an Informations- und Aufklärungsarbeit. „Der Umstieg auf Elektro ist vor allem auch eine Kopfsache.“

Nicht nur die Taxi-Branche ist zurückhaltend. Nach Angaben des Kraftfahrtbundesamts hatten nur knapp 10.200 der rund 1,78 Millionen im ersten Halbjahr neu zugelassenen Autos einen reinen Elektroantrieb. Trotz des Zuwachses von 133 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum bleibt der Gesamtanteil der E-Mobile gering. Als wesentliche Hindernisse gelten die hohen Anschaffungskosten, die geringe Reichweite mit einer Batteriefüllung und fehlende Ladestationen.
Dabei könnte man alleine durch die geschickte Standortwahl neuer Ladesäulen die Kosten für den Netzausbau immens drücken. Einer, der weiß, wo man Ladesäulen am besten baut, ist Volker Lazzaro, Geschäftsführer des größten deutschen Ladesäulenherstellers Mennekes. „Günstig sind Orte, an denen die Leute mehrere Stunden stehen müssen und wo bereits hohe Anschlussleitungen da sind“, sagt er. Zu Hotels etwa wurden bereits dicke Kabel verlegt, die Großküchen oder Aufzüge versorgen. Auf die Parkplätze der Hotels könnte man ohne großen Aufwand Ladesäulen stellen – ohne zu riskieren, dass das Netz unter der zusätzlichen Last schlapp macht. „Auch Park-&-Ride-Parkplätze wären ideal“, sagt Lazzaro. „Sie sind in der Nähe der S-Bahn, und die Bahn hat genügend Strom.“ Am besten allerdings ließe sich der Strom für die E-Autos auf den Mitarbeiterparkplätzen großer Firmen abzapfen. Dort gibt es dicke Leitungen und Trafos, und die Autos parken über viele Stunden. Sie können langsam und netzschonend laden.

Sprintzeiten von unter drei Sekunden sind für konventionell angetriebene Supersportler eher die Ausnahme als die Regel. In der Elektroauto-Szene gehören solche Fabelwerte hingegen fast schon zum guten Ton. Um Aufmerksamkeit und Überzeugungsarbeit für den lokal emissionsfreien Elektroantrieb zu leisten, haben einige Hersteller atemberaubend schnelle Sportwagen auf die Räder gestellt, die ohne wild fauchende Benzinmotoren aberwitzige Fahrleistungen ermöglichen. Die ultraschnellen Stromer, wie dieser Nio EP9 von Next EV, bringen selbst eingefleischte Verbrennungsmotor-Fetischisten ins Grübeln...

Einer dieser neuen Wilden ist der Nio EP9, mit dem die chinesische Firma NextEV gleich in die Megawatt-Klasse eingestiegen ist. Will heißen: Die insgesamt vier E-Motoren mobilisieren zusammen 1000 Kilowatt (kW), was 1360 PS entspricht. Zudem kann jede E-Maschine unglaubliche 1480 Newtonmeter Drehmoment aus dem Stand heraus zur Verfügung stellen. Entsprechend dauert der Sprint auf 100 km/h nur 2,7 Sekunden, bis Tempo 200 verstreichen lediglich 7,1 Sekunden. Mit maximal 313 km/h gilt der EP9 als schnellster E-Sportwagen der Welt.

Im Frühjahr 2017 erzielte der Nio mit 6 Minuten 45,9 Sekunden sogar einen neuen Nordschleifenrekord. Die Wunder-Flunder kann man übrigens kaufen. Rund 1,4 Millionen Euro soll ein Exemplar kosten. Vertrieben wird der atemberaubend schicke und mit viel Know-how europäischer Ingenieure entwickelte Stromsportler allerdings ausschließlich in China.

Die ebenfalls in China beheimatete Firma Techrules will mit dem Ren dem Nio EP9 den Titel als schnellstes E-Mobil der Welt streitig machen. Im März 2017 wurde die Serienversion des Hypercars vorgestellt, die mit progressivem Design als auch aberwitzigen Leistungseckdaten imponiert.
In der stärksten Ausführung soll der Stromer mit Hilfe von gleich sechs E-Maschinen 960 kW/1305 PS und 7800 Newtonmeter in den Vortrieb werfen. Dank dieser Kraft sprintet der 1,7-Tonner in 2,5 Sekunden auf 100 km/h und erreicht maximal 320 km/h.

Als Besonderheit bietet der Ren einen Reichweitenverlängerer in Form einer mit Diesel getriebenen Microturbine. Dieses Hochleistungstriebwerk soll dank 80-Liter-Tank in Kombination mit einer 25-kWh-Batterie eine Reichweite von 1170 Kilometer erlauben. Preise werden nicht genannt, vermutlich wird der in kleiner Stückzahl in Handarbeit gefertigte Hightech-Renner jedoch einige Millionen kosten. Euro oder Dollar, versteht sich.

Rund eine Million Euro verlangt die kroatische Firma Rimac für ihr Hypercar Concept One. In seiner jüngsten Ausbaustufe leistet der Stromer mächtige 900 kW/1224 PS und 1800 Newtonmeter Drehmoment, was eine Sprintzeit aus dem Stand auf 100 km/h in 2,5 Sekunden erlaubt. Die Höchstgeschwindigkeit von abgeregelten 300 km/h knackt der Balkan-Bolide nach nur 14 Sekunden.
Die insgesamt vier Motoren treiben jeweils ein Rad an, was ein besonders agiles Torque-Vectoring erlaubt...

Trotz dieser bei schnellen Kurvenfahrten hilfreichen Technik ist The-Grand-Tour-Moderator Richard Hammond mit einem Concept One jüngst beim Hemberger Bergrennen in der Schweiz mit einem Rimac von der Straße abgekommen. Der Brite brach sich ein Knie, der Rimac wurde ein Opfer der Flammen.

Wenn auch kein reinrassiger Sportwagen, wird doch Teslas Model S die meisten konventionell getriebenen Supersportler alt aussehen lassen. Zumindest beim 100-km/h-Sprint, wenn die Variante P100D antritt. Diese Topversion der Luxuslimousine hat neben einer riesigen Batterie für über 600 Kilometer Reichweite außerdem noch ein paar Extra-PS für besonders schnelle Sprints an Bord. Dank 515 kW/700 PS fällt die 100er-Marke nach nur 2,7 Sekunden...

Maximal sind 250 km/h drin. Im Vergleich zu den anderen Elektro-Rennern ist der voll alltags- und familientaugliche Tesla mit einem Preis von rund 160.000 Euro übrigens ein Schnäppchen.

Ebenfalls mehr Gran Turismo denn rassiger Sportwagen ist der G4 des japanischen Herstellers GLM. Der Viersitzer mit vier Flügeltüren hat zwei Motoren an Bord, die zusammen 400 kW/540 PS und 1000 Newtonmeter Drehmoment leisten. Die Sprintzeit aus dem Stand auf 100 km/h beträgt 3,7 Sekunden, dank eines mehrstufigen Getriebesystems sind maximal 250 km/h möglich. Wann der G4 in Serie gebaut wird, ist noch ungewiss. In Japan ist GLM jedenfalls eine feste Größe im Elektroauto-Markt...

Seit einigen Jahren produziert die Firma GLM in Kyoto den 225 kW/305 PS starken batterieelektrischen Sportroadster Tommy Kaira ZZ. Mit dem G4 soll ein großes, alltagstaugliches Modell folgen. GLM kopiert damit den Aufstieg von Tesla. Die Amerikaner sind ebenfalls zunächst mit einem Roadster angetreten, um dann mit dem Model S zum großen Player in der E-Mobilität aufzusteigen.

Klaus Dieter Frers hat einen Traum, und hält gegen alle Widrigkeiten daran fest. Nachdem der erste Versuch mit dem Artega GT einen eigenen Sportwagen zu bauen nach 153 zwischen 2009 und 2012 produzierten Exemplaren scheiterte, kaufte der Vorstandsvorsitzende des Automobilzulieferers Paragon den Namen aus der Insolvenzmasse zurück...

Der 2017 auf dem Genfer Autosalon vorgestellte Superelettra - ein Wortspiel aus Supperlegara (italienisch für „superleicht“) und elettrica (italienisch für „elektrisch“) - ist eine komplette Neukonstruktion. So misst der Wagen in der Länge mit 4,60 Meter glatte 60 Zentimeter mehr als der Vorgänger. Im Innenraum können so drei Personen reisen. Der Fahrer sitzt mittig vor dem Armaturenträger, die beiden Beifahrer nehmen dahinter Platz...

Vier E-Motoren, zwei vorne und zwei hinten, mit einer Gesamtleistung von 1020 PS sollen den Sportwagen in 2,7 Sekunden aus dem Stand auf Tempo 100 beschleunigen. Die Höchstgeschwindigkeit ist auf 300 km/h begrenzt. Die Motoren kommen vom der Paragon-Tochter Voltabox, ebenso wie die Lithium-Ionen Batterien mit einer Leistung von 120 kWh. Damit soll eine Reichweite von bis zu 500 Kilometern möglich sein.
Über den Preis für den Artega Scalo Superelletra, von dem nur höchstens 50 Exemplare gebaut werden sollen, mag man sich bei Artega derzeit noch nicht äußern. Spekuliert wird über eine Zahl irgendwo zwischen 500.000 und einer Million Euro.
Warum schläft der Gesetzgeber?
Eigentlich wäre für den nötigen Umbau der Stromnetze noch genügend Zeit. Doch wer sich in Deutschland umhört, bekommt den Eindruck, dass all diejenigen, deren Einsatz es nun für diesen Umbau bräuchte, diese Zeit einfach verstreichen lassen. Beispiel: Freiburg. Die Stadt wächst. An ihrem Westrand entsteht bald ein ganzes Wohnviertel: Dietenbach. Heute ist die Fläche zwischen Bundesstraße 31a und Naturschutzgebiet noch Ackerland, ab 2020 sollen die Bagger rollen, 2040 das letzte Haus stehen.
Fünf Jahre haben die Stadtentwickler geplant, gerechnet und Bürgerdialoge geführt. Sie haben an Stellplätze für die Autos gedacht, an die Verzahnung mit Bus und Bahn, an Car-Sharing. Nur an eines nicht: dass von den Autos der rund 13.000 Menschen, die nach Dietenbach ziehen, viele einen Elektroantrieb haben – und irgendwo laden müssen.
Doch die Elektromobilität taucht in den Planungsunterlagen mit keinem Wort auf. Nicht nur in Freiburg schlafen Kommunalpolitiker und Planer. Sie tun es bundesweit. Und es geht nicht nur um ein paar träge Lokalpolitiker. Es ist eine regelrechte Blockadehaltung. Und zwar ganz oben. Anstatt den Ausbau der benötigten Stromanschlüsse für Ladesäulen zu fördern, hintertreibt die Bundesregierung ihn sogar auf EU-Ebene. So macht sich die deutsche Regierung ausgerechnet jetzt in Brüssel gegen eine bessere Vorverkabelung von Wohnhäusern stark, wie der „Spiegel“ berichtet.
SPD-Politiker und Elektromeister Rimkus fürchtet, dass der Ausbau der Stromnetze verschleppt und damit deutlich teurer wird: 45 Millionen E-Autos seien kein technisch unlösbares Problem für die Netze, sagt er. Aber: „Sie werden eines, wenn wir einfach so weitermachen wie bisher.“
Einfach mal loslegen, „mit der Gießkanne investieren, das ist keine Option“, sagt Stadtwerkechef Reiter. „Ich kann nicht alle gut 1000 Trafos in meiner Stadt auf Verdacht austauschen oder aufrüsten; das wäre eine zweistellige Millioneninvestition.“
Reiter will aber irgendetwas tun. Also werden seine Leute in den kommenden Jahren für das Stadtgebiet eine Karte des Stromnetzes erstellen, in die Daten aus allen Ortsnetztrafos einfließen. Überlastete Trafos würden rot aufleuchten. Reiters Leute könnten auf der Karte sehen, wo und wann neue E-Autos deutlich mehr Strom verlangen. Permanent überlastete Gebiete könnten sie gezielt mit neuen Ortsnetztrafos, Spannungsreglern oder dickeren Leitungen optimieren. Dazu allerdings müssen die 1000 Trafos in der Stadt erst einmal mit Sensoren ausgestattet werden. Nur so können sie all die Daten senden, die Reiter für seine Karte braucht.
Auch hier wird Reiter torpediert von Politikern, die die E-Mobilität blockieren: So gibt es zwar ein Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende – und damit die Möglichkeit, die Stromnetze so smart zu machen, dass auch Reiter an die Informationen kommt, die er braucht. Doch auch in dessen jüngster Überarbeitung von August 2016 hat der Gesetzgeber die E-Mobilität nicht vorgesehen.
Zwar schreibt das Gesetz in Neubauten intelligente Stromzähler vor, die Verbräuche minutengenau preisgeben – aber erst ab einem jährlichen Verbrauch von 6000 kWh. Auch mit einem E-Auto liegen die meisten Haushalte weit darunter. Bei ihnen wird weiterhin nicht erfasst, wie viel Strom sie zu welcher Zeit benötigen. Es wären genau jene Daten, die Reiter für seine Karte fehlen. Und damit für den sinnvollen Netzausbau.
Dass ein smartes Stromnetz technisch möglich und nicht einmal teuer ist, lässt sich in der Nähe von Augsburg schon beobachten. In Wertachau betreibt die Innogy-Tochter Lechwerke ein solches Netz: Hier ist jeder Haushalt mit einem intelligenten Stromzähler ausgestattet, der dem Versorger mitteilt, wann wer wie viel Strom zieht.
Kern des Systems ist der Smart Operator. Ein Kasten so groß wie ein DIN-A4-Blatt. Er steuert die intelligenten Stromzähler in jedem Haushalt an. Und darin arbeitet ein selbstlernender Algorithmus: Das Programm erfasst, welcher Haushalt wann wie viel Strom verbraucht und wer gerade Überschüsse produziert, etwa mit seiner Solaranlage auf dem Dach. Es errechnet auf der Basis wiederkehrender Muster Bedarfs- und Angebotsprognosen für die nächsten Tage. Der Algorithmus merkt sich, wenn Frau Meier ihren BMW i3 immer morgens um 9 Uhr laden will, Herr Müller seinen Tesla nur alle zwei Tage, aber immer ab 21 Uhr. Und er verteilt den Strom danach: Er meldet etwa an den Zähler der Familie Meier: „Es ist viel Strom da im Dorf: Lade dein E-Auto.“ Oder aber: „Es ist gerade viel Bedarf, beginne erst in zwei Stunden mit dem Ladevorgang.“
In diesem smarten Stromnetz, sagt Andreas Breuer, Leiter Neue Technologien bei Innogy, gehe es vor allem darum, „Verbrauch und Erzeugung lokal so gut in Deckung zu bringen, dass das Netz gar nicht erst durch Lastspitzen beansprucht wird“. Der Kunde selbst merke von den Steuervorgängen im Hintergrund nichts und habe keinerlei Beeinträchtigung. Wenn die Wertachauer insgesamt zu viel Strom verbrauchen, wird Energie über das Mittelspannungsnetz dazu geholt – oder eingespeist, wenn sie an sonnigen Tagen zu viel Strom produzieren. Zuvor tauschen sie Strom untereinander.
Das Projekt in Wertachau habe gezeigt, dass schon relativ geringe IT-Investitionen oft sehr viel größere in neue Trafos, Kabel und Erdarbeiten ersparen können, sagt Breuer. Bei einem ähnlichen Projekt in der Eifel konnte Innogy durch den Einsatz von IT für eine Million Euro den Bau einer neuen Stromleitung sparen, die das Zehnfache gekostet hätte. Software, das ist seine Botschaft, könne helfen, die Kosten für den Netzausbau in einem erträglichen Rahmen zu halten. „Die Verkehrswende steht und fällt mit der Digitalisierung der Stromnetze“, sagt Breuer.














