Microsoft: Die vielen Fehler des Steve Ballmer

Steve Ballmer gibt Gas, wenn er spricht. Seine laute, bullige Art das Markenzeichen des ehemaligen Microsoft-Chefs.
Es ist eine späte Einsicht, mit der der ehemalige Microsoft-Chef Steve Ballmer bei einer Podiumsdiskussion an der Saïd Business School im britischen Oxford um die Ecke kommt. Wenn er die vergangenen zehn Jahre noch einmal wiederholen könnte, würde er in seiner Rolle als Microsoft-Chef vieles anders machen. Vor allem den schlechten Stand im Smartphone-Segment sieht Ballmer heute kritisch.
Dabei war er es, der Apple für sein iPhone damals regelrecht verspottet hatte. Als man ihn damals im Interview nach dem neuen Superhandy fragte, lachte er affektiert los und sagte: „500 Dollar? Das ist das teuerste Telefon der Welt. Und es spricht nicht einmal Geschäftskunden an, weil es keine Tastatur hat.“ Nein, war er damals überzeugt. Das iPhone würde sich nicht gut verkaufen. Und Microsoft habe seine ganz eigene Strategie mit eigener Windows-Software.
Am Ende lachte der inzwischen verstorbene Apple-Chef Steve Jobs. Mit dem iPhone revolutionierte er den Mobilfunkmarkt und legte mit dem iPad wenige Jahre später gleich das nächste Gadget nach, dass unser Nutzerverhalten grundlegend verändern sollte. Microsoft wurde vom mobilen Trend regelrecht überrannt. Steve Ballmers fatale Fehleinschätzung des Marktes dürfte dafür grundlegend verantwortlich sein. Hätte Microsoft – wie es Samsung in rasantem Tempo getan hat – geschickt kopiert und mit guter Software eigene Produkte kreiert, könnte das Unternehmen in Sachen Hardware heute deutlich besser dastehen.

1975 war die Geburtsstunde des mittlerweile allgegenwärtigen Microsoft-Konzerns. Die Ära Gates, die Ära Ballmer, Windows, Office, X-Box – und die Internetstrategie: Einblicke in die wechselvolle Firmengeschichte von Microsoft in einer Bildergalerie.
1975 gründeten der Studienabbrecher Bill Gates (links) und sein Freund Paul Allen das Unternehmen Microsoft in Albuquerque, New Mexico, um Software für Kleincomputer zu vermarkten. Wenige Jahre später trat als Mitarbeiter Nummer 24 Steve Ballmer ins Unternehmen ein, da hatte das noch junge Unternehmen schon eine Million Dollar Umsatz im Jahr.
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Ohne eine ganz besondere Absprache wäre Microsoft vermutlich nicht das Unternehmen, welches es heute ist. Denn 1981 überredete Bill Gates (Foto: rechts) den damals führenden Hersteller für Personalcomputer IBM, das Betriebssystem von Microsoft zu lizenzieren. In das MS-DOS der damaligen Zeit werden noch Codes eingetippt, um etwa Dateiverwaltung zu betreiben. Der Grundstein für ein Milliardenimperium. Versuche, die große Marktmacht von Microsoft zu brechen – auch später von IBM selbst - blieben erfolglos.
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Nicht das erste Unternehmen, aber dennoch das erfolgreichste wurde Microsoft mit dem fensterbasiertem Betriebssystem Windows, welches 1985 auf den Markt kam. Ein Jahr später ging Microsoft an die Börse mit einer Erstnotierung von etwa 21 Dollar pro Aktie. 12.000 bis 15.000 spätere Microsoft-Millionäre hatten den richtigen Riecher, Bill Gates wird zu einem der reichsten Männer der Welt.
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Der nächste Coup gelingt Bill Gates mit dem Bürosoftwarepaket MS Office, welches in den Folgejahren immer mehr ausgebaut wird. Interessant: 1989 startet es als erstes mit einer Version für den Apple Macintosh, erst ein Jahr später folgt eine Windows-Version. 1990 überspringt Microsoft dann auch die 1-Milliarde-Dollar-Umsatzmarke, als erste Softwareschmiede der Welt.
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Ein regelrechter Hype entsteht rund um die Markteinführung von Windows 95. Menschen campieren vor den Türen der PC-Kaufhäuser, der Rolling Stones-Song „Start me up“ wird eigens zu Werbezwecken von Microsoft lizenziert. Im Bild zu sehen sind die Folgeversionen Windows 2000 und Windows XP.
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Im Jahr 2000 übernimmt Mitarbeiter Nummer 24, Steve Ballmer, den Posten des Vorstandschefs von Bill Gates. Er ist bis heute Chef von Microsoft.
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Die Spielekonsole X-Box wird in den Markt eingeführt. Microsoft kann sich in den Folgejahren neben Sony und Nintendo als dritter großer Anbieter auf diesem lukrativen Markt etablieren.
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Die EU-Wettbewerbskommission verhängt ein Bußgeld von 497 Millionen Euro gegen Microsoft wegen Missbrauchs seiner marktbeherrschenden Stellung. Vier Jahre später konstatiert die Kommission, dass den Auflagen nicht nachgekommen wurde, eine Rekordstrafe von 899 Millionen Euro wird fällig.
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Google ist marktbeherrschende Suchmaschine. Nachdem eine feindliche Übernahme der Suchmaschine Yahoo durch Microsoft 2008 scheiterte, schmieden sie 2009 eine Allianz. Auch ein Anteilskauf am sozialen Netzwerk Facebook ist legendär: Microsoft bezahlt für einen Anteil von 1,6 Prozent die Rekordsumme von 15 Milliarden Dollar.
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Nachdem die Vorgängerversion Vista des Betriebssystems immer wieder kritisiert wurde, klappt es mit Windows 7 besser: Mit 100 Millionen verkauften Kopien in einem halben Jahr wird es zur erfolgreichsten Version von Windows überhaupt.
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Mehr als eine Milliarde US-Dollar ist Microsoft die Zusammenarbeit mit dem finnischen Handyhersteller Nokia wert, die im Februar 2011 verkündet wurde. Künftig setzt Nokia bei Smartphones vor allem auf Microsofts Windows Phone 7. Nokia erhalte für die Entwicklung und Vermarktung von Windows-Phone-7-Smartphones über eine Milliarde US-Dollar von Microsoft, heißt es aus Verhandlungskreisen. Im Gegenzug zahlt Nokia für jedes verkaufte Windows-Phone-7-Gerät Lizenzkosten an Microsoft.
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2011 hat Microsoft-Boss Steve Ballmer wieder Neuigkeiten zu verkünden. Das US-Unternehmen schluckt den Internet-Telefondienst Skype. Preis für die Übernahme: 8,5 Milliarden Dollar – die größte Übernahme in der 36-jährigen Geschichte von Microsoft. Rund 170 Millionen Menschen nutzen Skype weltweit, die große Mehrheit kommuniziert aber kostenlos von PC zu PC. Nur knapp sechs Prozent kaufen Gesprächsminuten, um auch herkömmliche Telefonanschlüsse zu erreichen – Skypes wichtigste Einnahmequelle.
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Immer wieder wirft das Software-Unternehmen neue Produkte auf den Markt. Ende Juni 2011 hat Microsoft das neue „Office 365“ vorgestellt, die Internet-Version seiner Bürosoftware „Office“. Das neue Programm- und Onlinedienste-Angebot zielt nicht nur auf Googles Cloud-Dienste. Es ist – vor allem – das entscheidende strategische Produkt, damit Microsoft in der sich dramatisch wandelnden Software-Welt überleben kann.
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Mit dem Surface stellt Microsoft am 18. Juni 2012 erstmals ein eigenes Tablet vor. Das Gadget gibt es in zwei Versionen als Surface RT und als Surface Pro. Pünktlich zum Weihnachtsgeschäft gingen die Geräte an den Markt.

Microsoft-Chef Steve Ballmer stellt am 25. Oktober 2012 das Betriebssystems Windows 8 in New York vor. Mit dem neuen Betriebssystem will Microsoft auf dem mobilen Markt vorstoßen. Die "All in"-Lösung bedient sowohl stationäre Rechner als auch Smartphones und Tablets.

Am 23. August 2013 gibt Microsoft-Chef Steve Ballmer seinen geplanten Rücktritt, innerhalb der nächsten zwölf Monate, bekannt. Der ehemalige Studienfreund von Gründer Bill Gates leitete das Unternehmen 13 Jahre. Insgesamt war er 33 Jahre für den IT-Konzern tätig.

Bereits im Juli 2012 prognostizierte die WirtschaftsWoche den Kauf des finnischen Handy-Produzenten Nokia durch Microsoft. Im September 2013 geht Nokia für 7,17 Milliarden Dollar an den Softwarekonzern.

Satya Nadella übernimmt im Februar 2014 die Position von Microsoft-Chef Steve Ballmer. Der gebürtige Inder war zuvor für das Firmenkunden- und Cloud-Geschäft zuständig. Wegen seiner Unerfahrenheit in der Öffentlichkeit und mit der Wall Street war die Besetzung eher eine Überraschung.
Gerade die Bedeutung der gemeinsamen Vermarktung von Hardware und Software habe Microsoft zu spät erkannt, sagte Ballmer in Oxford zum wiederholten Male. Das wolle das Unternehmen aus Redmond nun mit dem Kauf der Smartphone-Sparte des finnischen Unternehmens Nokia wieder gut machen. Inwieweit der Plan aufgeht, bleibt abzuwarten. Zwar haben die Finnen mit ihrer Lumia-Reihe ein beeindruckendes Smartphone auf den Markt gebracht, doch von den Apple- und Samsung-Erfolgen ist der Konzern weit weg. Sogar LG verkauft weltweit mehr Smartphones als Nokia.
Schon vor Ende vergangenen Jahres schlug Steve Ballmer bei ZDNet entschuldigende Töne an. Selbstkritisch sagte er, dass das Betriebssystem Windows Vista der größte Fehler seines Lebens gewesen sei. Es hatte fünf bis sechs Jahre gedauert, ehe Windows Vista überhaupt in den Verkauf ging. Und dann war das Produkt trotz der langen Entwicklungszeit voller Fehler. Ausbügeln konnte Microsoft diese erst wieder mit dem hochgelobten Windows 7, das derzeit durch das umstrittene Windows 8 abgelöst wird.
Laut Ballmer habe Microsoft mit Vista wertvolle Ressourcen verschwendet, die gerade im mobilen Segment dringend benötigt worden wären.
Die späte Einsicht Ballmers irritiert ebenso wie die Art, mit der er die Selbstkritik anbringt. Schließlich war Ballmer 14 Jahre lang bei Microsoft am Ruder. Er hatte alle Möglichkeiten die Geschicke des Unternehmens in die mobile Richtung zu lenken. Mit gewohnt lauter, bulliger Stimme und aufgebauschten, überzogenen Gesten spricht er einen Monat nach seinem Abtreten vom Chefposten in Oxford. Er sitzt in einem Sessel, springt zwischendurch auf und gibt den Abgeklärten, den Erfahrenen und den Verkäufer. All das ist er. Sein Geschäft beherrschte der enge Freund Bill Gates wie kaum ein anderer.
Doch ob das die Errungenschaften sind, für die man ihn in Erinnerung behalten wird, ist fraglich. Trotz all der Reue.









