Aldi gegen Lidl Das Aldi-Imperium schlägt zurück

Discountprimus Aldi rüstet gegen den Erzrivalen Lidl auf – mit mehr Markenprodukten in den Regalen, längeren Öffnungszeiten und moderneren Filialen. Selbst Kundentoiletten soll es künftig in neuen Läden geben.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Aldi schlägt zurück. Quelle: Bernhard Haselbeck für WirtschaftsWoche

Der Notruf, der am 8. Oktober um 8.06 Uhr bei der Polizeiwache in Weiden in der Oberpfalz einging, versetzte das Revier in Alarmstimmung: Ausschreitungen bei Aldi.

Als die Beamten wenig später in der örtlichen Filiale des Discounters ankamen, boten sich ihnen „tumultartige Szenen“, wie ein Polizeisprecher später berichtete. Vor dem Regal mit Aktionsware gab es Rangeleien. Laut Polizeibericht hatte ein Mann eine „Frau mittleren Alters“ nach hinten gezerrt. Die Frau strauchelte und schlug sich den rechten Ellbogen an einem Regal an. Besuchern des Aldi-Marktes im baden-württembergischen Gernsbach zeigte sich ein ähnliches Bild: Kurz nach Ladenöffnung wüteten dort zwei Rentnerinnen zwischen den Regalfluchten. Das Handgemenge endete mit einer Anzeige wegen Körperverletzung.

Der Grund für die Randale: Bei Aldi gab es eine Billigversion der beliebten Küchenmaschine Thermomix. Statt 1100 Euro für das Original von Vorwerk verhökerte der Discounter seine Variante für 199 Euro. Prompt verwandelten renitente Hobbyköche die Kassen- in Nahkampfzonen. Neben weckten sie die Erinnerung an jene goldene Aldi-Ära als Kunden noch zuhauf in die Filialen pilgerten, nur um das neueste Notebook-Schnäppchen zu ergattern oder sich an damaligen Discount-Novitäten wie Champagner und Räucherlachs zu laben.

Die größten Lebensmittelhändler Deutschlands

Tempi passati. Und doch passt das Thermomix-Getümmel zur neuen Lage bei Aldi. Nach Jahren der strategischen Stagnation gewinnt der Kultdiscounter wieder Momentum, will den Erzrivalen Lidl in die Schranken weisen und den Supermarkt-Konzernen Rewe und Edeka Paroli bieten, die dem früheren Angstgegner zuletzt beständig Marktanteile abgeknöpft hatten. Das Billig-Imperium schlägt zurück: weltweit und mit ungeahnter Wucht.

Wobei im Grunde gleich zwei Unternehmen auf Angriff umschalten: Aldi Nord mit Sitz in Essen und Aldi Süd mit Zentrale in Mülheim. Die Unternehmen operieren rechtlich getrennt voneinander und haben Deutschland und die Welt untereinander aufgeteilt. In der Praxis stimmen sich Nord-Chef Marc Heußinger und Süd-Anführer Norbert Podschlapp jedoch eng ab und verschärfen sowohl bei der Auslandsexpansion als auch im Inland die Gangart, berichtet die WirtschaftsWoche in ihrer aktuellen Ausgabe.

Aldi im neuen Gewand

Auch für die Kunden dürfte der Wandel  der Verkaufsmaschine in den kommenden Jahren sichtbar werden. So testet Aldi Süd derzeit in einem neuen Konzeptmarkt nahe München bereits den Einsatz von Kaffee- und Rezeptautomaten, elektronischen Werbedisplays und Hintergrundmusik.

Auch das Ladendesign wurde umgestaltet. „Einige Elemente werden wir in Zukunft auch in anderen Filialen übernehmen, sofern sie von unseren Kunden angenommen werden“, heißt es bei Aldi Süd. Bereits beschlossene Sache ist, dass neue Filialen von Aldi Süd mit Kundentoiletten ausgestattet werden. „In Zukunft werden wir in allen neu gebauten Aldi-Süd-Filialen Kunden-WCs anbieten“, sagt eine Unternehmenssprecherin.

So sieht der Edel-Aldi aus
Aldi Quelle: Bernhard Haselbeck für WirtschaftsWoche
Eingangsbereich Aldi Quelle: Bernhard Haselbeck für WirtschaftsWoche
Kaffeeautomat bei Aldi Quelle: Bernhard Haselbeck für WirtschaftsWoche
Aldi-Markt Quelle: Bernhard Haselbeck für WirtschaftsWoche
Weinregal bei Aldi Quelle: Bernhard Haselbeck für WirtschaftsWoche
Backwaren Quelle: Bernhard Haselbeck für WirtschaftsWoche
Snackregal bei Aldi Quelle: Bernhard Haselbeck für WirtschaftsWoche

Die Öffnungszeiten will der Doppelkonzern ebenfalls ausweiten. Zuletzt wurden bereits testweise die Öffnungszeiten von insgesamt 368 der deutschlandweit rund 1850 Aldi-Süd-Läden um eine Stunde verlängert. Im Frühjahr 2016 sollen weitere rund 95 Aldi-Süd-Filialen folgen und ebenfalls später schließen.

Bei der Schwestergesellschaft Aldi Nord haben seit November mehr als 340 der 2400 deutschen Filialen bis 21 und teilweise bis 22 Uhr geöffnet - vor allem in Ballungsräumen. „Je nach Bedarf prüfen wir die Ausweitung der verlängerten Öffnungszeiten auf weitere Filialen“, heißt es bei Aldi Nord.

Ähnlichkeit mit Supermärkten

Die Öffnungszeiten orientieren sich damit stärker an den Supermärkten. Auch die Sortimente nähern sich an. So hat die Einlistung zahlreicher prominenter Marken wie Coca-Cola und Nivea in den Vorjahren die Aldi-Einkäufer offenbar auf den Geschmack gebracht. „Sowohl im Süden als auch im Norden stehen weitere Einlistungen bevor“, heißt es unisono in der Branche. Die neue Markenstrategie scheint aufzugehen.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%