Wirtschaft von oben #110 – Herzogenaurach Von hier regieren Adidas und Puma – und haben die DFB-Elf zu Besuch

In der sogenannten „Home Ground“-Anlage, die auf dem Bild rot eingekreist ist, residiert momentan die deutsche Nationalmannschaft. Quelle: LiveEO/Skywatch

Herzogenaurach ist selten in den Schlagzeilen. Dabei sitzen hier die zwei bekanntesten deutschen Sportmarken – und das nur wenige hundert Meter voneinander entfernt. Doch abgesehen vom Firmensitz, unterscheiden sich die Zentralen deutlich, wie Satellitenbilder zeigen. Und nur auf einem Konzerngelände kampiert momentan die DFB-Elf. „Wirtschaft von oben“ ist eine Kooperation mit LiveEO.

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Erinnert sich noch jemand an Watutinki? Genau – Watutinki, jener sagenhaft freudlose Ort außerhalb von Moskau, der den sonst allerlei Luxus gewohnten Elitekickern der Nation arg aufs Gemüt schlug. Angepriesen als „Gesundheitsfördernden Einrichtung Watutinki“ entpuppte es sich als eine Art bessere Jugendherberge hinter Stacheldrahtzäunen. Die deutschen Elitekicker, ob nun auch aufgrund der wenig luxuriösen Unterkunft ist spekulativ, versemmeltem jedenfalls die Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland.

Ganz anders schwärmte die DFB-Auswahl vier Jahre zuvor von der Unterkunft Campo Bahia in Brasilien. Und dieses Jahr? Quartiert sich die deutsche Mannschaft in Herzogenaurach ein. Zwei Stunden Fahrzeit sind es von hier bis zum Spielort München, wo die drei Vorrundenpartien stattfinden werden. Doch die eigentliche Besonderheit: Die „Home Ground“ genannte Anlage befindet sich auf dem Gelände des Adidas-Stammsitz, wie auf den exklusiven Satellitenbildern von LiveEO zu erkennen ist. Der langjährige Ausrüster und hinter dem US-Rivalen Nike zweitgrößte Sportkonzern der Welt hat sich hier nämlich innerhalb der vergangenen 20 Jahre seine eigene Welt geschaffen, wie die Satellitenbilder zeigen.

Doch nicht nur Adidas residiert hier. Nur wenig Hundert Meter entfernt liegt auch der Firmensitz von Puma. Bei allem, was die beiden von den Brüdern Rudolf und Adi Dassler vor fast 100 Jahren gegründeten Unternehmen auch trennt – beide starteten im Ortskern von Herzogenaurach.


Anfang des Jahrtausends verlegt Adidas dann aber seine Zentrale aus Herzogenaurach auf die Hügelkette oberhalb des Ortes. Hier bezieht der Konzern eine ehemalige Kaserne. Wie zwei große liegende „E“ strecken die 1936 von der Wehrmacht als Luftwaffenschule errichteten Gebäude ihre Flügel in das weitläufige Gelände. Ein verglaster Riegel verbindet die zwei alten Bauten, die Adidas komplett entkernen und sanieren ließ. Zwischen 1945 und 1992 war hier eine US-Artillerieeinheit untergebracht.

Die Pläne des Sportausrüsters sind zu Beginn des Jahrtausends groß: In zehn Jahren soll hier für 3000 Mitarbeiter die „World of Sports“ entstehen, unterhalb davon eine internationale Schule für die Kinder der Mitarbeiter und ein komplettes neues Stadtviertel mit Häusern und Wohnungen für mehr als 2000 Menschen.

In den folgenden Jahren verändert sich das Bild des Geländes eindrücklich, wie die Satellitenbilder zeigen. So entsteht beispielsweise im Süden, auf dem Bild aus 2008 am unteren, rechten Bildrand, ein riesiger Outlet-Store von Adidas. Dieser zielt neben den Einheimischen vor allem auf Autofahrer, die auf dem Weg in den Urlaub einen Einkaufsstopp einlegen wollen – die A3 ist nur wenige Kilometer entfernt. Gegenüber des Einkaufstempels eröffnet bald McDonald’s eine sportlich dekorierte Filiale.

Nach dem Vorbild eines Uni-Campus gruppieren sich in der Hügellandschaft im Laufe der Jahre mehrere teils von Star-Architekten entworfene Gebäude. So etwa das schleifenförmige Gebäude „Laces“ im Osten, das nach einem Entwurf des Architekturbüros Kadawittfeld entstanden ist. Designer werden hier zukünftig Sneaker und Sportkleidung entwerfen, im Untergeschoß wird die Entwicklungsabteilung untergebracht. Platz wird sein für 1700 Mitarbeiter.

Direkt neben dem „Laces“ und bereits 2008 fertiggestellt, liegt der Adi-Dassler-Sportplatz mit einer 400-Meter-Laufbahn und einem Fußballfeld. Bei Adidas ist man besonders stolz darauf, dass der Rasen des Platzes identisch ist mit dem der Münchner Allianz-Arena. Westlich des „Laces“ duckt sich ein schwarzer Kubus, das Brand Center, in dem Adidas den Einkäufern der Sportgeschäfte die neuen Kollektionen präsentiert.


Zur gleichen Zeit hat der Lokalrivale Puma südlich der Umgehungsstraße seine Konzernzentrale bauen lassen. Auf den Bildern ist sie in der linken Ecke zu erkennen. Das bisherige Hauptquartier im Ortszentrum nahe der Aurach, das erst wenige Jahre zuvor eröffnet worden war, platzt längst aus allen Nähten.

Auf dem Adidas-Gelände wird auch in den folgenden Jahren weiter kräftig gebaut. Nördlich des 2011 fertig gestellten „Laces“, dessen Dach aus Kunststoffkissen besteht, ist neben einem Parkhaus ein weiteres Gebäude entstanden. Hier befindet sich neben Fitnessstudios und Räumen für Krafttraining auch eine Kindertagesstätte. Das Wohngebiet im Süden des Adidas-Campus ist ebenfalls gewachsen.

Die Straßen hier sind nach den Austragungsorten von Olympischen Spielen bemannt.

Wenn auch in kleinerem Maße, so wächst auch Puma. Die Zentrale wird um einen weiteren Gebäudekomplex auf der gegenüberliegenden Straßenseite erweitert. Dieser ist über eine Brück mit dem alten Gebäude verbunden. Dort stellt der Konzern Schuhe bekannter Sportstars wie Boris Becker, Lothar Matthäus oder Usain Bolt in Glasvitrinen aus. Das Wachstum zeigt sich auch in den Zahlen. Von 2001 bis 2019 verfünffachte Puma seinen Umsatz von einer Milliarde Euro auf 5,5 Milliarden Euro. Der größere Konkurrent Adidas schrieb 2001 einen Umsatz von 6,1 Milliarden Euro, In 2019, dem Jahr vor Ausbruch der Corona-Pandemie, kam der Konzern auf Erlöse in Höhe von 23,6 Milliarden Euro.

Mittlerweile ist der Adidas-Campus fertiggestellt – als bislang jüngste, große Eröffnung hat der Konzern die „Arena“ im Frühjahr 2019 eingeweiht, wo unter anderem der Vorstand sitzt. Von außen erinnert das Gebäude an ein Fußballstadion, der komplette Bau erhebt sich auf Säulen über das Gelände. Verantwortlich für den Entwurf mit einer Nutzfläche von 52.000 Quadratmetern ist das Stuttgarter Architekturbüro Behnisch. Damit arbeiten nun alle 5600 Mitarbeiter der Adidas-Zentrale auf dem „World of Sports“ genannten Gelände – und vorübergehend wohnen hier nun auch die Hoffnungen der deutschen Fußballfans.

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Der Gebäudekomplex „Home Ground“ liegt umringt von Bäumen im Westen des Geländes. 15 Wohneinheiten sowie drei Bungalows gibt es auf dem Gelände, das Zentrum bildet ein Swimmingpool. Eigentlich sollte der Komplex schon im vergangenen Jahr eröffnet werden, doch die Coronapandemie kam auch hier dazwischen. So ist die Nationalmannschaft der erste Gast. DFB-Direktor Oliver Bierhoff sparte bei der Verkündung nicht mit Begeisterung: „Der Home Ground ist super. Wir haben alle Möglichkeiten – was wichtig ist, damit Atmosphäre entsteht. Es ist wichtig, dass man sich wohlfühlen kann. Die Abläufe und Wege sind top.“ Inwiefern sich die hochgelobte Unterbringung auf die Leistung der Nationalmannschaft auswirken wird, werden die deutschen Fußballfans dann das erste Mal am Dienstag beim Spiel gegen Frankreich beurteilen können.

Die Rubrik entsteht in Kooperation mit dem Erdobservations-Start-up LiveEO – dieses ist eine Beteiligung der DvH Ventures, einer Schwestergesellschaft der Holding DvH Medien, ihrerseits alleiniger Anteilseigner der Handelsblatt Media Group, zu der auch die WirtschaftsWoche gehört.

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