Der richtige Job Bei der Berufswahl geht es nicht um Ihre Interessen

Baukasten Beruf: Der richtige Job ist der, den man kann. Quelle: Getty Images

„Finde einen Beruf, der dir Spaß macht, und du wirst nie einen Tag im Leben arbeiten müssen“? Forscher raten mittlerweile zum Gegenteil: Der richtige Job ist der, den man kann – und nicht der, den man mag.

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Philipp Apke wusste genau, was er wollte, als er sich vor knapp 17 Jahren für das Studium der Wirtschaftspädagogik einschrieb: Mit Menschen arbeiten, ihnen helfen, sie fördern. Deshalb hielt er es für eine gute Idee, Lehrer zu werden – der Beruf passte perfekt zu seinen Interessen. Jedenfalls in der Theorie. Dann aber stand Apke nach sechs Semestern endlich vor einer Berufsschulklasse und stellte sich zwei Fragen: Kann ich diesen Job? Und will ich ihn überhaupt?

Wenig später wechselte Apke den Studiengang, schrieb sich für BWL ein und spezialisierte sich auf Personalwirtschaft. Heute hilft der 36-Jährige als Karriereberater an der HHL Graduate School of Management in Leipzig Studenten, ihre Laufbahn zu planen.

Dank seiner persönlichen Erfahrungen weiß Apke genau, mit welchen Problemen seine Klienten zu kämpfen haben. Und er weiß ebenso gut, dass simple Lösungen meist keine guten sind: „Viele Methoden suggerieren, die Berufswahl sei einfach“, sagt Apke, „aber sie werden der Komplexität nicht gerecht.“ Denn wer sich bei der Berufswahl ausschließlich auf seine Interessen konzentriert, der kann schnell in einer Sackgasse landen.

Was soll ich mal werden – und wonach soll ich mich richten? Spätestens im Studium stellt sich jeder einmal diese Frage. „Finde einen Beruf, der dir Spaß macht, und du wirst nie einen Tag im Leben arbeiten müssen“, lautet ein viel zitierter Ausspruch dazu. Dieses Mantra verbreiten auch Karrierecoaches, Berufsberater und Top-Manager regelmäßig. Ihre Botschaft lautet, dass es für jeden von uns einen passenden Beruf gibt; dass man nur lange genug seine Interessen erforschen und ihnen folgen müsse, dann werde man ihn schon finden, den Traumjob, und damit nicht nur erfolgreich, sondern auch glücklich.
„Ihr müsst die eine Sache finden, die ihr liebt“, gab der inzwischen verstorbene Apple-Chef Steve Jobs den Absolventen der Stanford-Universität auf einer Abschlussfeier einst mit auf den Weg, „falls ihr diese Arbeit noch nicht gefunden habt, sucht weiter.“ Diesen Eindruck vermittelt auch die Bundesagentur für Arbeit, die im Internet einen Selbsttest anbietet. Dessen erste Frage lautet: „Welche Tätigkeiten interessieren dich?“

Nun ist gegen Spaß bei der Arbeit nichts einzuwenden. Doch wahr ist eben auch: Für die Wahl des Jobs sind Interessen ein unzuverlässiger Ratgeber. Zahlreiche Studien kommen zu einem anderen Ergebnis: Für beruflichen Erfolg ist demnach vor allem wichtig, dass man etwas tut, was man wirklich kann. Ob man es auch gerne tut, ist tatsächlich zweitrangig.

Gleicher Beruf, andere Interessen

Das bestätigt der Psychologe Christopher Nye von der Universität von Michigan. Für seine Studie, die jetzt in der Fachzeitschrift „Journal of Vocational Behavior“ erschien, wollte er eine der Grundannahmen der Berufsforschung testen: dass Menschen sich ein Umfeld suchen, das zu ihrer Persönlichkeit, ihren Werten und ihren Interessen passt. Wenn diese Passung vorliegt, so die Überlegung, arbeitet man erfolgreicher und ist zufriedener. Diese Theorie setzt jedoch voraus, dass Menschen, die im gleichen Beruf arbeiten, gleiche Interessen haben. Aber stimmt das?

Um diese Frage zu beantworten, untersuchte Nye mit seinen Kollegen einen Datensatz von 67.000 Personen, die in insgesamt 211 unterschiedlichen Berufen tätig waren. Dank des „Strong Interest Inventory“, einem standardisierten Test, kannten die Forscher die persönlichen Neigungen dieser Menschen. Wollten sie vor allem künstlerisch arbeiten? War ihnen der soziale Aspekt ihrer Tätigkeit wichtig – oder wollten sie insbesondere unternehmerisch tätig sein?
Diese persönlichen Interessen verglich Nye mit jenen, die Menschen im gleichen Beruf angegeben hatten. Und siehe da: In manchen Jobs, darunter Künstler, aber auch Schreiner und Mechaniker, teilte die Mehrzahl zwar das stärkste Interesse. In fast der Hälfte der untersuchten Berufe war die Verteilung der Interessen aber völlig unterschiedlich. Sein Ergebnis: Viele arbeiteten in einer Position und einer Branche, die nicht unbedingt ihrem Hauptinteresse entsprach.

Eine abschließende Erklärung hat Forscher Nye dafür bislang noch nicht. Aber er hat eine Vermutung: Menschen wählen ihren Beruf anscheinend aus, ohne zu wissen, ob er ihre Interessen wirklich trifft. Ein Problem? Im Gegenteil. „Es ist gut möglich, dass sie damit zufriedener werden“, sagt Nye, „selbst wenn ihre Arbeit sie nicht so sehr interessiert.“

Aljoscha Neubauer fühlt sich durch die Studie bestätigt. „Wer sich alleine nach seinen Interessen richtet, läuft Gefahr, im falschen Berufsfeld zu landen“, sagt der Psychologieprofessor an der Universität Graz. „Wenn man sich an etwas orientieren sollte, dann zuerst an den eigenen Begabungen.“ Neubauer hat gerade ein Buch geschrieben, für das er den aktuellen Forschungsstand zusammengetragen hat: „Mach, was du kannst“. Der Titel trifft: In seinen Auswertungen hat Neubauer herausgefunden, dass beruflicher Erfolg nur zu etwa einem Drittel durch die Interessen erklärt werden kann, aber überwiegend durch Begabung.

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