Fehlzeiten-Report 2019 Vorsicht Homeoffice!

Nach dem Fehlzeiten-Report der AOK beeinträchtigt das Arbeiten von Zuhause aus das Wohlbefinden. Quelle: imago images

Beschäftigte am heimischen Schreibtisch leiden öfter unter Stress, Wut und Schlafstörungen – das sind die Ergebnisse des Fehlzeiten-Report 2019 der AOK. Was am Homeoffice krank macht – und was dagegen hilft.

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Arbeit von Zuhause aus beeinträchtigt das Wohlbefinden. Zu diesem Schluss kommt der neue Fehlzeiten-Report der Allgemeinen Ortskrankenkassen (AOK), der die Folgen der Digitalisierung auf Beschäftigte in Deutschland untersucht hat. Die Wissenschaftler im Auftrag der gesetzlichen Kassen haben herausgefunden, dass Homeoffice oft psychischen Stress bedeutet. Die Mitarbeiter, die teils von zuhause aus arbeiten, melden sich jedoch seltener krank als Arbeitnehmer, die nur im Betrieb tätig sind.

Zuhause verschwimmen die Grenzen zwischen Job und Privatleben, führt der repräsentative Report unter 2000 erwachsenen Versicherten unter 65 Jahren aus. Die Mitarbeiter in Hausschuhen arbeiten öfter mal abends oder am Wochenende, verschieben Verabredungen, wenn noch eine Mail reinkommt und können danach schlechter abschalten als ihre Kollegen nach dem Verlassen des Bürogebäudes. Das führt der Untersuchung zufolge zu Erschöpfung, Konzentrationsproblemen und Schlafstörungen. „Wer viel im Homeoffice arbeitet, leidet häufiger unter solchen Problemen als andere Beschäftigte“, fasst Helmut Schröder vom Wissenschaftlichen Institut der AOK zusammen.

Rund 40 Prozent der Beschäftigten arbeiten den AOK-Zahlen zufolge heute regelmäßig außerhalb ihres Unternehmens. 20 Prozent der Arbeitsstunden werden außerhalb der Firma geleistet. Das bedeute oft psychischen Stress. Jede dritte Tele-Arbeiterin mit Büro-Anschluss arbeitet danach häufig auch abends oder am Wochenende, mehr als jede Zehnte hat in den zurückliegenden vier Wochen wegen privater Angelegenheiten die Arbeit unterbrechen müssen.

Stillschweigend würde bei Heimarbeitern auch einkalkuliert, dass diese eher erreichbar seien in Zeiten, die sonst als Freizeit oder Urlaub tabu seien. Jeder Fünfte berichte über Anrufe oder dienstliche Mails außerhalb der Arbeitszeiten, bei den Beschäftigten im Betrieb sei das nur jeder Zwanzigste. Jede Siebte habe im letzten Monat private Aktivitäten geändert oder ganz abgesagt, weil berufliche Pflichten dazwischengekommen seien. Bei den übrigen Beschäftigten sei das nur jeder Zwanzigste. Deshalb könnten Heimarbeiter schlechter abschalten und schlechter schlafen, urteilt der Report. Mehr als zwei Drittel von ihnen seien immer wieder wütend bei der Arbeit, drei Viertel gar regelmäßig erschöpft.

Das seelische Wohlbefinden leidet, allerdings scheint sich diese Art des flexiblen Arbeitens für Unternehmen wie Beschäftigte doch zu lohnen. Für Arbeitgeber gelte: Die Mitarbeiter am heimischen Schreibtisch meldeten sich seltener krank als andere. Sie fehlten im Schnitt an knapp acht Tagen im Jahr bei der Arbeit, diejenigen, die nur im Betrieb arbeiteten, fehlten an rund zwölf Tagen. Hier spekulieren die Wissenschaftler über die Ursachen: Unter Umständen arbeiteten jene im Homeoffice bei Krankheit weniger und holten verlorene Arbeitszeit nach – ohne sich krank zu melden.

Zufrieden mache die Fernarbeiter mit digitalem Anschluss ans Büro, dass sie flexibler und selbstständiger arbeiten könnten, heißt es bei der AOK. Zwei Drittel gäben an, sie könnten zuhause mehr Arbeit bewältigen und drei Viertel gar waren konzentrierter am Werk.

Der erschöpfte wie zufriedene Heimarbeiter – ein Widerspruch? Nicht ganz, löst Mitherausgeberin Antje Ducki auf. „Es mag auf den ersten Eindruck wie ein Widerspruch klingen, dass sowohl die psychischen Belastungen als auch die Arbeitszufriedenheit im Homeoffice höher sind“, weiß die Professorin an der Berliner Beuth Hochschule für Technik. Ihr Heilmittel: Mit Selbstdisziplin die Fallen der Digitalisierung meistern. Jede und jeder müsse versuchen, die Arbeit so zu gestalten – und auch zurückzudrängen – dass die Gesundheit nicht leide. Auch das sei digitale Kompetenz.

„Da die digitalen Techniken rund um die Uhr zur Verfügung stehen, braucht es mehr Selbstdisziplin des Einzelnen, sie auch mal auszuschalten“, sagt Ducki.

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