High Potentials „Man gilt als arrogant und überambitioniert“

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Den hohen Erwartungen gerecht werden

Was ich nach drei Jahren im Unternehmen gemerkt habe: Ich möchte diese Seite von mir nicht ständig unterdrücken. Es ist das, was mich ausmacht und mich überhaupt erst hier hingebracht hat. Wenn ich das Gefühl habe, Kollegen dauernd mit Samthandschuhen anfassen zu müssen, dann muss ich mich verstellen. Mir geht es auch gar nicht um Anstand und Höflichkeit, die sind für mich selbstverständlich. Aber die ehrliche Meinung muss man im eigenen Team aushalten können, sonst kommt man nicht weiter.

Ich bin jetzt an einem Punkt, an dem ich merke: Ich könnte hier Karriere machen, und das wahrscheinlich schneller als andere. Aber ich merke auch, dass Kollegen mir das neiden und mich deshalb ständig hinterfragen. Das macht mich persönlich nicht glücklich. Ich halte deshalb die Augen nach einem Job offen, bei dem das nicht so ist.

Felix Tänzer, 27 Jahre, Telekommunikationskonzern

Ich tue mich schon mit dem Wort High Potential schwer. Darin liegt eine Abgrenzung, die ich eigentlich gar nicht will. Ein Unternehmen besteht nicht aus Einzelpersonen, sondern aus einer Gruppe von Menschen, die zusammen etwas leistet. Bezeichnungen wie diese machen den Zusammenhalt komplizierter.

Ich habe mich aber bewusst für ein Trainee-Programm entschieden, das sich an junge Talente richtet, die eine Managementaufgabe anstreben. Ich habe dabei ein paar Dinge gelernt. Zum einen braucht man eine starke Grundmotivation zur Leistung. Das ist wichtig, denn die Anforderungen, die an einen gestellt werden, sollte man ständig übertreffen. Das wird erwartet. Ebenfalls erwartet wird, dass man sich in jedes Thema schnell einarbeiten kann. Und ich erwarte von mir selbst, dass ich während all dieser Tätigkeiten auch ein Vorbild für andere bin.

von Kristin Rau, Jan Guldner, Cornelius Welp

Natürlich gibt es auch Probleme. Zum Beispiel habe ich erlebt, dass Vorgesetzte, die einen anderen Bildungshintergrund haben und nicht von einer Top-Uni oder Business School kommen, eher skeptisch sind. Andere Chefs sehen in jedem, der möglicherweise sehr begabt ist, eine direkte Konkurrenz. Meine Erfahrung ist, dass man sich, insbesondere in sehr hierarchischen Strukturen, darauf einlassen muss und zunächst überlegen, wie man dem Vorgesetzten beim Erreichen seiner Ziele helfen kann.

Als High Potential kommt man immer mit Vorschusslorbeeren in ein Team. Gerade deshalb wird man sofort ins kalte Wasser geworfen. Die Leute wissen ja nicht, ob die große Erwartungshaltung gerechtfertigt ist. Entweder hält man also, was der Ruf verspricht und man kommt damit klar. Oder man wird der Erwartungshaltung nicht gerecht. Dann ist es wichtig, mit dem Vorgesetzten über die Lücke zwischen Anspruch und Wirklichkeit zu sprechen. Gemeinsam kann man dann überlegen, wie das künftig besser laufen kann – ohne den High Potential zu demotivieren. Dass all das mit hohem Druck verbunden ist, ist sowieso klar.

Wichtig ist, dass man all das nicht alleine auf sich nimmt. Es ist immer hilfreich, mit Menschen zu sprechen, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben und zu erfahren, wie sie damit umgegangen sind. Nur so kann man den Erwartungen und der hohen Verantwortung gerecht werden.

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