Lockdowns, Impfgerangel und Co. So gelingt Ihnen der gedankliche Neustart

Wie gelingt der gedankliche Neustart? Quelle: imago images

Was für ein Jahr, nicht wahr? Zwölf Monate samt Gerangel um Impftermine, Lockdowns und ständigen Wechseln zwischen Büro und Homeoffice. Jetzt also 2022. Zeit für einen Neubeginn – zumindest im Kopf.

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Das Jahr 2021 endete wie sein Vorgänger: ohne ein Weihnachtsfest „wie früher“, ohne unbeschwerte Silvesterparty. Dafür mit dringlichen Bitten um Kontaktreduzierung, mitten in einer Coronawelle. So sehr wir uns noch zu Beginn des Jahres nach einem anderen Ausklang sehnten, so sehr passt dieser Jahresabschluss doch in das Bild des gesamten Jahres: Aus einem „Lockdown light“ erwuchs ein mehrmonatiger Dauerlockdown. Der Sommer war geprägt vom Kampf um Impfstofftermine. Und wer seine Arbeit auch zu Hause verrichten konnte, saß entweder das gesamte Jahr über am heimischen Schreibtisch oder pendelte notgedrungen zwischen Büro und Küchentisch, wann immer die Regierung eine Homeofficepflicht einführte oder auslaufen ließ. Ach, nicht zu vergessen: Zahlreiche neue Virusvarianten hat uns 2021 auch noch beschert, darunter Delta und Omikron.

Damit 2022 nun nicht das nächste Jahr im Hamsterrad wird, drängen sich gleich mehrere Fragen auf: Wie schließe ich mit dem vergangenen Jahr ab? Wie miste ich gedanklich aus? Und wie starte ich so erholt wie nur möglich ins neue Jahr, obwohl Corona immer noch da ist? Geht das überhaupt? Mit der richtigen Vorbereitung schon, meint Laura Venz. Sie ist seit 2019 Juniorprofessorin für Arbeits- und Organisationspsychologie am Institut für Management & Organisation an der Leuphana Universität Lüneburg. (Wie Sie sich die richtigen Ziele für 2022 setzen, erfahren Sie übrigens hier.)

WirtschaftsWoche: Frau Venz, sind Sie froh, dass 2021 vorbei ist?
Laura Venz: Naja, zumindest ein Stück weit. Ich muss gestehen, dass es mir so geht wie vielen anderen: Ich hatte gehofft, dass das Jahr 2021 mit besseren Aussichten für 2022 endet. Allerdings ist es auch schön zu wissen, jetzt ein komplett neues Jahr mit neuen Möglichkeiten vor sich zu haben.

Allerdings grassiert die Omikron-Variante weiterhin, gut möglich, dass wir nach den Feiertagen die Kontakte noch deutlicher beschränken müssen, als wir das gerade ahnen. Eigentlich ändert sich jetzt doch nur die letzte Ziffer in der Jahreszahl. Und das genügt Ihnen, um zumindest etwas Optimismus zu schöpfen?
Also die Hoffnung sollten wir uns schon noch bewahren. Wir befinden uns auch in einer etwas anderen Situation als im vergangenen Jahr: Mit den Impfungen haben wir zumindest die effektivsten Werkzeuge in der Hand, um diese Pandemie in den Griff zu bekommen, sie sogar zu bekämpfen. Schauen Sie: Ich bin selbst Wissenschaftlerin und stehe deshalb umso stärker an der Seite der vielen tollen Epidemiologen und Immunologen, die wissen, wie wir die Pandemie besiegen. Meine Hoffnung liegt darin, dass wir ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse im neuen Jahr noch besser in die Bevölkerung tragen können, damit ihnen noch mehr Menschen folgen. Dann kommen wir im nächsten Herbst und Winter nicht wieder in eine solche Situation, in der wir aktuell noch stecken. Ich schaue also viel mehr auf das Ende von 2022 – und nicht auf den Anfang. Denn der wird ungemütlich, keine Frage.

Wie wichtig sind denn aus psychologischer Sicht diese Orientierungspunkte für die eigene Zuversicht? Etwa der Winter 2022, der hoffentlich besser wird, aber noch in weiter Ferne liegt.
Sie können auf jeden Fall helfen. Aber wir müssen vorsichtig sein: Auch vor einem Jahr haben wir gehofft, dass wir Weihnachten und Silvester wieder „normal“ feiern könnten. Jetzt wird es schwieriger, diese Hoffnung ein weiteres Mal aufrecht zu erhalten. Vor allem Doppeltgeimpfte und Geboosterte, die dachten, nun endlich den persönlichen Ausweg aus der Pandemie gefunden zu haben, sind aktuell desillusioniert. Und das völlig zu Recht. Auch sie müssen die Kontakte beschränken, auch sie müssen sich einschränken. Ich selbst habe im Februar 2021 eine Reise für Februar 2022 gebucht und war überzeugt, dass das schon klappen würde. Jetzt gerade bin ich sicher, dass ich in weniger als zwei Monaten wohl kaum zu einer Kreuzfahrt an der Küste Norwegens aufbreche. Solche Ereignisse können den Optimismus schnell pulverisieren, wenn man in der Pandemie eigentlich alles befolgt und richtig gemacht hat.

Wie können wir es trotzdem schaffen, zumindest etwas erholt ins neue Jahr zu starten?
Es gilt zu unterscheiden zwischen den Beschäftigten, die im Homeoffice arbeiten, und denjenigen, die weiter ins Büro oder ins Werk fahren. Für Heimarbeiter lohnt es sich, jetzt zum Jahreswechsel Strategien zu erarbeiten, damit das Privatleben und die Erholung von der Arbeit im neuen Jahr und darüber hinaus nicht zu kurz kommen. Immerhin ist es zu Hause so leicht möglich, länger zu arbeiten: Viele Beschäftigte investieren die Zeit, die sie nun ohne Pendelei sparen, in die Arbeit und schuften einfach mehr. Das Mittagessen in der Pause wird schnell vor dem Monitor eingenommen. Das schadet der Erholung.



Welche Strategien meinen Sie?
Sie sollten sich fragen, was ihnen im Homeoffice guttut und was Sie an der Arbeit im Büro schätzen. Und dann kombinieren Sie die Vorteile aus beiden Welten, egal wo Sie gerade arbeiten. Als Beispiel: Sie sind nun bis März im Homeoffice, weil die Corona-Regelungen das so vorsehen, und ihnen fällt auf, dass Ihnen die Fahrradfahrt zur Arbeitsstätte immer gutgetan hat und ihnen fehlt. Sie könnten auch vor der Arbeit im Homeoffice eine Fahrradfahrt simulieren. Zwar ohne konkretes Ziel wie auf dem Weg zur Arbeitsstätte, aber eine Fahrt durch den Park schafft Erholung und holt sie mal aus dem Hamsterrad.

Die Beschäftigten, die mit dem Auto oder Zug pendelten, werden allerdings froh sein, dass sie nicht mehr in der stickigen Bahn oder im Stau stehen müssen.
Richtig. Doch sie sollten die gewonnene Zeit keinesfalls in Arbeitszeit übersetzen, sondern sie für das eigene Wohlbefinden nutzen. Lassen Sie sich hier bloß nicht von Hypes beeinflussen. Nicht jedem hilft Achtsamkeit oder ein hipper Yoga-Kurs, um sich erholter zu fühlen. Sie sollten sich ausprobieren. Die Forschung zeigt, dass das Abschalten eine der wichtigsten Erfahrungen bei der Erholung ist. Also wirklich mal nicht an die Arbeit zu denken. Sport etwa ist sehr sinnvoll, um abzuschalten. Es kann auch erholend wirken, ein Buch zu lesen oder gemeinsam mit dem Partner zu kochen. Nur das eine Geheimrezept gibt es leider nicht.

Wie können Sie im sicherlich stressigen Arbeitsalltag als Professorin abschalten?
Mir selbst ist aufgefallen, dass ich im Büro viel häufiger vom Schreibtisch aufstehe als im Homeoffice. Etwa um mal bei den Kollegen vorbeizugehen oder weil der Drucker an einem eigenen Platz steht. Um im Homeoffice nicht stundenlang vor dem Bildschirm zu hängen, habe ich einen Timer, der mich daran erinnert, auch mal ohne Grund aufzustehen und mich zu bewegen.

Und wie häufig ermahnt Sie der Timer an einem Arbeitstag?
Auch das ist individuell, meiner klingelt in der Regel nach einer oder anderthalb Stunden.

Wie verhält es sich in diesem Jahr mit Neujahrsvorsätzen? Die Pandemie machte ja schon viele Vorhaben zunichte.
Grundsätzlich ist es immer gut, Ziele zu haben. Auch in der Pandemie. Wichtig ist nur, dass diese Ziele auch realistisch und spezifisch sind. Einfach nur mehr Sport machen zu wollen, ist so ein Vorsatz, der sich nach zwei Wochen schon wieder erledigt hat.

Aber die Goldmedaille auf 100 Metern sollte es auch nicht gleich sein.
Genau, zwei kleine Laufeinheiten die Woche an festen Tagen vor der Arbeit können ein guter Vorsatz sein. Es genügt in der Pandemie aber auch, einfach mal stolz auf sich zu sein, was man in den letzten zwei Jahren der Pandemie alles geleistet hat, das noch im Jahr 2019 undenkbar gewesen wäre.

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Sie selbst werden aber doch einen Neujahrsvorsatz haben, oder?
Ich habe 2020 mit regelmäßigen Hula-Hoop-Einheiten begonnen und mir auch mehrere Reifen gekauft. Leider ist das zuletzt wieder etwas eingeschlafen. 2022 will ich wieder jeden Tag vor der Arbeit eine 15-minütige Session einlegen.

Kleine Anregungen für den Stressabbau:

  • Schluss mit dem Multitasking. Fokussieren Sie sich im Job und arbeiten Sie Aufgaben (falls möglich) strukturiert nacheinander ab. Wenn Sie ihren Tagesablauf vorher strukturieren, erkennen Sie, welche Aufgaben Sie mit welcher Dringlichkeit erledigen sollten. Hangeln Sie sich an dieser Liste entlang.
  • Digital Detox: Haben Sie schon einmal in den Einstellungen ihres Smartphones überprüft, wie viele Stunden Sie am Tag am Handy verbringen. Nein? Dann machen Sie sich auf einen kleinen Schock etwas gefasst. Reduzieren Sie im neuen Jahr ihre Zeit am Smartphone oder Laptop, das senkt den Stresslevel. Dafür lassen sich bei vielen Modellen Timer stellen, auch für zeitfressende Apps wie Instagram oder Facebook.
  • Gehen Sie raus! Eine regelmäßige Sporteinheit schafft einen guten Ausgleich zum Job. Ob Joggen, Tennis, Fußball oder Badminton. Und sollten Sie es langsamer angehen wollen: selbst ein Spaziergang entlastet. Und im langsamen Tempo nehmen Sie die Umgebung auch gleich bewusster wahr.
  • Waldeinsamkeit: Wenn Sie schon gerade draußen sind, ist vor allem der Wald ein toller Ort, um abzuschalten. Schon ein paar Minuten im Grünen haben einen positiven Effekt auf die Gesundheit, zeigten Studien. Und sollten Sie nicht gerade in der Provinz leben, keine Sorge: Der Stadtwald tut's auch.
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