Unternehmen im Klimastress „Großraumbüros sind für Behaglichkeit der worst case“

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„In wärmeren Ländern ist es auch normal, dass man es mittags ruhiger angehen lässt“

Man merkt, Sie sind kein großer Verfechter der zentral gesteuerten Klimaanlage.
Energetisch finde ich es schwierig, wenn jemand im Sommer bei 22 Grad im Büro sitzt. Auch wenn es seiner Präferenz entspricht, muss man sich fragen, ob das sein muss. Ich bin kein Freund von Verboten, aber würde versuchen durch Information zu überzeugen, nicht zu tief herunterzukühlen. Der Körper ist adaptionsfähig. Aber wenn ich mich immer in klimatisierten Räumen aufhalte, kann sich mein Körper nicht an wärmere Bedingungen anpassen.

Ein bisschen Schwitzen muss man also ertragen.
Studien zeigen, dass es für den Körper gut sein kann, wenn man aus seinem Komfortbereich rauskommt. Also den Organismus leicht zu fordern, aber dadurch zu stärken. Wenn wir immer in den gleichen Bedingungen hocken, verlernt der Körper, sich auf größere Schwankungen einzustellen, denn er vergleicht die aktuellen Sinneseindrücke ständig mit dem was er in der Vergangenheit erlebt hat. Wenn er also tagsüber nicht erlebt hat, dass es heiß war, dann lernt er auch nicht, wie er sich abkühlen kann. Dann empfinden wir die Abende im nicht klimatisierten zu Hause als noch wärmer, gerade weil wir es gewöhnt sind, dass es abends tendenziell kühler wird.

In diesem Jahr gab es wieder ausreichend Anlass, sich an heißere Temperaturen zu gewöhnen. Wie beeinflusst die Hitze überhaupt die Arbeit?
Unsere Produktivität sinkt, wenn wir in einer zu heißen Umgebung arbeiten. Man spürt das ja auch selbst. Aber die meisten Studien, die ich kenne, sind fokussiert auf einzelne Aspekte der Bürotätigkeit. Wie extrem aber der Effekt auf Nicht-Routinetätigkeiten ist, wie Sie und ich sie ausüben, ist nicht abschließend erörtert. Denn es gibt auch Tätigkeiten, die man bei höheren Temperaturen schneller macht, Tippen auf Tastaturen zum Beispiel. Die Frage ist also: Wie viel weniger produktiv werden wir wirklich. Es gibt in manchen Laborstudien dramatische Effekte, die sich in der Realität nicht so extrem darstellen.

Wie geht man damit um?
Klar, man kann Gebäude stärker klimatisieren. Aber man muss sich als Gesellschaft auch fragen, ob man das zu einem gewissen Teil nicht einfach akzeptieren muss. Bis heute ist es in wärmeren Ländern auch normal, dass man es mittags ruhiger angehen lässt. Warum sollten wir im Sommer nicht auch früher nach Hause gehen und mit einem kühlen Getränk auf der Terrasse sitzen, statt noch 100 Mails abzuarbeiten.

Ist das denn realistisch?
Ich weiß, das ist leichter gesagt, als getan. Das kann kein Mensch, kein Unternehmen, kein Land alleine durchsetzen. Das muss man als Gesellschaft klären. Muss man zu jeder Tageszeit volle Leistung bringen können? Ich denke, es muss daraus kein Schaden für die Gesamtwirtschaft entstehen. Ein Unternehmen alleine könnte natürlich darunter leiden. Aber vielleicht ist es auch eine Möglichkeit, motivierte Fachkräfte zu finden, die dann im Winter umso motivierter arbeiten.

Mehr zum Thema: Hitze, Dürre, Starkregen: Der Klimawandel begünstigt Extremwetterlagen und stresst Wirtschaft und Beschäftigte. Welche Folgen das hat – und wie sich Unternehmen auf die nächsten heißen Sommer vorbereiten.

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