Die Zahlen scheinen aus einer anderen Welt zu stammen. Im ersten Halbjahr legte der Umsatz um 18 Prozent zu, der operative Gewinn um 23, der Auftragseingang gar um 27 Prozent. Die Coronakrise? Findet anderswo statt. Jedenfalls nicht bei Sartorius, dem Laborausrüster aus Göttingen mit einem Jahresumsatz von zuletzt 1,8 Milliarden Euro. Alle fünf Jahre verdoppelt Sartorius den Umsatz, seit Vorstandschef Joachim Kreuzburg die Geschäfte führt. „Unser Ziel von zwei Milliarden Euro Umsatz 2020 sollten wir erreichen“, sagt er. Für 2025 peilt er vier Milliarden Euro an.
Seit 150 Jahren existiert das von dem Mechaniker Florenz Sartorius gegründete Unternehmen. Heute beliefert es die Labors der Welt mit allem, was sie benötigen: Fermenter, in denen Zellkulturen wachsen, Filter zur Wasserreinigung oder Chromatografen, die Stoffe genauestens analysieren können. „Von den gut 160 Unternehmen und Instituten, die an einem Coronaimpfstoff forschen, nutzt die Mehrheit unsere Produkte“, sagt Kreuzburg.
Und das ist vor allem den Entscheidungen des Vorstandschefs Kreuzburg zu verdanken, der das Unternehmen seit 15 Jahren führt. Vor einigen Wochen hat der Aufsichtsrat seinen Vertrag bis 2025 verlängert. Kreuzburg, 55 Jahre alt, studierter Maschinenbauer, setzt konsequent auf eine Doppelstrategie: einerseits das Produktsortiment zu verbreitern, andererseits die Zahl der Industrien zu verringern, die er bedient. Noch vor gut 20 Jahren, als Kreuzburg kam, war es umgekehrt: Sartorius verkaufte nahezu ausschließlich Wägetechnik sowie Membranfilter, allerdings in diversen Branchen. Alles andere als effizient, hat doch jede Industrie ihre eigenen Besonderheiten. Kreuzburg holte Fermenter und Chromatografen ins Sortiment. Und setzte auf die wachsende Biopharmaindustrie, von anderen Kunden, etwa aus dem Maschinenbau, der Grundstoff- und Chemieindustrie, trennte er sich.
Der Vorstandschef – Markenzeichen: schulterlange Haare – sicherte die Strategie mit Zukäufen ab. „In den vergangenen 20 Jahren hat Sartorius etwa 1,5 Milliarden Euro für Zukäufe ausgegeben“, schätzt Kreuzburg. Erst vor wenigen Wochen hat er die mit 750 Millionen Dollar größte Übernahme der Firmengeschichte abgeschlossen, Teile des US-Konzerns Danaher gehen damit auf Sartorius über.
Noch heute profitiert sein Haus von der 2007 erfolgten Übernahme des französischen Biotechspezialisten Stedim, einem der ersten Deals, die Kreuzburg einfädelte. Das Unternehmen produziert Einwegbeutel mit bis zu 3000 Liter Fassungsvermögen, die als Fermenter dienen. Der Vorteil: Im Gegensatz zu den klassischen Edelstahlkesseln müssen die Einwegfermenter nicht aufwendig gebaut und gereinigt werden; Medikamente können so schneller hergestellt werden.
Zu Kreuzburgs größten Fans gehören längst die Aktionäre des Konzerns: In den vergangenen 20 Jahren stieg der Sartorius-Kurs um mehr als das 100-Fache. Noch so eine Zahl aus einer anderen Welt.
Entscheidungsmacher
Welche Manager handeln richtungsweisend? Dieser Frage widmen sich die WirtschaftsWoche und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG in der Serie EntscheidungsMacher. Die Redaktion nominiert Kandidaten, eine Jury wählt den Gewinner. Bei der ersten Auflage 2017 wurde Osram-Chef Olaf Berlien ausgezeichnet, 2018 siegte TUI-CEO Friedrich Joussen, 2019 Ralph Dommermuth von United Internet.