„Den meisten geht es um Komfort und Auswahl“ Langsamer und ohne Lager: So will Bringoo andere Lieferdienste angreifen

Lieferdienst Bringoo Quelle: PR

Mit überschaubaren finanziellen Mitteln sucht Bringoo den Wettbewerb mit Gorillas und Flink. Im Interview verrät Gründer Hasib Khan, wie er gegen die Platzhirsche ankommen will und warum ihn seine Zeit in Afghanistan gut darauf vorbereitet hat.

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Der Wettbewerb der Lieferdienste in Deutschland wird intensiver: Nach Gorillas und Flink expandieren Getir und Getfaster in Deutschland. In bisher acht Städten mischt auch Bringoo mit – und macht vieles anders als die Konkurrenz: Statt eigene Lager aufzubauen, beliefert das Ende 2019 gegründete Hamburger Start-up Kunden aus bestehenden Supermärkten. Statt einer Lieferung innerhalb von zehn Minuten sind hier 45 Minuten der Standard. Kann Bringoo es dennoch auf die Überholspur schaffen?

Herr Khan, Gorillas und Flink sind in deutschen Großstädten bereits omnipräsent. Wie wollen Sie mit Bringoo gegen solch starke Konkurrenz bestehen?
Unser Konzept ist grundlegend anders: Wir konkurrieren nicht mit dem Einzelhandel vor Ort, sondern unterstützen ihn durch unsere Technologie und Logistik. Unsere Partner erreichen so Käufer, die auf Bequemlichkeit aus sind und lasten bereits vorhandene Kapazitäten besser aus.

Mit wem kooperieren Sie bisher?
Wir haben Partnerschaften mit dem Discounter Penny und einzelnen Edeka-Märkten, aber auch mit ersten Händlern abseits des Lebensmittelhandels. In Pinneberg liefern wir beispielsweise für den Buchhändler Hugendubel aus. In den nächsten Wochen werden wir weitere Kooperationen mit sehr bekannten und großen Ketten bekanntgeben. Die Vision ist, dass man in unserer App Geschäfte aller Art findet – vom Supermarkt über die Apotheke bis zum Blumenladen. Bringoo ist das digitale Einkaufszentrum der Nachbarschaft, das bis zur Haustür liefert.

Kunden müssen bei Ihnen 45 Minuten auf ihre Bestellung warten oder sich gleich für ein späteres Lieferzeitfenster entscheiden. Warum sollten sie das tun, wenn sie ihren Einkauf bei der Konkurrenz viel schneller bekommen?
Den meisten Kunden geht es nicht um eine Zehn-Minuten-Lieferung, sondern um den Komfort und die Auswahl. Durch unsere Lieferfenster geben wir unseren Kunden die Möglichkeit vorauszuplanen. Außerdem findet man bei uns exakt die Produkte, die es vor Ort gibt – das Sortiment ist also breiter. Und die Artikel sind viel günstiger. Wer beispielsweise über uns bei Penny einkauft, hat dieselben Preise wie im Laden. Kunden zahlen nur eine Liefergebühr von 2,90 Euro. Das größte Plus ist aber, dass wir nicht nur in Großstädten aktiv sind. Unser Konzept funktioniert genauso in Kleinstädten. Im Rheinland sind wir beispielsweise außer in Köln auch in Nachbarstädten wie Hürth, Frechen oder Brühl vertreten.

Sie brauchen überall jemanden, der die Bestellungen im Supermarkt zusammensucht und dann noch jemanden, der das ausliefert. Wie kann sich das für Sie rechnen bei einer Liefergebühr von 2,90 Euro?
Wir arbeiten provisionsbasiert – das heißt, wir bekommen einen Umsatzanteil der Händler. Das ist die eigentliche Einnahmequelle. Gegenüber unseren Konkurrenten, die im übrigen ja immer noch viel Geld verbrennen, haben wir sehr viel geringere Kosten: Wir mieten keine Lagerflächen in Innenstädten und wir müssen uns um viele Prozesse wie Nachbestellungen nicht kümmern. Außerdem brauchen wir keine Plakatwände zukleistern, um bekannt zu werden. Die Kunden werden vor allem durch unsere Partner auf uns aufmerksam. Auf der Penny-Homepage etwa sind wir an vielen Stellen eingebunden.

Abseits der Großstädte ist das Bestellvolumen geringer. Verbrennen nicht auch Sie viel Geld, wenn Sie Mitarbeiter nicht voll auslasten?
Das Schöne ist, dass unser Modell sehr flexibel ist. In Pinneberg haben wir zum Beispiel in einem Markt jemanden eingestellt, der teilweise auch von unserem Partner bezahlt wird. Immer wenn der Mitarbeiter Leerlauf hat, räumt er Regale ein. Es gibt auch die Option, dass die Läden selbst die Sendungen zusammenstellen und wir nur die Logistik übernehmen. Das bietet sich beispielsweise für einen Blumenhändler oder Apotheker an. Eine dritte Möglichkeit ist, dass die Partner auch die Auslieferung selbst machen und wir nur als Marktplatz agieren – das ist vor allem für lokale Getränkemärkte interessant.

Die Bewertungen im App-Store fallen nicht besonders gut aus. Viele Nutzer kritisieren, dass bestellte Artikel nicht verfügbar waren und die Lieferung sich verspätet. Kommt das Konzept bei den Kunden vielleicht doch nicht an?
Unzufriedene Kunden sind schneller mit ihrem Feedback auf den Plattformen als zufriedene Kunden. Die bestätigen ihre Zufriedenheit eher mit mehr Bestellungen. Und das funktioniert bei uns gut: Wir haben sehr schnell Stammkunden gewonnen. Über 60 Prozent unserer Kundschaft hat bereits mehr als fünf Mal bei Bringoo bestellt. Wir fangen nun damit an, unsere Kunden stärker zu Bewertungen im App-Store zu animieren. 

Sie haben im Dezember eine Finanzierungsrunde in siebenstelliger Höhe abgeschlossen. Mit welchen Geschäftszahlen haben Sie werben können?
Über unsere Plattform verkaufen wir monatlich Waren mit einem sechsstelligen Gesamtwert. Der durchschnittliche Einkaufskorb hat einen Wert von über 40 Euro. Damit sind wir sehr zufrieden angesichts dessen, dass wir erst vor einem Jahr gestartet sind. Das Potenzial ist noch riesig, vor allem außerhalb der Großstädte. Ein Vorbild für uns ist das US-Start-up Instacart, das mit demselben Modell sehr erfolgreich ist und inzwischen mit 40 Milliarden Dollar bewertet wird. Das stellt alle Quick-Delivery-Unternehmen in den Schatten.

Was hat bei Ihnen den Impuls gegeben, in dem Bereich zu gründen?
Ich kannte das Konzept aus dem Ausland und habe mich gewundert, dass es das in Deutschland noch nicht gibt. Berührungspunkte mit dem Lebensmittelhandel hatte ich schon früh in meinem Leben. Meine Eltern betreiben einen Supermarkt in Hamburg. Erfahrungen im Liefergeschäft habe ich in Afghanistan gesammelt. Dort habe ich nach dem Abitur einen Lieferdienst für Militärstützpunkte aufgebaut.

Wie kam das zustande?
Ich bin da reingerutscht. 2011 habe ich für jemanden aus dem Umfeld der deutschen Streitkräfte Lebensmittel besorgt und wurde dann gefragt, ob ich nicht auch Transporte machen könnte. Einige Monate später habe ich als Subunternehmer unter anderem die Bundeswehrstützpunkte beliefert und bin später sogar zum „Prime-Contractor“ der US-Armee aufgestiegen. Das war eine sehr lehrreiche Zeit und hat mich bestärkt, einen Lieferdienst in Deutschland aufzubauen. Im Vergleich zu Transporten in einem Kriegsgebiet ist es eigentlich banal, eine Tüte mit Lebensmitteln innerhalb Kölns von A nach B zu bringen.

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Die Herausforderung in Europa dürfte die riesige Konkurrenz sein. Es gibt ja nicht nur die Liefer-Start-ups, sondern auch Händler, die eigene Lieferdienste aufbauen – wie die Penny-Mutter Rewe. Ist hier noch genügend Platz für weitere Anbieter?
Der Liefermarkt steht in Deutschland immer noch am Anfang. Der Markt ist groß genug für mehrere Anbieter und verschiedene Ansätze. Wir haben auch nichts dagegen, wenn unsere Partner parallel eigene Lieferdienste betreiben. Walmart setzt beispielsweise in den USA mit Instacart Millionen um, obwohl sie ihren eigenen Onlineshop und Lieferdienst haben. Letztlich geht es darum, welche Modelle von den Kunden am besten angenommen werden – und was wirtschaftlich nachhaltig ist.

Und wie steht es mit dem Wettbewerb ums Personal? Lieferdienste ringen um dieselben Leute. Und die Proteste bei Gorillas zeigen, dass die Arbeitsbedingungen immer stärker hinterfragt werden.
Wir zahlen bessere Gehälter als viele Mitbewerber. Vor allem haben wir die besseren Arbeitsbedingungen. Weil wir nicht innerhalb von zehn Minuten liefern, ist der Zeitdruck nicht so groß. Und die meisten unserer Logistikmitarbeiter sind mit dem Auto unterwegs. Sie tragen keine schweren Rucksäcke herum und sitzen nicht bei minus fünf Grad auf dem Fahrrad. Bisher beschäftigen wir 100 Mitarbeiter – und das Team wird kräftig wachsen, wenn wir nun weiter expandieren.

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