Die Höhle der Löwen „Wir verleihen aussortierten Textilien ein zweites Leben“

Mit einem neuen Recycling-Verfahren will Alina Bassi die Kreislaufwirtschaft in der Modebranche voranbringen. Deshalb hat sie mit ihrem Mann Dave Bassi das Start-up Kleiderly gegründet. Quelle: PR

Die Promi-Geldgeber mochten das Start-up Kleiderly. Tatsächlich investieren wollte in das Recycling-Verfahren für Altkleider dann aber niemand. Ans Aufgeben denkt Gründerin Alina Bassi deswegen nicht.

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Das alte T-Shirt wird zur Sonnenbrille: Mit einem neuen Recycling-Verfahren will Alina Bassi die Kreislaufwirtschaft in der Modebranche voranbringen. In Berlin hat die gebürtige Londonerin dazu vor zwei Jahren zusammen mit ihrem Mann Dave Bassi Kleiderly gegründet. Das Start-up stellt aus Altkleidern ein Granulat her, das Plastik ersetzen soll. In der Vox-Show „Die Höhle der Löwen“ warb das Gründerduo um ein Investment von 90.000 Euro – und bot dafür 15 Prozent der Firmenanteile. Von den Investoren gab es zwar viel Lob, aber kein Geld. Wie ging es seit der Sendungs-Aufzeichnung Anfang des Jahres weiter?

WirtschaftsWoche: Die „Löwen“ waren zwar begeistert von Ihrem Anliegen, wollten aber nicht investieren. Wie groß war die Enttäuschung?
Alina Bassi: Natürlich haben wir uns mehr erhofft. Es hatten aber alle in der Jury nachvollziehbare Gründe, warum sie jeweils als Investor nicht passen. Im Nachhinein denke ich, dass wir uns in einer zu frühen Phase in die Sendung begeben haben. Trotzdem sehe ich das nicht als Misserfolg. Meine Mission ist es vor allem, möglichst viele Menschen auf das Umweltproblem der Modebranche hinzuweisen und Lösungswege aufzuzeigen, dafür ist „Die Höhle der Löwen“ eine gute Plattform.

Die Hauptkritik war, dass Sie einerseits Produkte direkt an Verbraucher verkaufen – auf der anderen Seite aber als Materiallieferant auch auf Unternehmen zielen. Besteht nicht tatsächlich die Gefahr, dass Sie sich verzetteln?
Die Löwen hatten recht, dass wir zu viele Produkte parallel machen wollten. Wir konzentrieren uns deswegen nun auf Brillen. Dass wir mit einem Produkt für Verbraucher anfangen, ist aber eine bewusste Entscheidung. Unser Verfahren ist erst einmal relativ abstrakt und komplex. Mit einem konkreten Produkt machen wir das greifbar. Die Resonanz auf die Brillen ist übrigens sehr gut – wir bekommen darüber auch immer mehr Anfragen von Modemarken. Wir sind zuversichtlich, dass so am Ende auch ein großes Geschäft mit Unternehmenskunden entsteht.

Im Pitch klang es so, als sei der Verkauf eigener Verbraucherprodukte eine Notlösung…
Als Nachhaltigkeits-Start-up wollen wir den größtmöglichen Effekt erzielen. Wir hätten deshalb gerne direkt in großem Maßstab Modeunternehmen beliefert. Da gab es auch schon sehr vielversprechende Gespräche. Dann kam aber die Corona-Pandemie und die Marken hatten angesichts der Geschäftsschließungen erst einmal ganz andere Sorgen. Jetzt kommen die Unternehmen wieder aus dem Krisenmodus. Und das Interesse an Lösungen, die zu mehr Nachhaltigkeit führen, ist riesig.

Und warum haben Sie sich ausgerechnet für Sonnenbrillen entschieden?
Die meisten Menschen lieben Sonnenbrillen. Deswegen sind sie gut geeignet, um unsere Botschaft zu transportieren. Wir hatten zum Beispiel auch Kleiderbügel aus unserem Material gemacht. Aber ehrlicherweise muss man sagen, dass Kleiderbügel keine großen Emotionen wecken. Uns geht es darum, vor allem diejenigen zu erreichen, die bisher nicht viel über Nachhaltigkeit nachgedacht haben.

Lassen sich aus Ihrem Material denn auch neue Kleidungsstücke herstellen?
Nein, das geht leider nicht, war aber auch nie Ziel unserer Innovation.  Das Problem ist, dass Altkleider aus einer ganzen Reihe unterschiedlicher Fasern bestehen – von Baumwolle über Polyester bis Viskose. Mit dem von mir entwickelten Verfahren lässt sich der ganze Mix verarbeiten. Das Material, das dabei herauskommt, kann Hartplastik ersetzen.

Was ist der Vorteil gegenüber recyceltem Plastik?
Plastik-Recycling löst nicht das Müll- und CO2-Problem der Modeindustrie. Man muss sich vor Augen führen, dass die Branche weltweit der zweitgrößte Verursacher von Treibhausgasen ist. Altkleider werden nur zu einem Bruchteil weiterverwendet. 87 Prozent landen auf Mülldeponien oder werden verbrannt. Wir verleihen aussortierten Textilien ein zweites Leben.

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Können Sie Ihr Recycling-Granulat schon in großem Stil herstellen?
Wir arbeiten im Moment bei der Produktion mit mehreren Partnerunternehmen zusammen, kontrollieren aber das Verfahren. Das haben wir auch zum Patent angemeldet. Die Produktion zu skalieren, ist technisch kein Problem. Die große Herausforderung ist es, dafür Investoren zu finden. Geldgeber favorisieren immer Software-Lösungen – sind aber sehr zurückhaltend, wenn Hardware involviert ist.

Wie ist Kleiderly denn bisher finanziert?
Gestartet sind wir mit Ersparnissen. Unterstützt worden sind wir auch vom Acceleratorprogramm High-Tech Seed Lab, das von der EU und dem Land Berlin finanziert wird. Jetzt stehen wir kurz davor, eine Finanzierungsrunde abzuschließen. Leider kann ich dazu im Moment noch keine Details nennen.

Was treibt Sie persönlich an, Ihre Energie der Kreislaufwirtschaft zu widmen?
Als 14-Jährige habe ich das erste Mal vom Klimawandel gelesen. Das hat mich sehr besorgt, ich war richtig schockiert. Damals habe ich beschlossen, dagegen etwas zu tun, wenn ich groß bin. Die besten Chancen habe ich mir mit einem technischen Studium ausgerechnet. Deswegen bin ich Chemieingenieurin und Verfahrenstechnikerin geworden. Die Rechnung ist aufgegangen: Mein Wissen konnte ich etwa nutzen, um für ein Londoner Unternehmen ein Verfahren zu entwickeln, um aus Kaffeesatz Bio-Kraftstoffe herzustellen.

Gearbeitet haben Sie aber erst einmal in der Ölindustrie.
Ja, tatsächlich. Ich hatte während des Studiums ein Praktikum bei einer Beratungsfirma gemacht, die sich mit dem Öl- und Gastransport beschäftigt. Das Unternehmen hat mir dann einen festen Job angeboten und da habe ich zugegriffen. Glücklicherweise habe ich den Absprung aber schnell geschafft. Bei meinem späteren Arbeitgeber, einer Beratungssparte von Thyssen-Krupp, konnte ich mich schon mit Verfahren zur Energiegewinnung aus Abfällen beschäftigen.

Mehr zum Thema: Das bringt die zehnte Staffel der Höhle der Löwen

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