




Während Banken ihre Mitarbeiter entlassen und Filialen schließen müssen, machen Finanz-Start-ups im Netz das große Geld mit dem Kreditgeschäft. Sie bieten Gratiskonten, die sich schnell und einfach online eröffnen und verwalten lassen, individualisierte Versicherungen per App und sie vermitteln Kredite von Privat an Privat - ohne große Bonitätsanforderungen, dafür mit hübscher Rendite. Das können Banken schon allein wegen der Regularien nicht leisten: Sie müssen beraten, müssen Einlagen bis zu einer gewissen Höhe garantieren und können sich nicht mehr mit dem Verweis aufs Kleingedruckte aus der Affäre ziehen, wenn sich das investierte Geld der Kunden in Luft auflöst.
Trotzdem sind Banken im Vergleich zu FinTechs aus Sicht der Kunden nicht die sichere Blackbox, sondern behäbig und gestrig. Auch wenn bei vielen Finanz-Start-ups mittlerweile Katerstimmung herrschen mag. Der Finanzdienstleister Catella Research hat nachgezählt: Gab es in Deutschland vor einem Jahr noch etwa 40 FinTech-Start-ups, waren es Anfang November 2015 schon gut 250, rund 40 Prozent davon sitzen in Berlin. Weltweit gibt es derzeit mehr als 12.000 Finanz-Start-ups. Der Großteil ist in Großbritannien, hauptsächlich London, beheimatet, gefolgt von Schweden und Finnland. Und die neuen Finanzdienstleister sitzen nicht in billigen Büros am Rande der Stadt oder im Gewerbegebiet, sondern im traditionellen Bankenviertel - also direkt vor der Nase der analogen Wettbewerber.
Die zehn wichtigsten jungen Finanzdienste aus dem Internet
Die zehn wichtigsten jungen Internet-Finanzdienste
Quelle: Unternehmen, eigene Recherche
Geschäftsmodell: Girokonto auf dem Smartphone
Sitz: Berlin
gegründet: 2013 von Jonas Piela, Oliver Lukesch und Wilken Bruns
größte Geldgeber: Business Angels
Nutzer: nicht veröffentlicht
Mitarbeiter: 9
Geschäftsmodell: Social Trading: ambitionierte Anleger folgen erfahrenen Spekulanten
Sitz: Frankfurt, London
gegründet: 2009 von Robert Lempka und Thomas Winkler
größte Geldgeber: Luminor Capital
Nutzer: 80.000
Mitarbeiter: 47
Geschäftsmodell: Internet-Zahldienst und Festgeld
Sitz: Stockholm, Köln
gegründet: 2005 von Sebastian Siemiatkowski
größte Geldgeber: Sequoia Capital, Atomico
Nutzer: 25 Millionen
Mitarbeiter: 1.100
Geschäftsmodell: Scoring-Algorithmus zum Aufbau einer digitalen Bank
Sitz: Hamburg
gegründet: 2012 von Sebastian Diemer
Investoren: Värde Partners, Blumberg Capital, Pont Nine Capital
Kunden: 2 Millionen Nutzer gescored, bei 9 Niederlassungen
Mitarbeiter: mehr als 200
Stand:Oktober 2014
Geschäftsmodell: Private Finanzplanung über soziales Netzwerk
Sitz: Köln
gegründet: 2012 von Dieter Fromm und Johannes Cremer
größte Geldgeber: Dieter von Holtzbrinck Ventures, Family Offices
Nutzer: etwa 5000
Mitarbeiter: 12
Geschäftsmodell: Vermittlung von Bank- und Privatkrediten
Sitz: Berlin
gegründet: 2007 von Alexander Artopé und Eckart Vierkant
größte Geldgeber: Earlybird
Nutzer: nicht veröffentlicht
Mitarbeiter: über 100
Geschäftsmodell: Kursprognosen durch Auswertung sozialer Netzwerke
Sitz: Köln
gegründet: 2011 von Jonas Krauß und Stefan Nann
größte Geldgeber: Ayondo, eigenes Management
Nutzer: 2.700
Mitarbeiter: 7
Geschäftsmodell: Automatisierte Geldanlage
Sitz: Frankfurt
gegründet: 2013 von Thomas Bloch, Yassin Hankir und Oliver Vins
größte Geldgeber: Business Angels
Nutzer: 200 Testkunden, Ziel bis 2018: 100.000
Mitarbeiter: 14
Geschäftsmodell: Festgeldanlagen bei internationalen Banken
Sitz: Berlin
gegründet: 2013 von Tamaz Georgadze, Frank Freund, Michael Stephan
größte Geldgeber: Index Ventures
Nutzer: Etwa 5.000
Mitarbeiter: 30
Geschäftsmodell: Social Trading: Anleger folgen erfahrenen Händlern und Profis
Sitz: Wien
gegründet: 2011 von Andreas Kern
größte Geldgeber: Speedinvest, Verlagsgruppe Handelsblatt
Nutzer: 28.000
Mitarbeiter: 24
Die Unternehmensberatung Roland Berger hat nun einmal ausgerechnet, wie teuer es die klassischen Banken zu stehen kommt, wenn sie das Digitalgeschäft an die Konkurrenz verlieren. Zwar bieten Deutsche Bank, Sparkassen, Volksbanken und Co. einfache Bankgeschäfte schon heute online oder mobil an. Nur bei der Abwicklung komplexer Finanzprodukte zucken viele Banken die Schultern. Laut der Studie "Executive Retail Banking Survey: Digital Transformation" könnte das Retail Banken jedoch bis zu 30 Prozent ihrer Erträge kosten.
So digitalisieren Banken ihr Geschäftsmodell
Durch Auswertung des Kundenverhaltens über alle Kanäle (Online, Mobil, Filiale) können Kundenbedürfnisse besser gefiltert werden und so der ideale Zeitpunkt für eine individuelle Kundenansprache identifiziert werden.
Quelle: Roland Berger
Die Neukundengewinnung ist in den letzten Jahren sehr schwierig geworden. Banken müssen daher innovative Ideen entwickeln, um Neukunden mit einfachen und digitalisierten Produkten zu überzeugen.
Es reicht nicht aus, Geschäftsmodelle zu optimieren. Banken müssen auch ihr Wachstum vorantreiben und neue Geschäftsfelder erschließen.
Durch Kooperationen mit branchenfremden digitalen Playern oder FinTech-Unternehmen bekommen Banken direkten Zugang zu innovativen Ideen und lernen die Denkweise der "Digital Natives".
Fehler müssen erlaubt sein, denn nur so können sich Organisationen in dem sich ständig ändernden digitalen Umfeld weiterentwickeln.
Digitalisierung ermöglicht eine neue Art des Kundenservice. Um diese Chancen nutzen zu können, muss ein radikaler Kulturwandel in den Banken stattfinden.
Die Digitalisierung muss entlang der gesamten Wertschöpfungskette bis hin zum Back Office stattfinden, damit auch komplexe Finanzprodukte schnell und zuverlässig abgewickelt werden können.
Die Studie basiert auf einer Umfrage von 65 europäischen Banken, darunter neun deutsche Finanzinstitute. "Wenn es um Kontoeröffnungen oder Kreditkartenanträge über Online- oder Mobile-Kanäle geht, haben deutsche Banken ein besseres Leistungsspektrum als europäische Banken", sagt Wolfgang Hach, Partner von Roland Berger.
Das Online-Verhalten ihrer Kunden werten allerdings nur 45 Prozent der Institute aus. Entsprechend hat mehr als die Hälfte der Banken schlicht keine Ahnung, was der Kunde nutzt und was er will. Und das ist gefährlich. "Die Banken kommen unter Druck, denn Kunden erwarten die gleiche schnelle, flexible und zuverlässige Abwicklung ihrer Geschäfte wie bei Online-Händlern", ergänzt Co-Autor Sebastian Steger. Schnelle und flexible IT-Lösungen verhindern jedoch wieder die Regularien.
Hinzu kommt eine zurückhaltende Investitionspolitik der Banken. Zudem sehen die Studienteilnehmer in der Digitalisierung weniger einen zusätzlichen Umsatztreiber als vielmehr eine Ergänzung zum traditionellen Geschäft. Ein Drittel der befragten deutschen Banken rechnet mit Umsatzzuwächsen von weniger als zwei Prozent. "Ohne innovative Angebote geht es aber nicht. Die Kunden wandern früher oder später zu digitalen Wettbewerbern ab. Das zieht die Umsätze nach unten", erklärt Hach.