Betriebe auf der Suche Azubi-Speeddating zeigt die Probleme wie unter einer Lupe

Das Konzept ist einfach: Azubi-Anwärter können ohne vorangegangene Bewerbung an einen Tisch mit den Betrieben kommen und sich unverbindlich kennenlernen. Wer seine Chancen erhöhen will, bringt eine vorbereitete Mappe mit Referenzen mit. Quelle: Wilfried Meyer

Betriebe mit den letzten freien Ausbildungsplätzen treffen auf Jugendliche, die noch einen suchen. Löst das die Probleme auf dem Ausbildungsmarkt? Beim Azubi-Speeddating in Düsseldorf zeigt sich, warum es schwierig ist.

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Dawid hat für einen 20-Jährigen sehr genaue Vorstellungen von seiner Zukunft: Er will Elektroniker für Betriebstechnik werden und dafür eine dreijährige Ausbildung machen. Doch er will noch mehr: „400 Piepen sind mir zu wenig, deshalb vergleiche ich, wie viel die Betriebe zahlen wollen“, sagt der junge Essener, der eigentlich schon eine Ausbildungsstelle gefunden hat. Vielleicht findet sich ja noch etwas Besseres. Andererseits: Drei Jahre sind schnell vorbei, also will Dawid es im Zweifelsfall nicht an 150 Euro scheitern lassen, „wenn mir der Betrieb gefällt“.

Fast noch wichtiger ist: Er möchte jetzt schon eine Karriereperspektive sehen für die Zeit nach der Ausbildung. „In Familienbetrieben wird man nicht so leicht übernommen, deshalb gucke ich mir größere Betriebe an. Ich möchte später Karriere machen“, sagt Dawid und steuert einen Stand an, an dem zwei Männer geduldig auf Bewerber warten.

Mehrere Hundert Jugendliche strömen an diesem Vormittag in die Hallen der Düsseldorfer Handwerkskammer zum "Azubi-Speeddating". Viele von ihnen studieren eine lange Liste, auf der sie Orientierung suchen: Rund 80 Handwerksbetriebe sind aufgelistet, geordnet nach Branchen und mit der Zahl der freien Stellen versehen. Insgesamt haben sie mehr als 190 freie Ausbildungsplätze zu vergeben. Es soll keine Resterampe sein, sondern eine niedrigschwellige Chance für Betriebe und Bewerber, zueinanderzufinden.

In der Halle zeigen sich die zentralen Probleme des deutschen Ausbildungsmarktes wie unter einer Lupe – und die Versuche, dagegen anzukämpfen, ebenso. Überall liegen Flyer und aufwendig gestaltete Broschüren: „Werde Bäcker und schaffe als Held/in der Nacht die Grundlagen für ein ausgewogenes Frühstück“, steht da zum Beispiel. Oder „Warum nicht was mit Technik? Es ist ganz schön cool, sich in einer Männerdomäne zu behaupten“. Auf rosa Grund soll diese Broschüre junge Frauen ansprechen. Am Ende des Tages sollen möglichst viele der Teilnehmer ihr persönliches Match gefunden haben, und wenn es erst einmal nur eine Bindung auf Zeit für ein Praktikum ist.

Dawid, dunkle Jeans, Sneaker, gemustertes T-Shirt, kurze schwarze Haare, zieht es zum Stand des Düsseldorfer Flughafens. „Während der Ausbildung lernst du alle elektrischen und elektronischen Anlagen eines Flughafens kennen“, verspricht das Flugblatt dort. Es klingt nach einem Jungentraum. Der junge Mann aus Essen ist vorbereitet, nach kurzem Smalltalk legt er den potentiellen Ausbildern eine Mappe mit einschlägigen Praktikumszeugnissen vor.

Sascha Wotzke vom Flughafenteam seinerseits hofft, in diesem Rahmen noch einen Azubi für dieses Jahr zu finden. „Bei den Mathekenntnissen lasse ich noch mit mir reden“, sagt er. Note 3 oder besser wäre gut, eine 4 aber kein Ausschlusskriterium. „Bei einer Sache kenne ich keine Kompromisse“, sagt Wotzke streng. „Und das ist unentschuldigtes Fehlen.“ Alles andere ließe sich notfalls nachholen, sogar fehlende Kenntnisse in der Werkzeugkunde, die eigentlich mal zur Allgemeinbildung gehörten. „Viele angehende Elektroniker haben noch nie ihr Fahrrad selbst repariert und können keine Schraubenschlüssel voneinander unterscheiden“, erzählt er. Früher sei das anders gewesen.

Nach zehn Minuten Speeddating lässt Dawid offen, ob die Ausbildungsstelle ihn überzeugt hat. Er muss noch abwägen – schließlich bekam er bei einer anderen Stelle für später einen Dienstwagen in Aussicht gestellt und das ist ein gewichtiges Argument für ihn.

In gut vier Monaten beginnt das Ausbildungsjahr. Wer noch nichts gefunden hat, trifft beim Speeddating auf Betriebe, denen es umgekehrt ebenso geht. Quelle: Wilfried Meyer

Ganz andere Probleme hat die 21-jährige Alexandra. Seit eineinhalb Jahren ist sie schon auf der Suche nach einem Ausbildungsplatz im kaufmännischen Bereich. Ab und zu erhält sie eine Einladung zu einem Probetag oder einem Praktikum. Immer gibt es Missverständnisse: Sie glaubt jedes Mal, dass es ganz sicher klappt, dann folgt eine nichtssagende Absage per Mail ohne Aufklärung über die Gründe. Die würden Alexandra – lange blonde Haare, Zahnspange, Röhrenjeans – brennend interessieren. Sie ist traurig. „Irgendwann werde ich keine Lust mehr haben“, sagt die junge Frau.

Immerhin: Beim Speeddating hat sie jetzt ein weiteres Probearbeiten klargemacht. Vielleicht hat sie dieses Mal mehr Erfolg.

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