Und da ist er, der nächste Fauxpas, der die Gemüter auf Social Media erhitzt: Diesmal geht es um Christine Lambrecht, Verteidigungsministerin, die sich zu Neujahr mit einem Videogruß an ihre Follower wendet. Der wirkte derart verunglückt, dass manche Twitter-Nutzer hinter ihm schon einen nächsten großen Streich des Komikers Hape Kerkeling vermuteten. Kurz zusammengefasst: Lambrecht steht am Silvesterabend in der Berliner City, während in der Hauptstadt bereits kräftig geböllert wird. Das Knallen, das Jaulen der Sirenen und das Zischen der Raketen machen es fast unmöglich, ihre Worte zu verstehen – was aus professioneller Sicht schon Grund genug gewesen wäre, das Video nicht zu posten. Der Auslöser für den Shitstorm, der daraufhin über Lambrecht hineinbrach, war aber ihre Message: „Mitten in Europa tobt ein Krieg und damit verbunden waren für mich ganz viele besondere Eindrücke, die ich gewinnen konnte. Viele Begegnungen mit interessanten und tollen Menschen. Dafür sage ich ein herzliches Dankeschön!“
Wie diese amateurhafte Inszenierung vor irritierender Kulisse, die noch dazu eine völlig empathielos anmutende Botschaft beinhaltet, ihren Weg an die Öffentlichkeit gefunden hat, muss das Kommunikationsteam des Ministeriums nun aufarbeiten. Was klar ist: Es war nicht das erste und sicher auch nicht das letzte Mal, dass Führungskräfte aus Politik und Wirtschaft mit ihren Social-Media-Posts das Gegenteil von dem bewirken, was sie eigentlich erreichen wollten.
Erst vor wenigen Monaten etwa war Trumpf-Vorstand Oliver Maassen mit einem LinkedIn-Post aufgefallen, der zumindest als kontrovers gelten kann. Maassen verrührte darin Themen wie Gendern oder kulturelle Aneignung mit seinem nachträglichen Ärger darüber, sich für die Nutzung eines rassistischen Wortes entschuldigt zu haben. Sein Post spiegelte eine trotzige Haltung wider, die für den Personalvorstand eines global agierenden Unternehmens zumindest ungewöhnlich ist – und die durchaus Auswirkungen auf das Arbeitgeberimage von Trumpf haben könnte. Junge, talentierte und gut ausgebildeten Köpfe der Gen Z können bei der Wahl ihres Arbeitgebers schon bald wählerischer sein als die Generationen zuvor. Personenmarken bieten dabei Orientierung und einen Blick hinter die Kulissen anonymer Online-Auftritte: Wer in den sozialen Medien offen und sympathisch auftritt, hat gute Chancen im Rennen um die gefragten Talente – und um Wählerstimmen.
Die Posts von Maassen und Lambrecht zeigen allerdings, dass es noch immer Unsicherheit und Unwissen darüber gibt, wie sich Spitzenkräfte auf ihren Social-Media-Profilen äußern sollten. Dabei ist es wahrlich nicht schwierig. Vier Tipps (und natürlich eine Prise gesunder Menschenverstand) helfen Ihnen dabei, Fehler auf LinkedIn, Twitter und Co. zu vermeiden.
Social Media leicht gemacht
Tipp 1: Finden Sie Ihre Nische
Für welches Thema stehen Sie (oder Ihr Unternehmen, Ihre Abteilung, Ihre Partei)? Womit kennen Sie sich gut aus? Wozu können Sie regelmäßig fundierten (!) Content liefern? Stecken Sie sich ein Feld von ungefähr drei Themen ab, zu dem Sie sich regelmäßig als Experte äußern. Das Karrierenetzwerk LinkedIn bietet Ihnen sogar die Möglichkeit, diese Themen als Hashtags (zum Beispiel #HumanResources, #CorporateResponsibility, #Diversity) für alle Profilbesucher sichtbar zu hinterlegen.
Selbstverständlich wird es immer mal Ereignisse außerhalb Ihres Themenpools geben, zu denen ein Post sinnvoll, manchmal sogar wünschenswert ist. Geschickte Kommunikatoren können aktuelle Aufhänger mit der Unternehmens- oder Parteibotschaft verknüpfen.
Tipp 2: Geben Sie sich stets volksnah – aber bleiben Sie dabei authentisch
Ihr Assistent berichtet in einem LinkedIn-Post über die erfolgreich absolvierte Fortbildung? Eine Gratulation in der Kommentarspalte ist das Mindeste. Jemand markiert Sie, weil er mit Ihrem Produkt oder Ihrer Dienstleistung nicht zufrieden ist? Ein Verweis, dass Sie dies an den Kundenservice weiterleiten werden, sollte selbstverständlich sein. Das Strahlen auf der anderen Seite des Bildschirms („Die Chefin kümmert sich höchstpersönlich um mein Anliegen!“) ist Ihnen gewiss. Wichtig ist dabei: Bleiben Sie sich und Ihrem Kommunikationsstil treu. Ironischer Witz und die Verwendung von Emojis liegen Ihnen nicht? Dann verzichten Sie darauf.
Tipp 3: Holen Sie sich Hilfe
Glauben Sie, dass Herbert Diess – der Protoyp des „Social CEO“, der alle Rankings anführt – im stillen Kämmerlein über seine Postinginhalte entscheidet? Weit gefehlt. Die meisten Chefs haben hierbei Unterstützung von Profis, beschäftigen mitunter sogar eigene Social-Media-Referenten. Bevor Sie also mit Ihren Postings im Kommunikationsnebel stochern: Fragen Sie Menschen, die sich damit auskennen. Im Zweifel stehen Ihnen sicher die engagierten Kollegen aus der PR-Abteilung zur Seite, wenn Sie die ersten Schritte auf Social Media wagen.
Tipp 4: Don’t do anything stupid
Die BBC hat ihre Social-Media-Guidelines vor vielen Jahren so zusammengefasst: „Don’t do anything stupid.“ Eine einfache Regel, die noch heute in fast jedem Social-Media-Kurs zitiert wird. Sie zu verinnerlichen ist auch im Jahr 2022 noch essenziell: Lassen Sie sich niemals dazu verführen, soziale Medien als informelle Plattformen zu betrachten. So vermeiden Sie, wie etwa Oliver Maassen, an einem Sonntagnachmittag spontan und unreflektiert einen Post zu verfassen, der inhaltlich auf Ihrem Profil vollkommen fehlplatziert ist. Und der zukünftig deutschlandweit in PR-Seminaren als „Worst Practice“-Beispiel in Powerpoint-Präsentationen gezeigt wird.
Eine falsche oder halbherzig verfolgte Strategie führt nicht immer gleich zu einem Shitstorm, wie im Fall von Lambrecht geschehen. Häufiger investiert man einfach unnötig viel Zeit, für die man zu wenig zurückbekommt. Aber wenn Sie die eben genannten Regeln befolgen, können Sie die aktuelle Popularität und Strahlkraft von LinkedIn und Co. für Ihr Unternehmen, Ihre Partei und natürlich für sich selbst als kraftvolles Marketingtool nutzen.
Dieser Beitrag erschien erstmals am 30.08.2022 und wurde aktualisiert.