Das macht garantiert sympathisch Warum Chefs mehr Fragen stellen sollten

Fragezeichen Illustration Quelle: imago images

Wer als Führungskraft Kunden und Mitarbeiter überzeugen will, muss vor allem eine Fähigkeit beherrschen: Fragen stellen. Aber bitte die Richtigen.

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Wenn es nach Thomas Belker geht, ist sein Arbeitgeber in ein paar Jahren kaum noch wiederzuerkennen. Der 57-Jährige ist seit November 2013 Personalvorstand von Talanx. Noch gleicht der Versicherungskonzern einem Unternehmen der alten Welt: hierarchisch organisiert, risikoscheu und dadurch auch ein wenig behäbig. Bald jedoch soll Schluss sein damit. „Wir wollen agiler, schneller und teamorientierter werden“, sagt Belker. Deshalb sollen bei Talanx nicht nur die einfachen Angestellten umdenken – sondern vor allem die Führungskräfte.

Belker und sein Team haben sich genau überlegt, was der perfekte Talanx-Abteilungsleiter mitbringen muss. Er soll empathisch sein, aber nicht entscheidungsschwach. Mutig, aber nicht leichtsinnig. Und dabei soll er immer an den Kunden und dessen Bedürfnisse denken. Bei Talanx, sagt Belker, arbeiteten viele kompetente Menschen, deren Wissen bloß angezapft werden müsse. Wie das gelingen kann? „Indem die Führungskräfte künftig öfter zuhören statt anordnen“, sagt Belker, „und Fragen stellen statt Antworten geben.“

Mit der Arbeitswelt wandelt sich auch die Vorstellung des idealen Vorgesetzten. Früher war der vorbildliche Chef vergleichsweise schnell gefunden: Gefordert waren Persönlichkeiten, die von sich und ihren eigenen Ideen überzeugt waren – und diese Überzeugungen selbst gegen Widerstände durchsetzen konnten.

Heute hingegen dominiert das Bild des Teamspielers, der offen ist für Beratung, auch wenn seine Meinung dabei auf Widerstand stößt. Und den müssen Chefs aktiv einfordern. Fragen zu stellen, da sind sich viele Organisationspsychologen und Managementforscher einig, gehört daher zu den Kernkompetenzen moderner Führungskräfte.

Zahlreiche Umfragen belegen es: Ein schlechter Chef führt zu höherem Frust, geringerer Motivation und mehr Kündigungen. Die US-Beratung Gallup bestimmt in ihrem Engagement Index jährlich die Motivation der Menschen. In Deutschland hat demnach in den vergangenen zwölf Monaten fast jeder fünfte Angestellte darüber nachgedacht, seinen Job zu kündigen – und zwar vor allem wegen seines Chefs. Das ließe sich verhindern, wenn Vorgesetzte mehr Interesse zeigten, an Kunden ebenso wie an Mitarbeitern. Davon ist zum Beispiel Alison Wood Brooks überzeugt, Assistenzprofessorin an der Harvard Business School: „Fragen zu stellen fördert den Austausch von Ideen, steigert die Leistungen, baut Vertrauen auf und weist frühzeitig auf Gefahren hin.“

Die Vorteile der institutionalisierten Neugier konnte Woods jüngst auch wissenschaftlich untermauern. Für eine Studie, die im vergangenen Jahr im „Journal of Personality and Social Psychology“ erschien, ließ sie mehr als 1000 Testpersonen Gespräche führen, mal von Angesicht zu Angesicht, mal in einem Chatprogramm. Die eine Hälfte sollte in 15 Minuten mindestens neun Fragen stellen, die andere maximal vier. Das Ergebnis war jedes Mal dasselbe: Wer mehr fragte, erfuhr nicht nur mehr über sein Gegenüber – sondern wurde von ihm auch sympathischer eingeschätzt. Und dieser Mechanismus ist auch im Job hilfreich, etwa in Bewerbungsgesprächen. Angeblich sollen Jobanwärter dort vor allem mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten prahlen. Glaubt man einer Studie von Dan Cable (London Business School) und Virginia Kay (Universität von North Carolina), sollten sie sich lieber zurückhalten – und stattdessen den Personaler befragen.

Ihre Untersuchungen zeigten: Je mehr sich die Bewerber auf Eigen-PR konzentrierten, desto weniger Fragen stellten sie dem Personaler über das Unternehmen oder die besonderen Herausforderungen der Stelle – und verpassten die Chance, Eindruck zu schinden und Informationen zu gewinnen. Cable rät Jobanwärtern daher zu einem vermeintlich simplen Satz: „Welche wichtige Frage habe ich Ihnen noch nicht gestellt?“ Das demonstriere ehrliches Interesse – und steigere die Sympathie beinahe automatisch.

Diese Methode kann nicht nur dabei helfen, Mitarbeiter zu führen oder eine Stelle zu ergattern, sondern auch dabei, Produkte zu verkaufen. Darauf deuten zumindest Erkenntnisse des amerikanischen Start-ups Gong hin. Das Unternehmen verkauft eine Software, mit der die Kunden die Verkaufsgespräche ihrer Vertriebsmitarbeiter analysieren können. Für eine Studie untersuchte Gong mehr als 500.000 Gespräche und entdeckte dabei einen Zusammenhang zwischen der Anzahl der Fragen und dem Erfolg des Verkäufers, unabhängig vom Geschlecht des Vertrieblers oder ob die Verhandlung live oder digital stattfand.

Zum einen verstreuten die besten Verkäufer ihre Fragen über die Dauer des gesamten Gesprächs, während die schlechteren Verkäufer sie vor allem in der ersten Hälfte abfeuerten – was aber eher den Eindruck eines Verhörs erweckte. Zum anderen hörten die besten Verkäufer ihren Kunden mehr zu und sprachen selbst weniger. Eine Erkenntnis, von der sich auch Führungskräfte inspirieren lassen sollten, findet Harvard-Forscherin Woods: „Wer Engagement nachhaltig fördern will, kommt an regelmäßigen Fragen nicht vorbei.“

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