Die Clanwirtschaft Wenn Familien gemeinsam ein Unternehmen leiten

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Früher Einstieg

Auch wegen solcher Risiken gibt es nur noch sehr selten Ehepaare, die gemeinsam führen. Das weiß auch Dominik von Au, Geschäftsführer der Intes Akademie für Familienunternehmen: „Die gemeinsame operative Führung birgt zu viel Konfliktpotenzial.“ Die Geschwisterkonstellation sei ebenfalls strittig. „Das Konfliktpotenzial haben viele Unternehmen und Familien schon einmal selbst erlebt“, sagt von Au.

Unkritischer würden hingegen viele ein Eltern-Kind-Gespann in der Führung sehen. Von Au empfiehlt, dass manche Kinder möglichst früh ins Unternehmen einsteigen, um dann in der ersten oder zweiten Führungsreihe gemeinsam mit Vater oder Mutter zu führen und Schritt für Schritt Verantwortung zu übernehmen – bis irgendwann die tatsächliche Nachfolge ansteht.

Der Intes-Berater warnt allerdings vor langfristig angelegten Führungstandems. Eltern-Kind-Gespanne sollten maximal über eine begrenzte Zeit als Übergangslösung zum Einsatz kommen. Denn die Erfahrung lehrt: Wenn Eltern und Kinder allzu lange auf Augenhöhe oder mit dem Kind auf Platz zwei zusammenarbeiten, führt das über kurz oder lang zu Konflikten. Bei Juniorchefs ohne volle Verantwortung steigt langfristig das Frustpotenzial – und Mitarbeiter geraten nicht selten in Loyalitätskonflikte. Senior oder Junior – wer hat denn nun das Sagen? Das fragen sich nicht nur verunsicherte Nachfolger, sondern auch Mitarbeiter und Geschäftspartner. Die Autorität des Juniors wird dadurch meist nachhaltig geschwächt.

Da hilft es auch nicht, dem Nachwuchs formell die Führungsrolle im Tandem zuzuschreiben, während der Vater offiziell in die zweite Reihe tritt. Jörg Rosenberger, systemischer Organisationsberater aus Ostwestfalen, erlebt es immer wieder. Formell würden alle Aufgaben und Verantwortlichkeiten sauber vertraglich geregelt, dennoch kommt es ständig zu Spannungen und Konflikten, weil informelle und private Rollen diese offiziellen Regeln überlagern. Es sei eben schwer, den Menschen vom Amt zu trennen. Das führe oft zu Situationen, in denen Mitarbeiter mehr auf „den Alten“ hörten als auf den Junior, weil er nach wie vor die größere Autorität besitze. Der Senior wiederum fühle sich in seiner Vaterrolle weiterhin als Nummer eins – auch wenn er formell Verantwortung abgegeben habe.

Gemeinsamkeiten betonen

Eine klare Trennung zwischen privater und geschäftlicher Beziehung könne man sich zwar vornehmen. „Aber ich halte es langfristig für sinnvoller, anzuerkennen, dass es immer Wechselwirkungen und Überschneidungen von Rollen, Funktionen und Biografien gibt“, sagt Rosenberger.

Diese Nebenwirkungen der Familienbande einfach zu ignorieren und totzuschweigen führe nur zu lange schwelenden Konflikten, die langfristig Familie und Unternehmen schaden. „Sinnvoller ist es, auch private Themen regelmäßig gezielt anzusprechen und sich immer wieder zu fragen: Was sind unsere gemeinsamen Werte, wie wollen wir miteinander umgehen? Was ist uns wichtig?“

So hält es auch die Unternehmerfamilie hinter der Drogeriekette Budnikowsky, sagt Seniorchef Christoph Wöhlke: „Die Kinder haben sich selbst sehr früh als natürlichen Teil des Unternehmens erlebt.“ Heute sind alle drei in leitender Position im Unternehmen tätig, Wöhlke senior will sich bald zurückziehen. Konflikte seien in einem Familienunternehmen unvermeidbar. „Streit ist sogar notwendig. Das im Privaten beiseitezulegen geht nicht immer, aber immer öfter“, sagt Wöhlke. „Wir streiten uns, aber wir vertragen uns auch wieder. In beidem sind wir inzwischen richtig gut.“

Wer das Beziehungskapital der Familienbande für das Unternehmen nutzen und es mehren will, muss also in die Qualität dieser Beziehungen investieren und auch private Konflikte aushalten. „Speziell in Krisensituationen zahlt sich dieses Investment aus“, sagt Rosenberger. Denn in Familienunternehmen gelte meist: Wenn es drauf ankommt, halten wir zusammen.

Auch in der Bäckersfamilie Mayer nehmen sie es mit der Arbeit am Beziehungskapital ganz genau. Motto: Je enger die privaten Beziehungen, desto besser läuft es in der Firma. „Meine Schwester und ihr Mann leben mit meinen Eltern gemeinsam im Stammhaus der Bäckerei“, sagt die angehende Co-Chefin Seraphine Mayer-Wagner. „Wir verbringen alle nach Feierabend und am Wochenende viel Zeit miteinander, auch mit der erweiterten Familie.“ Der Vorteil, wenn man so viel Zeit teile, wenn alle mitredeten im Familienbetrieb: „Wir haben zwar jeder einen eigenen Fachbereich, arbeiten aber grundsätzlich nach dem alten Prinzip in Handwerksbetrieben: Jeder kann alles, jeder kennt sich mit allen Bereichen aus, jeder kann für die anderen einspringen.“

Bald soll ein Neubau den 140 Jahre alten Stammsitz des Familienunternehmens ersetzen. Ein Problem? Jedenfalls hat „da jeder seine eigene Meinung, wie viel Risiko wir eingehen können und dürfen“, sagt Mayer-Wagner, die mit 27 Jahren jüngstes Familienmitglied in der Unternehmensleitung ist.

In einem neuen Gesellschaftsvertrag will die Familie alle Eventualitäten regeln: Was ist, wenn eines der Geschwister aus der Führung aussteigen oder kürzer treten will? Wer darf in strittigen Situationen entscheiden? Doch allzu detailliert sollen die Vertragswerke auch nicht geraten: „Letztlich hilft es uns nicht, wenn in irgendeinem Paragrafen steht, was zu tun ist“, sagt Mayer-Wagner: „Miteinander reden und miteinander eine Lösung finden müssen wir trotzdem.“

Auch wenn es mal Reibungspunkte gebe: „Wir haben alle klare gemeinsame Vorstellungen davon, wie wir miteinander arbeiten und umgehen wollen und wo es mit dem Unternehmen hingehen soll.“ Und das sei das Wichtigste.

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