Diversity „Die Leute auf ihren schönen Posten bangen um ihre Privilegien“

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„Veränderungen sind aber immer mit Unsicherheit verbunden“

Wie genau sieht das aus?
Wir bieten Workshops zu Rhetorik an, stellen den Leuten Trainer an die Seite, um an ihrer Einstellung zu arbeiten, helfen mit Kontakten zu möglichen Arbeitgebern. Und wir laden berühmte Aufsteiger zu Gesprächen ein, etwa die einstige SPD-Chefin Andrea Nahles oder die Tagesthemen-Moderatorin Pinar Atalay.

Wie groß ist das Netzwerk inzwischen?
Aktuell fördern wir rund 550 soziale Aufsteiger. Sie sind zwischen 18 und 39 Jahren alt. Alle aus finanzschwachen oder bildungsfernen Familien. Zur Hälfte Männer und Frauen, und zur Hälfte haben sie eine Migrationsgeschichte.

Sie sind also nicht nur für Kinder aus Einwandererfamilien da?
Nein, es gibt auch junge weiße Männer, die durchs Raster fallen, weil sie vielleicht in Marzahn bei einer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen sind, die Hartz IV bezieht.

Wie offen zeigt sich die Wirtschaft für diese Menschen?
Ich hatte mir da mehr erwartet. Wenn Unternehmen von uns hören, dann meinen die gerne mal, wir könnten ihnen eine gute Bürokraft vermitteln. Die meisten denken beim Stichwort Diversity nur an mehr Frauen, allenfalls noch an Migranten. Es ist schwer, ihnen klarzumachen, was ihnen entgeht, wenn sie nicht auch auf die soziale Vielfalt in ihren Führungsetagen achten.

Was denn?
Leute, die sich aus schwierigen Verhältnissen nach oben gekämpft haben, sind sehr durchsetzungsstark. Und lösungsorientiert – weil ihnen Prestige meist nicht so wichtig ist.

Woran liegt die Zurückhaltung der Unternehmen?
Soziale Herkunft ist nicht sexy. Mit einem Förderprogramm für Frauen können sie eher für sich werben.

Frauen haben es leichter als jemand aus einem Hartz-IV-Haushalt?
Die Frauenbewegung ist viel älter. Deshalb ist sie auch besser darin, ihre Rechte einzufordern. Aber ganz ehrlich: Die Programme verändern meistens nur etwas für einzelne Personen und ihre Karrieren. Am System tut sich kaum etwas. Es gibt eine gläserne Decke – und die ist ziemlich dick. Die Leute auf ihren schönen Posten bangen um ihre Privilegien, auch wenn das niemand zugeben würde.

Wird sich das nun in der Krise ändern?
Nein, eher im Gegenteil. Neuen Menschen, die bisher nicht dazugehören, eine Chancen zu geben, heißt Veränderungen anzustoßen. Veränderungen sind aber immer mit Unsicherheit verbunden. Ich denke, gerade in der Krise möchten die Menschen keine Unsicherheit zulassen. Außerdem kosten neue Diversity-Programme Geld, was gerade auch nicht da ist.

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