Führungsqualitäten Warum gerade Anführer-Typen keine guten Chefs sind

Quelle: Getty Images

Chefs, die nicht führen können – wie kann das passieren? Ein Autor und ein Psychologe aus der Organisationsberatung geben Antworten: Warum mehr Frauen helfen würden und Psychopathen nur richtig eingesetzt werden müssen.

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Der unfähige Chef – ist er in Zeiten ausgefeiltester Rekrutierungsmethoden nurmehr ein Klischee aus TV-Serien wie „Stromberg“? Glaubt man dem Autor Tomas Chamorro-Premuzic, lautet die Antwort klar: Nein. Es sei sogar noch schlimmer, schreibt der argentinische Organisationspsychologe, der in London als Universitätsprofessor tätig ist, in seinem nun in deutscher Übersetzung erschienenen Buch „Warum so viele inkompetente Männer in Führungspositionen sind“ (Haffmanns Tolkemitt, 19,90 Euro). Inkompetente Chefs sind demnach nicht nur ein weltweites Phänomen, sondern zumeist auch männlich.

Dahinter steckt laut Chamorro-Premuzic nicht etwa eine Scheinkorrelation: Schließlich gibt es mehr Männer in Führungspositionen, also müssen unter ihnen auch mehr Fehlbesetzungen sein. Er sieht sogar einen Kausalzusammenhang: Weil Männer häufiger Narzissten, Selbstüberschätzer und Psychopathen seien, kämen sie auch überproportional in Führungspositionen – mit fatalen Folgen für Unternehmen.

Der Autor spricht aus eigener schmerzvoller Erfahrung, wie er schreibt. Seine Heimat Argentinien sei das beste Beispiel für die Richtigkeit seiner These, stellt er sarkastisch fest. Das ist ihm Antrieb genug, außerhalb seines für ihn hoffnungslosen Heimatlandes „Organisationen dabei zu helfen, unfähige Führungskräfte zu vermeiden und ihr vorhandenes Führungspersonal weniger ineffektiv zu machen“.

Warum aber gelangen gerade Narzissten und Psychopathen häufig in die Chefsessel dieser Welt? „Narzissten sind Menschen, die sich selbst am besten finden und Psychopathen welche, die meinen, dass für sie die Regeln nicht gälten. Beide Typen haben aber etwas, was man mit Selbstbewusstsein und Charisma gleichsetzt. Sie stellen sich gut dar, sehen oft auch gut aus, kleiden sich gut und sind eloquent. Alles, womit man im Bewerbungsgespräch und am Konferenztisch punkten kann“, sagt Till Tolkemitt, der die deutsche Ausgabe von Chamorro-Premuzic‘ Buch herausgegeben hat.

Wenn viele Manager für das Führen von Menschen ungeeignet sind, liegt ihrem Aufstieg ein Missverständnis zugrunde. Fachliche Kompetenz ist nicht das gleiche wie Führungskompetenz – und vermeintliche Fachkompetenz ist manchmal einfach nur eine gelungene Show aus Selbstüberschätzung und entsprechend selbstbewusstem Auftreten. Eigenschaften also, die der eine oder andere von seinem Chef – und aufstrebenden Kollegen – kennen dürfte.

Chef werden in vielen Unternehmen diejenigen, die sich fachlich hervorgetan haben. „Aber Chef sein ist eine ganz andere Sache, da müssen Sie nämlich Menschen führen und ein Team zum Erfolg bringen“, sagt Tolkemitt. „Viele Chefs sehen ihre Beförderung aber eher als Belohnung für ihre bisherigen Leistungen und haben nicht im Blick, dass ihre Verantwortung auch bedeutet, mit ihren Mitarbeitern zu arbeiten.“ Der Coach ist überzeugt, dass ein Großteil der Führungskräfte im Land eigentlich ungeeignet für ihren Job ist. „Es sind oft diese natural born leader, die in der Kita schon der Anführer waren. Aber das ist nicht das, was eine gute Führungskraft ausmacht“, sagt Tolkemitt. Auch deshalb sei es Frauen mit Ambitionen nicht zu empfehlen, Männern nachzueifern. „Das wird sich in Zukunft nicht weiter halten können. Die jungen Generationen werden den schlechten Chef nicht mehr akzeptieren.“

Auf einer Skala von eins bis zehn könne man auch für die Führung ungeeignete Menschen um zwei Punkte nach vorne bringen, fasst Tolkemitt seine Erfahrung als Coach zusammen. Mehr aber nicht. Um bessere Chefs zu bekommen, brauche es neue Aufstiegsstrukturen. Und natürlich gebe es, so Tolkemitt, auch „gute Männer und schlechte Frauen“ in Führungsetagen.

Das sieht auch der deutsche Psychologe Eric Wenzel so, Experte für Auswahl und Nachfolge bei der Personal- und Organisationsberatung Korn Ferry. Er legt Wert darauf, dass doch die meisten Führungskräfte durchaus fähig seien. Wenn nicht, seien tatsächlich häufig Persönlichkeitsstörungen von Narzissmus bis Psychopathie dafür verantwortlich. Dass eher Männer zu diesen Eigenschaften neigten, möchte Wenzel so nicht sagen.

Bringen die gängigen Aufstiegswege also die falschen Leute nach oben? „So pauschal kann man das wirklich nicht sagen. Die meisten Führungskräfte machen einen ordentlichen Job“, betont Wenzel. „Die meisten wachsen an und mit ihren Aufgaben und gute Ausbildungsprogramme haben sich als sehr sinnvolle, flankierende Maßnahme etabliert, um Führungsfähigkeit zu entwickeln.“ Hilft auch umfassende Führungskräfteentwicklung nicht weiter, könnten Eigenschaften, die man als ‚dunkle Triade‘ kennt, die Ursache sein. Neben Narzissmus und Psychopathie gehört dazu auch Machiavellismus – also die Einstellung, der Zweck heilige die Mittel. Wenzel betont aber: „Völlige Fehlbesetzungen mit derartigen Persönlichkeitsstrukturen sind genauso selten wie herausragende Ausnahmemanager.“

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