„Wenn Manager Kritik nicht offensiv einfordern, bekommen sie ab einer gewissen Position überhaupt kein Feedback mehr“, sagt Kanning. „Strikte Hierarchien und starre Strukturen sind ein reichhaltiger Nährboden für Fehleinschätzungen der eigenen Persönlichkeit.“ Außerhalb der deutschen Landesgrenzen werden die meisten angehenden Manager hingegen schon als Student mit ihrer Fremdwahrnehmung konfrontiert. An der Eliteuniversität Harvard zum Beispiel haben Persönlichkeitstest und psychologische Beurteilungen längst auch Einzug in die Wirtschaftsstudiengänge gefunden.
Das zahlt sich aus: Studien haben gezeigt, dass Führungskräfte und Teams besser und effektiver sind, wenn sie regelmäßig darüber reflektieren, was sie gut oder schlecht machen. Später im Berufsalltag vernachlässigen Manager das allerdings häufig wieder. Denn auch in den USA werden die meisten Führungskräfte eben nicht danach beurteilt, ob sie die besten Chefs sind, sondern ob der Umsatz stimmt.
Sieben Schritte zur Bewältigung von Krisen
Häufig besteht bei Führungskräften die Gefahr, dass sie sich Krisensituationen gar nicht zugestehen möchten oder an nichts Anderes mehr als an die Krise denken. Es gilt die emotionale Balance wiederherzustellen: positive Gefühle bewusst aktivieren, negative Gefühle nicht verdrängen.
Quelle: Jörg Krauter, "A framework of responses for leaders in adversity"
Welche Haltungen und Glaubenssätze haben in die Krise geführt? Führungskräfte müssen sich die Frage nach dem Warum stellen und sowohl mit sich als auch mit Anderen reflektieren. Den Tunnel-Blick verlassen und bewusst blinde Flecken aufdecken.
Mit offener Kommunikation auf Augenhöhe (keine „Schein“-Kommunikation, keine Machtspiele) umfassendes Vertrauen, gegenseitigen Respekt und eine gemeinsam getragene Vereinbarung schaffen. Hierarchie darf kein Hinderungsgrund sein. Die Kommunikation gestaltet sich durch strukturierten Dialog, aktives Zuhören und Reflektion mit dem Ziel, ein gemeinsames Verständnis von der Situation zu erhalten.
Jetzt gilt es die Handlungsstrategien am Wertegerüst auszurichten und darüber dialogisch zu kommunizieren: “was bedeuten Grundüberzeugung und Leitbild des Unternehmens für das Handeln in dieser extremen Situation?”
Jetzt gilt es, neue Handlungsstrategien strukturiert und zielorientiert zu planen. Zielvision und Teilziele neu ausrichten - weg von blockierenden Zielen hin zu anspruchsvollen motivierenden Zielen kommen. Danach klare Entscheidungen treffen.
Auf die Stärken aller Beteiligter setzen. Talente und Stärken fördern und somit über positive Erlebnisse auch positive Gefühle etablieren.
Lernen findet nur im „space between“ statt, d.h. zwischen Bekanntem und Neuen. Innovation und Lernen nutzen. Also raus aus der Komfortzone und auch einmal ungewohnte Wege gehen.
Es gibt dennoch ein paar Möglichkeiten, wie auch Manager an ehrliche Kritik kommen können. Ob der ehemalige Daimler-Chef Jürgen Schrempp jemals für warnende Worte seiner Mitarbeiter empfänglich war, ist fraglich. Fest steht, dass Schrempp nicht unter mangelndem Selbstbewusstsein litt. „Wir wollen die Nummer eins werden“, verkündete er im Jahr 1998 bei der Übernahme von Chrysler. Dass ein Mann mit einem solchen Ziel vor Augen keine Zeit auf Bedenken anderer verschwenden kann, ist klar. „Ist das Ego einer Führungskraft zu groß, führt das zwangsläufig zu Fehleinschätzungen“, sagt Kanning. „Manager, die allzu sehr von sich eingenommen sind, bewerten die eigene Meinung immer höher als Ratschläge und Einwände anderer.“ Im Fall Schrempp sah die Bilanz folgendermaßen aus: Berechnungen zufolge kostete der Deal den Konzern 40 Milliarden Euro.
Wer sich selbst schlecht bewertet bekommt oft gute Noten
Trotzdem: „Eine leichte Form der Überschätzung ist unter Managern sogar ganz gut“, sagt Kanning. Zum einen braucht es ein gewisses Selbstbewusstsein, um überhaupt in eine solche Position zu kommen. Zum anderen zeigt die Forschung, dass Menschen mit einem positiven Selbstbild glücklicher und erfolgreicher sind. Wenn es allerdings um den Ruf bei den Mitarbeitern geht, sieht das anders aus: Eine aktuelle Studie kam zu dem Ergebnis, dass es gar nicht so wichtig ist, sich richtig einzuschätzen – zumindest, solange man sich unterschätzt. Die Managementberatung Zenger Folkman verglich kürzlich das Selbstbild von 69.000 Managern mit der Wahrnehmung ihrer Mitarbeiter, rund 750.000 Menschen.
Das Ergebnis: Je schlechter die Manager sich selbst bewerteten, desto bessere Noten bekamen sie von ihren Untergebenen. Aber auch umgekehrt galt: Die Führungskräfte, die sich selbst besonders gut einschätzten, bekamen von ihren Mitarbeitern die schlechtesten Bewertungen. Diesen Chefs bleibt die Lektüre von Konfuzius zu empfehlen. „Wer andere kennt, ist klug“, sagte der chinesische Philosoph, „wer sich selbst kennt, ist weise.“ Und das hat gerade im Job noch niemandem geschadet.